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Forschung über Ethik fördern

Ein neues Graduiertenprogramm an der Universität Zürich erlaubt Nachwuchsforschenden, in unterschiedlichen Fachgebieten ethische Fragestellungen zu untersuchen. Vergangene Woche fand die Eröffnungstagung statt.
Adrian Ritter

Sei es die Fragestellung, die Methoden oder die Verwendung der Resultate: Wissenschaftliche Forschung schliesst oft ethische Fragen mit ein. Im Bild: Künstliche Befruchtung.

Haben Menschen mit Behinderung ein moralisches Recht auf Integration? Welche Funktionen kommen Ethikkommissionen in einer Demokratie zu? Oder was heisst Gerechtigkeit in Bezug auf den Klimawandel? Dies sind einige der ethischen Fragestellungen, denen Forschende im Rahmen des «Graduiertenprogramms für interdisziplinäre Ethikforschung» seit Anfang März nachgehen.

Möglich macht dies der 2005 an der Universität Zürich eingerichtete Forschungsschwerpunkt Ethik (UFSP Ethik). Kernstück des Schwerpunktes ist das Graduiertenprogramm, in welchem der UFSP zwölf Forschungsassistenzen finanziert. Dank zusätzlicher Drittmittel können inzwischen sogar 16 Forschende im Rahmen von Dissertationen, Habilitationen oder sonstiger Post-Doc-Arbeiten ethische Fragestellungen untersuchen.

Das Graduiertenprogramm soll die ethische Forschung in anderen Fächern als Philosophie und Theologie fördern, erklärte Prof. Markus Huppenbauer, Geschäftsleiter des UFSP Ethik.

Ethik ausserhalb der Philosophie

Das Graduiertenprogramm umfasst eine 50-Prozent-Forschungsassistenz während drei Jahren, bietet aber auch ein Studienprogramm in Ethik sowie eine individuelle Betreuung aus dem eigenen Fachgebiet wie auch aus dem Gebiet der Ethik. «Gefördert werden soll mit dem Programm nicht die ethische Forschung in der Philosophie und Theologie, sondern in anderen Fächern und Fakultäten der Universität», erklärte Prof. Markus Huppenbauer, Geschäftsleiter des UFSP Ethik, anlässlich der Eröffnungstagung.

Blockiert die Ethik die Forschung?

Zentral für das Graduiertenprogramm ist auch die interdisziplinäre Vernetzung der Teilnehmenden. Dazu diente auch die Eröffnungstagung vom 12. und 13. April zum Thema «Ethik und Innovation». Den Festvortrag nach den Grussworten von Regierungsrätin Regine Aeppli hielt Prof. Walter Zimmerli, Präsident der AutoUni in Wolfsburg. Er referierte über die «Hochkonjunktur der Innovation auf dem Prüfstand der Ethik». Am zweiten Tag der Veranstaltung standen insbesondere das Verhältnis von Ethik und Wissenschaft sowie von Ethik und Politik zur Debatte.

«Auch scheinbar harmlose Fragestellungen können nicht abschätzbare ethische Diskussionen mit sich bringen», sagte Prof. Dieter Imboden, SNF-Forschungsratspräsident.

Getrennte Beurteilung

Mit ethischen Fragestellungen kommt beispielsweise Prof. Dieter Imboden als SNF-Forschungsratspräsident oft in Berührung: «Ethische Erwägungen betreffen entweder wissenschaftliche Fragestellungen, die angewandten Methoden oder die Frage, welche Auswirkungen die gewonnenen Erkenntnisse haben können».

Stark mit Emotionen verbunden seien etwa Themen wie die Forschung am Menschen oder Tierversuche. Der Gesetzgeber in der Schweiz sehe für bewilligungspflichtige Forschung zwei getrennte Verfahren vor, so Imboden. Eine Expertenkommission beurteile die wissenschaftliche Qualität und eine Ethikkommission entscheide über die ethischen Aspekte.

«Auch scheinbar harmlose Fragestellungen bringen zum Teil nicht abschätzbare ethische Diskussionen mit sich», so Imboden. Oder wer hätte bei der Entwicklung des Automotors die heutigen ökologischen Fragestellungen vorhersehen können? Entsprechend sei es Aufgabe der ganzen Gesellschaft, die Folgen der Forschung zu tragen.

Unterschiedliche Werte

«Weit verbreitete Klagen über Behinderungen der Forschung durch die Ethik» stellt Dieter Birnbacher in Deutschland fest. Birnbacher ist Professor für Philosophie an der Universität Düsseldorf und Mitglied in mehreren Ethikkommissionen.

Was den ethischen Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft anbelangt, so ortet er «vielfältige Probleme». Diese reichen von Unkenntnis über gegenseitiges Misstrauen bis zum eigentlichen «Glaubenskrieg».

Bei der Analyse der Argumentationen gelte es zwischen «ethischen Werten» und «kulturellen Werten» zu unterscheiden. Während ethische Werte beispielsweise an die Vernunft oder Empathie appellierten und verallgemeinerbar seien, beriefen sich kulturelle Werte beispielsweise auf religiöse Normen und könnten keine Allgemeingültigkeit beanspruchen.

Ortete vielfältige Probleme, was den Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft über Fragen der Ethik anbelangt: Dieter Birnbacher, Professor für Philosophie an der Universität Düsseldorf.

Vorstoss in Grenzbereiche

Nötig sei aber in jedem Fall ein Abwägen der Vor- und Nachteile: eine «ethische Kosten-Nutzen-Rechnung». Dabei gelte es, beispielsweise danach zu fragen: Wird durch ein Handeln eine Schädigung zugefügt? Eröffnen sich neue Chancen? Wird Gerechtigkeit gefördert?

Was die gesellschaftliche Bedeutung von ethischen Erwägungen anbelangt, so ist es gemäss Birnbacher ein offenes Geheimnis, dass entsprechende Gesetze und Ethikommissionen nach Aussagen von Politikern «vor allem dazu dienen, gesellschaftliche Spannungen abzubauen».

Warum ist der Bedarf an Ethik überhaupt so gross, wurde Birnbacher aus dem Publikum gefragt. Er sieht den Grund unter anderem in der Entwicklung der Wissenschaft: «Sei es Gentechnologie oder Reproduktionsmedizin, die Wissenschaft stösst in Grenzbereiche vor, in denen sich neue Horizonte der Verantwortung auftun».