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Leistungstests mit Epo-Mäusen

Die Sportwelt diskutiert über ein Hormon, dessen verschiedene Wirkmechanismen noch ein Rätsel sind – und über dessen Folgeschäden wenig bekannt ist. Beat Schuler vom Institut für Veterinärphysiologie der Universität Zürich untersucht Leistungssteigerung und –abfall bei Aufnahme von Erythropoetin (Epo). Er möchte damit die langfristig entstehenden gesundheitlichen Folgeschäden eines künstlich erhöhten Leistungspegels aufzeigen.
Marita Fuchs

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Die jüngste Serie von Epo-Geständnissen einiger Radprofis lässt das Ausmass des Dopingsystems erahnen. Durch die bisherige Geheimhaltung weiss die Öffentlichkeit wenig über die Auswirkungen jahrelangen Dopings beim Menschen. In den neunziger Jahren sind einige Fälle von Missbrauch auf makabre Weise bekannt geworden: Zu hohe Epo-Dosen führten bei einigen Radprofis zum Tode.

Das Dopingmittel Epo bewirkt nämlich unter anderem die Erhöhung des Hämatokrit-Werts: der Anteil der roten Blutkörperchen im Blut steigt und in der Folge wird das Blut dickflüssiger. In kleinen Adern verklumpt das Blut und kann das umliegende Gewebe nicht mehr mit Sauerstoff versorgen. In der Nacht, wenn das Herz das verdickte Blut langsamer durch die Gefässe pumpt, versagt den Sportlern das Herz im Schlaf.

Sportliche Mäuse

Welche Rolle der Hämatokrit-Wert auf die Ausdauerleistungsfähigkeit hat und welche gesundheitlichen Folgeschäden bei zu hohen Hämatokrit-Werten entstehen, will Beat Schuler, Doktorand am Veterinärphysiologischen Institut der Universität Zürich, genau wissen.

Maus auf dem Laufband; telemetrisch werden Blutdruck und Herzfrequenz gemessen.

Seit zwei Jahren geht er der Frage nach, ob ein Hämatokrit-Wert existiert, der maximale Leistung erlaubt. Um diesen zu bestimmen, bringt Beat Schuler Mäuse auf Trab. Wie Spitzensportler lässt er die Mäuse auf einem eigens konstruierten Laufband rennen und misst ihre Ausdauerleistungsfähigkeit. Dabei kann er, je nach Vorliebe der Mäuse, die Geschwindigkeit variieren: «Es gibt Mäuse, die laufen sehr gern, andere weniger», berichtet der Forscher.

Einzigartig in Europa ist die telemetrische Messung des Blutdrucks, des EKG und der Herzfrequenz bei gleichzeitiger Erfassung der sportphysiologischen Parameter wie die maximale Sauerstoffaufnahme und CO2-Produktion. Die Organe werden anschliessend pathologisch untersucht.

Leistung, Hämatokrit und die organischen Werte können auf diese Weise miteinander verglichen werden. Dies liefert Antworten auf bisher ungeklärte Fragen, etwa wie sich der jeweilige Hämatokrit-Wert auf die Leistung und Gesundheit auswirkt.

«Die neuartige direkte und kabellose Messung von Blutdruck, EKG und Metabolismus in der rennenden Maus eröffnet neue Möglichkeiten zur Leistungsuntersuchung», sagt Beat Schuler.

Auf der Suche nach dem optimalen Hämatokrit

In seinen Versuchen erhöht Beat Schuler bei normalen Mäusen den Hämatokrit stufenweise auf unterschiedliche Levels durch Injektion von Epo. Ein analoges Experiment führt er mit transgenen Mäusen durch, die zu viel Epo produzieren. Die hohe Konzentration von Epo führt dazu, dass diese Mäuse einen Hämatokrit bis zu 90 Prozent aufweisen.

Zum Vergleich: Der normale Level eines jungen, gesunden, im Ausdauersport trainierten Mannes liegt zwischen 40 und 45 Prozent, vergleichbar mit dem Wert bei normalen Mäusen. «Das Blut der transgenen Mäuse ist bildlich gesprochen etwa so dick wie flüssiger Honig», sagt Beat Schuler. Durch Zugabe von Phenylhydrazin, welches die roten Blutkörperchen zerstört, vermindert sich auch der Hämatokrit der transgenen Mäuse.

Auf diese Weise erhält Schuler Daten darüber, wie der normale Organismus auf Epo-Zugaben reagiert und wie ein Organismus reagiert, der an sich schon genetisch hohe Werte an Epo aufweist und dessen Hämatokrit reduziert wird.

Schäden an Leber, Niere und Skelett

Die transgenen Epo-Mäuse weisen weder Thrombosen noch zeigen sie Komplikationen des Herz- Kreislaufsystems auf. Dennoch ist die Lebenserwartung im Vergleich zur normalen Maus auf etwa die Hälfte reduziert. Nach Untersuchungen von Professor Max Gassmann, Leiter des Veteriärphysiologischen Instituts, zeigen sich degenerative Prozesse der Niere, Leber, Skelettmuskulatur und Nerven. «Die Nieren weisen Löcher auf und in den Muskelfasern konnten wir tiefe Risse nachweisen», berichtet Gassmann, der auch die Arbeit von Beat Schuler wissenschaftlich begleitet.

Beat Schuler untersucht nun, ob eine erhöhte Epo-Konzentration auch noch andere Organe schädigt und ob die Verminderung des Hämatokrites bei den transgenen Mäusen zu einer entsprechenden Linderung der Organschäden führt.

Epo ist auch ein lebensnotwendiges Medikament

Die Versuche sind nicht nur wichtig, um gesundheitliche Risiken von künstlicher Leistungssteigerung durch Epo zu untersuchen. Denn Epo wird in erster Linie für die Behandlung unterschiedlicher anämischer Krankheiten, wie chronischer Nierenkrankheit, HIV-Infektion, Krebs, Zuckerkrankheit, Hirn- und Herzinfarkt, verwendet, da es die Bildung roter Blutkörperchen anregt. Dabei hängt die Behandlungsdauer und verwendete Injektionskonzentration vom Schweregrad der Krankheit und der Regenerationsfähigkeit des betreffenden Organs ab. Die Therapie kann sich über Monate, ja sogar Jahre, erstrecken.

Ein Ziel von Beat Schulers Arbeit ist es, den Einfluss von Epo auf die Organe zu untersuchen, um das Risiko besser abschätzen zu können, dem sich Patienten während einer Epo-Behandlung aussetzen. Dieses Wissen ist umso wichtiger, da die Anzahl der an diesen Leiden erkrankten Personen in den letzten Jahren stark zugenommen hat.