Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

 

Wissenschaft im Dialog

Wie können Wissenschaft und Bevölkerung miteinander kommunizieren? Eine Tagung des Bundesamtes für Energie ging dieser Frage am Beispiel kontrovers diskutierter Technologien nach.
Adrian Ritter

Zwischenlager für radioaktive Abfälle im aargauischen Würenlingen. Die abgebrannten Brennelemente werden in Stahlbehälter verschlossen. Für die Suche nach einem Standort für ein Endlagerung ging das Bundesamt für Energie nach Misserfolgen an der Urne ab 2002 neue Wege.

«Technikskepsis ist heute Mainstream», meinte Dr. Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie, bei der Begrüssung zur Tagung am vergangenen Freitag in Bern. Gerade in einer Zeit, in der Technologien immer häufiger demokratisch legitimiert werden müssen, stelle sich deshalb die Frage: «Wie können wir den Dialog mit der Bevölkerung führen?»

Die Tagung «Experten und Laien – eine Beziehung mit Perspektiven?» ging dieser Frage am Beispiel der Mobilfunk- strahlung, der Stammzellenforschung und der Endlagerung radioaktiver Abfälle nach.

Die Güterabwägung bleibt

Wie wichtig der Dialog ist, weiss auch Gregor Dürrenberger, Geschäftsleiter der Forschungsstiftung Mobilkommunikation. Die Stiftung fördert die wissenschaftliche Forschung über Chancen und Risiken der Mobilkommunikation. Wichtig sei, dass sich die Wissenschaft nicht politisch instrumentalisieren lasse, so Dürrenberger.

Nicht selten werde nämlich von Kritikern wie Befürwortern ein «Rosinenpicken von Studien» betrieben. Zu bedenken sei zudem, dass auch die Wissenschaft nicht alle Fragen beantworten könne – die Güterabwägung der Nutzen und Risiken sei schlussendlich ein politischer Prozess.

Bedrohung hat Priorität

Wie aber kommen Menschen überhaupt zu ihren Urteilen? Gemäss Heinz Gutscher, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Zürich, bewerten Menschen ihre Umgebung permanent. Dabei würden negative Information allerdings deutlich länger und intensiver beachtet als positive Information: «Bedrohungsinformationen haben Priorität».

Eine Eigenheit des Menschen sei es zudem, dass er angesichts unsicherer Neuerungen den Status Quo bevorzuge, was die Einführung neuer Technologien erschweren könne. Umso wichtiger sei das Vertrauen. Da die Bevölkerung bei neuen Technologien nicht auf positive Erfahrungen aufbauen könne, sei die Glaubwürdigkeit von Personen und der Wissenschaft an sich ausschlaggebend.

Die Bevölkerung am Dialog beteiligen: Partizipative Verfahren wie Bürgerdiskussionforen, hier am Beispiel des Sachplanes Geologische Tiefenlagerung. 

Wem schadet es?

Bisweilen kämen Menschen auch zu negativen Urteilen über Technologien, wenn gar keine direkte Bedrohung vorliegt, erläuterte Prof. Hans-Peter Lipp vom Anatomischen Institut der UZH am Beispiel der Opposition gegen die Stammzellenforschung. Auf die Frage «Wem schadet es?» sei nämlich bei der Stammzellenforschung schwerlich eine Antwort zu finden, wogegen der potenzielle Nutzen gross erscheine.

Die «Immunität gegenüber sachlichen Argumenten in dieser und anderen Debatten» sei bei Kritikern manchmal beachtlich, so Lipp. Als Hirnforscher könne er dies allerdings gut verstehen. Unser Gehirn unterdrücke die flexible Anpassung von Denken und Verhalten, wenn negative Informationen im Gehirn dominieren. Die daraus entstehenden «kognitiven Fixierungen» fänden sich dann auch in den politischen Argumenten wieder, so Lipp.

Damit das Gehirn lernfähig bleibt, dürfe die Betrachtung eines Gegenstandes nicht von Emotionen dominiert werden. Manchmal ändere sich die Wahrnehmung von Bedrohungen auch schlicht durch die gesellschaftliche Entwicklung. Unser Gehirn könne nämlich seinen Fokus nur auf eine Bedrohung richten, so Lipp. Treten neue Gefahren wie beispielsweise der Klimawandel auf, treten alte Gefahren wie etwa die Endlagerung radioaktiver Abfälle in den Hintergrund.

Neue Wege

Dass dies vor nicht allzu langer Zeit ganz anders war, daran erinnerte Prof. Walter Wildi, Präsident der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen. Die «Urangst» vor radioaktivem Abfall habe sicherlich mitgespielt bei der zweimaligen Ablehnung des Sondierstollens für die Endlagerung im Kanton Nidwalden 1995 und 2002.

In der Folge seien bei der Suche nach einem Endlager neue Wege beschritten worden, berichtete Dr. Monika Jost vom Bundesamt für Energie. «Möglichst viele Kreise einbeziehen», lautete das Motto bei der Entstehung des «Sachplanes Geologische Tiefenlager». Der Plan soll noch 2007 vom Bundesrat genehmigt werden und die Regeln für die Standortsuche neu festlegen. Um sein Ziel «akzeptierte Lagerstandorte» zu erreichen, hat das Bundesamt diesmal unter anderem Bürgerdiskussionsforen organisiert.

Ängste ernst nehmen

Gute Erfahrungen mit partizipativen Verfahren hat auch Dr. Fulvio Caccia als Präsident des Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWISS) gemacht. Wichtig sei, dass die Menschen und ihre Ängste ernst genommen werden, betonte Myrtha Welti, Vizepräsidentin von «Science et Cité» und Universitätsrätin der UZH. «Vertrauen entsteht nicht, indem wir den Menschen vom Podium herunter neue Technologien erklären, sondern indem wir sie mitreden lassen.»

Podiumsgespräch an der Tagung «Laien und Experten - eine Beziehung mit Perspektiven?»

Selber messen schafft Vertrauen

Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigten die Vorschläge am abschliessenden Podiumsgespräch. Die Bevölkerung könne jederzeit und somit auch im Falle eines Störfalles in einem Kernkraftwerk die gemessene Radioaktivität in der Umgebung eines Kraftwerkes per Internet einsehen, erklärte Dr. Thomas Ernst, CEO der Nagra.

Heinz Gutscher schlug vor, dass bei einem Störfall Fachleute vor Ort sein sollten, um der Bevölkerung direkt auf den Messgeräten die gemessene Strahlung zu zeigen. Irene Aegerter, Vizepräsidentin der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften, ging noch einen Schritt weiter und schlug vor, Messgeräte direkt an die Bevölkerung zu verteilen: «Vertrauen entsteht über das eigene Erleben.»

Dass beim Aufbau von Vertrauen nicht nur die Naturwissenschaften gefragt sind, sondern auch die Sozialwissenschaften viel beitragen können, wurde an der Tagung mehrfach betont. Entsprechende Erfahrungen hat auch Monika Jost gemacht: «Unsere Arbeit am Thema Endlagerung wurde durch den Einbezug von Politologen zwar nicht einfacher, aber besser.»