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Zürich wird sechs Tage lang Musikhauptstadt

Der weltweit grösste musikwissenschaftliche Fachkongress findet dieses Jahr in Zürich statt. Organisiert hat den Grossanlass mit Konzerten, Referaten und Rahmenprogramm das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Zürich.
Brigitte Blöchlinger

Alle fünf Jahre richtet die Internationale Gesellschaft für Musikwissenschaft einen grossen internationalen Fachkongress aus. Dieses Jahr ging die Aufgabe nach fast sechzig Jahren wieder an die Schweiz und erstmals an Zürich. Dort hat das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Zürich, das zufälligerweise dieses Jahr auch noch den 70. Gründungstag und den 50. Jahrestag des Rücktritts des ersten Ordinarius Paul Hindemith feiert, die Organisation übernommen. Rund tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt werden am Kongress, der unter dem Motto «Passagen» steht, erwartet.

Erster Ordinarius des Musikwissenschaftlichen Seminars der UZH: Paul Hindemith (1895–1963)

Dem Motto «Passagen» verpflichtet ist nicht nur das Hauptprogramm, sondern bereits die Eröffnungsfeier mit dem Konzert des Tonhalle-Orchesters Zürich unter dem Dirigenten Heinz Holliger im Kleinen Tonhallesaal. Den Einführungsvortrag zum Thema wird die Komponistin und Professorin an der Musikhochschule Zürich, Isabel Mundry, halten, umrahmt von Alphornklängen und elektronischer Musik. Zuvor wird erstmals der neu geschaffene Glarean-Preis für Musikforschung verliehen.

Hauptvorträge zu «Passagen»

Auch die Hauptvorträge sind den Übergängen gewidmet. Als Referenten konnten renommierte Fachgelehrte gewonnen werden: der deutsche Musikhistoriker Ludwig Finscher, unter anderem Ehrendoktor der UZH, Herausgeber der Neuausgabe der grossen Enzyklopädie «Die Musik in Geschichte und Gegenwart» und Balzan-Preisträger; dann der ghanäische, musikethnologisch und musikgeschichtlich hochrangig ausgewiesene, produktive Grenzgänger Kofi Agawu von der Harvard University; schliesslich der Mediävist und ehemalige Direktor des Max Planck Instituts für Geschichte in Göttingen Otto Gerhard Oexle, der namhafte Publikationen zur Geschichte des Mittelalters geschrieben hat, sowie der polnische Schriftsteller Adam Zagajewski, der sich aus literarischer Sicht zu Übergängen äussern wird.

Motette von Ludwig Senfl.

Konzerte mit namhaften Künstlern

Die Konzerte sind öffentlich und in Anbetracht der herausragenden Qualität für ein bescheidenes Entgelt zu haben. Das Programm ist in Kooperation mit dem Schweizerischen Tonkünstlerverein, der sein 107. Fest ebenfalls unter das Motto Passagen stellt, entstanden. Sowohl zeitgenössische Konzerte sind zu hören, als auch Konzerte in der Aula der Universität Zürich, die das Musikwissenschaftliche Institut organisiert hat. Zu letzteren ist der Auftritt der Sopranistin Jill Feldman und des Flöten- und Viellaspieler Kees Boeke hervorzuheben. In der Aula wird auch die weltbekannte Altistin Birgit Remmert, mit Stefan Irmer am Klavier, einen Liederabend mit Werken des 19. Jahrhunderts (Clara und Robert Schumann, Brahms und Mahler) geben. Erwähnenswert auch das Klavierrezital mit Kommentaren von Siegfried Mauser, «Passing through Paris around 1900», zu Erik Satie und Claude Debussy.

Renaissance-Komponist mit Basler Wurzeln: Ludwig Senfl (1486 - 1542)

Kompositionen von Kindern und Jugendlichen

Schweizweit einmalig ist der Kompositionswettbewerb für Kinder und Jugendliche, den die «Camerata Zürich» initiiert und im Sommer 2006 bereits zum dritten Mal ausgeschrieben hat. Eine prominente Jury wählte aus den eingesandten Werken der jungen Komponistinnen und Komponisten zwischen neun und neunzehn Jahren die besten aus, die nun von der «Camerata Zürich» in einem grossen Schlusskonzert zur Uraufführung gebracht werden. Das Publikum erhält die Gelegenheit, ein Werk für den Publikumspreis auszuwählen.

Musikort Zürich

In Zürich lebten und wirkten immer auch namhafte Komponisten und Musik-Mäzene wie Richard Wagner, Ludwig Senfl, Paul Hindemith und Paul Sacher. Ihnen sind am Symposium Vorträge von renommierten Kennern gewidmet. Auch das Trossinger Symposium zu Renaissance-Musik wurde eigens auf den internationalen Kongress in Zürich terminiert.

Schrieb seine bedeutendsten Werke in Zürich: Richard Wagner (1813 - 1883)

Musikalische Dinner und Stadtrundgänge

Wer es kulinarisch mag, begibt sich ans Dinner mit musikalischem Programm «à la carte – schweizer komponisten zum anbeissen» zuoberst im Hauptgebäude der ETH mit überwältigendem Blick über die Stadt. Wer lieber Geist und Bein bewegt, nimmt an einem musikalischen Stadtrundgang teil. «Wir möchten Zürich als Musikort präsent halten», sagt Organisator Prof. Laurenz Lütteken, «der Einfluss von Musik hat in Zürich ja über die Jahrhunderte hinweg stetig zugenommen.» Im 16. Jahrhundert habe Musik zwar vorwiegend im nicht öffentlichen Raum stattgefunden, da ihr unter Reformator Ulrich Zwinglis Einfluss mit grösster Zurückhaltung begegnet worden sei. Mit dem 19. Jahrhundert änderte sich das jedoch grundlegend, und Zürich wurde zu einer Musikstadt. «Insofern ist Zürich als Musikstadt attraktiv», sagt Lütteken, «ich hoffe, dass sie auch als Musikwissenschaftsstadt attraktiv wird – der Kongress findet ja zum erstenmal in Zürich statt.» Freundlicherweise werde auch die Zentralbibliothek Zürich mitmachen und zum Teil bisher verborgene Schätze in einer grossen Ausstellung «Zwölf Jahrhunderte Musik in Zürich» präsentieren.