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Rechtsextreme im Medienfokus

Verstärkte Ökonomisierung der Medien und Polarisierung der Politik verhelfen rechtsextremen Gruppen zu mehr medialer Aufmerksamkeit. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen».
Theo von Däniken

Sie ist das Symbol des selbstbewussten und trotzigen Schweizer Freiheitswillens: Die Rütliwiese am Vierwaldstättersee. Im Moment jedoch sieht es so aus, als werde just die Rütliwiese zur verbotenen Zone erklärt und dies ausgerechnet am Nationalfeiertag. Seit mehreren Jahren nutzen rechtsextreme Gruppen die 1.-August-Feier auf dem Rütli als Bühne für provokative Aktionen, und die Aufmerksamkeit der Medien ist ihnen dabei garantiert.

Medien sind empfänglich für rechtsextreme Inszeniereungen: Blick-Frontseite vom 2. August 2000 über die Störaktion von Rechtsextremen an der 1.-August-Feier auf dem Rütli.

Empfänglich für Tabubrüche

«Rechtsextreme Ideen sind ein Tabubruch in unserer Gesellschaft» sagt der Historiker Linards Udris vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich. «In der heute vorherrschenden ökonomischen Logik, der die Medien unterworfen sind, finden Tabubrüche – nicht nur politische – erhöhte Aufmerksamkeit, weil sie höhere Quoten versprechen.» Die Medien – und insbesondere die Boulevard-Medien – sind deshalb empfänglich für rechtsextreme Aktionen und Selbstinszenierungen, wie Udris in seiner Untersuchung im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 40 «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen» herausgefunden hat.

Udris hat zusammen mit den Soziologen Kurt Imhof und Patrik Ettinger die Resonanz rechtsradikaler und rechtsextremer Positionen und Akteure in der politischen Kommunikation der Schweiz von 1960 bis in die Gegenwart untersucht. Dabei zeigt es sich, dass rechtsextreme und rechtsradikale Positionen in verschiedenen Phasen eine relativ hohe Beachtung in den Medien fanden. Ein erstes Mal Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, als die «Überfremdung» zum dominierenden politischen Thema wurde. Eine zweite Phase hoher Beachtung folgte in den späten 80er Jahren. Damals waren rechtsextreme Gruppierungen stark in den Medien präsent. Seit Ende der 90er Jahre nimmt die Berichterstattung über Rechtsextremismus wieder deutlich zu, aber in kurzfristigen intensiven Wellen, neben denen Rechtsextremismus dann wieder kaum diskutiert wird, wie Udris erklärt.

Politische Diskurse als Grundlage

Allen diesen Phasen ist gemeinsam, dass gleichzeitig in der politischen Diskussion Themen dominierten, an die rechtsextreme Gruppen anknüpfen konnten. In den letzten fünfzehn Jahren waren dies vor allem Ausländerkriminalität, Kritik an der «classe politique», die Debatte um die Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg oder die Beziehung zu supranationalen Organisationen. «Die Mobilisierungschancen für Rechtsextreme, deren 'going public' und die Beachtung, die Rechtsextreme in dem Medien finden, sind auch abhängig davon, wie sehr solche Themen den politischen Diskurs bestimmen», sagt Udris.

Sowohl Politik wie Medien beeinflussen deshalb die Chancen für rechtsextreme Mobilisierungen und wie viel Aufmerksamkeit rechtsextreme Gruppen in der Öffentlichkeit erhalten. «Die Politiker und Medien sollten sich bewusst sein, dass rechtsextreme Gruppen auf bestehende politische Diskurse, etwa um das Verhältnis zu Immigranten, aufspringen», sagt Udris. Dabei gehe es nicht darum, solche Themen zu tabuisieren. Aber es sei wichtig, mit welchen Inhalten und auf welche Art die öffentliche und politische Diskussion geführt werde.

Substanz statt Sensation

Als einen weiteren Grund für die vermehrte Aufmerksamkeit für Rechtsextremisten in den vergangenen Jahren nennt die Studie die zunehmende wirtschaftliche Ausrichtung der Medienlandschaft. Provokationen und Tabubrüche bringen Leser und Quoten und diese bestimmen immer mehr den harten Wettbewerb der Medienunternehmen. Dass Rechtsextremismus thematisiert wird, begrüsst auch Udris. Allerdings fordern er und seine Mitautoren von den Medien einen ernsthaften und kritischen Umgang mit dem Thema. «Die Thematisierung muss gut überlegt sein.» Bisher sei die Berichterstattung zu stark durch Alarmismus und Sensationslust geprägt, findet Udris. Gesellschaftliche Ursachen und politische Lösungen würden zu wenig diskutiert.

Den Medienschaffenden raten die Autoren, nicht auf die Selbstinszenierungen der Rechtsextremen einzusteigen. Dass dies trotz der herrschenden ökonomischen Zwänge möglich ist, zeigte beispielsweise der 1. August des vergangenen Jahres. Insbesondere die Medien aus dem Hause Ringier hielten sich in ihrer Berichterstattung über die Aktionen der Rechtsextremen, anders noch als in den Vorjahren, stark zurück. Ein gutes Beispiel, sollte es dieses Jahr doch noch eine 1.-August-Feier auf dem Rütli geben.