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Blick in die Zukunft der organischen Chemie

Der Chemiker Steven V. Ley ist einer der Erfolgreichsten seines Fachs, wenn es um die Herstellung komplexer Moleküle geht. Am Mittwoch ehrte ihn die Universität Zürich mit der Paul-Karrer-Medaille.
Theo von Däniken

Kaum ein Chemiker hat so viele komplexe Moleküle synthetisiert, wie Steven V. Ley, Professor für Chemie in Cambridge. Über hundert sind es, wie Professor Jay Siegel, Direktor des Organisch-chemischen Instituts an der Universität Zürich anlässlich der Verleihung der Paul-Karrer-Medaille am Mittwoch präzisierte. Und nicht nur die Anzahl ist beeindruckend, auch die Sicherheit, Geschwindigkeit und Effizienz, mit der Professor Steven V. Ley Moleküle herstelle, sei ohne Beispiel. Ley's Arbeit atme einen «Hauch von Kunst» und sei von Eleganz geprägt.

Elegant wie ein englischer Gentleman nahm Ley die Medaille entgegen – auch wenn er, wie er angesichts des Wetters sagte, lieber in Shorts gekommen wäre. Dann stiess er in seiner Paul-Karrer-Lecture ein Fenster in die Zukunft der organischen Chemie auf und liess einen wahren Wirbelwind von Synthesen und neuartigen Synthesemethoden hereinwehen.

Prorektor Heini Murer übergab Steven V. Ley die Paul-Karrer-Medaille.

Noch nicht gut genug

«Ich liebe es, Moleküle herzustellen» gab er zu, «und ich liebe es, dies gut zu tun.» Auch wenn sein Leistungsausweis im Bereich der Synthetisierung ohnegleichen ist: Ihm ist es noch nicht genug. Die heutigen Herstellungsmethoden dauerten lange und seien sehr ineffizient. «Im Herstellungsprozess der 200 wichtigsten Medikamente fallen pro Kilogramm des Medikaments im Durchschnitt 25 Kilogramm Abfallprodukte an», sagte Ley. Zudem sei die Transformation von kleinen Laborsynthesen auf grosse Mengen, wie sie in der Industrie gebraucht werden, extrem schwierig. Für Ley Grund genug, das Gesicht der organischen Chemie zu ändern.

Zum «Handwerkszeug» eines Chemikers gehören nicht nur chemische Apparaturen, Verfahren und Stoffe, sondern auch Maschinen, Computerprogramme und biochemisches Verständnis. Wie die Effizienz in der Herstellung komplexer Moleküle dramatisch verbessert werden könne, erläuterte Ley anhand einiger Beispiele aus seiner Forschungsgruppe. Dabei verfolgt er verschiedene Ansätze. Beispielsweise grosse und komplexe Moleküle in mehrere Einzelteile aufzuteilen, die zunächst einzeln synthetisiert werden und erst am Schluss zum gewünschten Molekül zusammengesetzt werden.

Glasplättchen und CD-Ständer

Ein anderer Ansatz ist die Fluss-Synthese von Stoffen in langen, mit Kapillaren durchzogenen Schläuchen, die so genannte «Micro Flow Disk Technologie». Die  Kapillaren der Schläuche weisen Durchmesser von 60 bis 600 µm auf, können in beliebiger Länge aufgerollt werden und finden so in handelsüblichen CD-Gestellen Platz. Mit einfachen Pumpen werden die benötigten Ausgangsstoffe in das System eingebracht. Durch den geringen Durchmesser der Röhren und die Fliessbewegung kommt eine bessere Durchmischung der Stoffe zu Stande, was sich in sehr hoher Produktivität und auch Reinheit der erzeugten Stoffe niederschlägt. Stoffsynthesen im Milligrammbereich für analytische Zwecke lassen sich leicht in industrielle Grössenordnungen von mehreren Kilogramm pro Tag skalieren.

Ähnliche Effekte erzielt Ley mit Glasplatten, in denen winzige Kanäle eingeritzt sind, in denen die Synthesereaktionen ablaufen. Dadurch können Synthesen, die mit herkömmlichen Methoden mehrere Stunden dauern, in wenigen Sekunden erreicht werden.

«Verschwendung ist unakzeptabel»

Wichtiger Antrieb von Ley ist die Vermeidung von Abfällen: «Verschwendung ist unakzeptabel». Leys Interesse ist deshalb zum einen auf Prozesse gerichtet, bei denen sich die beteiligten Stoffe, Katalysatoren und Reagenzien, auffangen und wieder verwenden lassen. Zudem kommen die präsentierten Verfahren ohne Chromatographie aus, normalerweise ein unverzichtbarer, aber sehr materialintensiver Bestandteil von Syntheseprozessen. Die Chromatographie wird verwendet, um Stoffe voneinander zu trennen und das gewünschte Produkt von Abfall- und Nebenprodukten zu reinigen. Ebenfalls verzichtet Ley – fast immer – auf das aufwändige Auswaschen von Substanzen mit Wasser.

Rosige Zeiten

Bisher ist Ley mit seinen Methoden noch ein Pionier und seinen Kollegen weit voraus: «Es steckt sehr viel Wissen in unseren Methoden, wir brauchten zehn Jahre, um soweit zu kommen», so Ley. Doch langsam würden die Verfahren und Technologien kommerziell verfügbar gemacht. Deshalb glaubt Ley, dass die Veränderung in der organischen Chemie erst am Anfang steht: «Die Zukunft sieht wirklich rosig aus». Wenn er mit demselben Tempo forscht, wie er am Mittwoch seinen Vortrag gehalten hat, dann werden sich seine Kollegen sputen müssen, um mithalten zu können.