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Biodiversität im Kühlschrank

Sie macht unseren Speiseplan interessant, sorgt dafür, dass wir Kleider haben, und erfreut uns mit schönen Anblicken: Die Biodiversität, die Vielfalt der Lebensformen, ist so elementar und selbstverständlich, dass wir sie kaum wahrnehmen. Wie die Vielfalt sämtliches Leben auf der Erde prägt, darauf macht das Zoologische Museum mit zwei parallelen Ausstellungen «Biodiverse Forschung – natürlich vernetzt» aufmerksam.
Theo von Däniken

In der als Labor gestalteten Ausstellung kann Biodiversität entdeckt und erlebt werden.

Auch wenn wir es in unserer hochtechnisierten und hochzivilisierten Lebensweise manchmal vergessen: Unser Alltag spielt sich in Lebensräumen ab, die durch das Zusammenspiel einer endlosen Vielzahl von Lebensformen und Arten bestimmt ist.

«Biodiversität ist die Lebensgrundlage für die Menschen und die menschliche Gesellschaft», sagt Prof. Dr. Marcel Güntert, Direktor des Naturhistorischen Museums der Burgergemeinde Bern, der die Wanderausstellung «Natürlich vernetzt» zusammen mit dem Naturhistorischen Museum Genf und dem Forum Biodiversität konzipiert hat. Der Begriff Biodiversität wird dabei breit aufgefasst und meint nicht nur die Vielfalt der Arten, sondern auch der Lebensräume bis hin zu der Vielfalt der menschlichen Kultur und Bräuche, die ihrerseits von der natürlichen Umwelt geprägt sind.

«Der Schwund der Artenvielfalt kann nicht alleine mit einem Stopp der schädlichen Einflüsse erreicht werden», ist Prof. Dr. Marcel Güntert überzeugt.

«Gschwellti» besser mit Charlotte oder Desirée?

Die Ausstellung will insbesondere aufzeigen, wie Biodiversität den Alltag prägt. Deshalb steht da zum Beispiel ein Kühlschrank mit Käse, Joghurt und Salami: Alles Lebensmittel, die ohne Zutun von Bakterien und Pilzen nicht denkbar wären. Oder ein Glasschrank zeigt, welche natürlichen Rohstoffe wir in Hausapotheke und Kleiderschrank wieder finden.

Aufmerksam machen will die Ausstellung aber auch auf die Gefährdung der Biodiversität. Denn die Artenvielfalt ist abhängig von der Vielfalt der Lebensräume. Der Mensch besetzt mit seinen verschiedenen Bedürfnissen immer mehr Platz und uniformiert die Lebensräume – beispielsweise durch intensive landwirtschaftliche Nutzung. Die industrialisierte Produktionsweise macht zudem der Artenvielfalt von Nutzpflanzen den Garaus: Von rund 4000 Kartoffelsorten, die es gibt, werden in der Schweiz beispielsweise gerade noch 30 angebaut.

Biodiversität auch im Kühlschrank: Bakterien machen aus Kohl Sauerkraut und sorgen für die rote Farbe des Salami.

«Die Schweiz hat sich zusammen mit anderen Europäischen Staaten verpflichtet, den Rückgang der Artenvielfalt bis ins Jahr 2010 einzudämmen», erklärt Güntert. Allein mit dem Stopp schädlicher Einflüsse sei dies kaum zu erreichen, es brauche eine aktive Förderung, beispielsweise durch die Aufwertung von Landschaften.

Warum ist alles so unterschiedlich?

Parallel zur Wanderausstellung hat das Zoologische Museum der Universität Zürich die Ausstellung «Biodiverse Forschung» konzipiert. «Für Biologen, die mit Organismen arbeiten, ist die Frage, weshalb alles so unterschiedlich ist, viel spannender, als die Suche nach allgemeinen Prinzipien», erklärt Dr. Wolf Blanckenhorn, Professor am Zoologischen Museum der Universität Zürich. Forschung zur Vielfalt wird an der Ausstellung auf drei Ebenen – der Lebensräume, der Artenvielfalt und der Gene – nicht nur dargestellt, sondern auch erlebbar gemacht. Am Beispiel des Lebensraumes Kuhdung wird aufgezeigt, welche vielfältigen Lebensformen und Arten daran beteiligt sind, dass am Ende des Sommers die Wiesen nicht vollständig von Kuhfladen zugedeckt, sondern immer noch schön grün sind.

Die gelbe Dungfliege ist eine der Arten, die dafür sorgt, dass die Wiesen nicht mit Kuhfladen zugedeckt werden.

Die Vielfalt der Lebensräume und Lebensbedingungen ist entscheidend dafür, dass sich verschiedenste Tier- und Pflanzenarten ausbilden, die ihren jeweiligen Habitaten angepasst sind. Artmerkmale bilden sich aber nicht nur auf Grund der Lebensbedingungen heraus, sondern auch durch das Verhalten der Tiere. So haben bei den Schwingfliegen die Männchen kleine Haken an den Vorderbeinen, die sie benötigen, um sich bei der Paarung am Weibchen festzuklammern, wie Blanckenhorn erklärte. Andere Fliegen mit einem anderen Paarungsverhalten haben diese Häkchen nicht.

«Rodeoreiten bei der Paarung»: Prof. Dr. Wolf Blanckenhorn erklärt Körpermerkmale von Schwingfliegen.

Der Differenzierung und Bestimmung von Arten sind verschiedene Ausstellungsteile gewidmet. Dort kann man beispielsweise den Aufbau von Stammbäumen studieren und auch selber einen Stammbau der Wirbeltiere aufstellen. Genaues Beobachten unter dem Mikroskop hingegen ist bei der Bestimmung einer Fliegenart gefragt.

Wer ist der Vater?

Diversität hört jedoch bei den Arten längst nicht auf, sondern auch innerhalb der Arten bilden sich verschiedene Populationen, die eindeutig unterschieden werden können. Und auch bei den Individuen ist die Vielfalt endlos. Unterschiede zeigen sich hier vor allem auf genetischer Ebene. Aufgrund genetischer Analysen können Individuen eindeutig bestimmten Populationen oder Familien zugeordnet werden. Bekanntes Beispiel ist der Vaterschaftstest, bei dem aufgrund von genetischen Markern eindeutige Übereinstimmungen zwischen Vater und Kind ersichtlich sind. Die Besucher können selber versuchen, mit einem Set von verschiedenen «genetischen Fingerabdrücken» herauszufinden, welches Kind von welchem Vater stammt.

Was ist schöner? Wiese mit nur einer Grassorte ...

Die Ausstellung zeigt: Biodiversität ist nicht nur spannend und nützlich, sondern sie ist auch schön. Dies kann anhand eines einfachen Beispiels erfahren werden. Vier Kästen enthalten unterschiedliche Wiesenstücke. Keine Frage, dass die verschiedenen farbigen Blumen bei den Besucherinnen und Besuchern auf viel mehr Freude stossen, als der monotone Grasbewuchs.

... oder diverse Blütenpracht?