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Gesundheit als neuer Boom-Markt?

Kommt nach der Internet-Euphorie nun der Boom in der Gesundheitsbranche? Fragen der Gesundheit werden künftig einen immer grösseren Stellenwert im Alltag einnehmen und den Gesundheitsmarkt verändern, wie Zukunftsforscher Stefan Siegrist am Zürcher Präventionstag erläuterte.
Theo von Däniken

Kaum ein Joghurt, das heutzutage nicht durch Zusätze angereichert ist und damit nicht nur satt, sondern auch gesund macht. Trends wie «functional food» und Wellness zeugen von der gesteigerten Bedeutung von Gesundheitsfragen im Alltag. Dabei wandelt sich das Verständnis von Gesundheit weg von einem auf Krankheiten und ihrer Behandlung fokussierten Blick hin zu einem umfassenden Gesundheitsbegriff, der die ganze Lebensweise umfasst.

Der Gesundheitsmarkt befindet sich deshalb in einem tief greifenden Umbruch, wie Stephan Siegrist, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Collegium Helveticum von Universität und ETH Zürich, am 18. Zürcher Präventionstag vom vergangenen Freitag erläuterte. Im Bereich der Prävention oder der Erhaltung der Gesundheit entstehen neue Märkte, die wirtschaftliche Chancen anbieten. «Manche Expertinnen und Experten vergleichen die Situation im Gesundheitsmarkt gar mit der Internetbranche vor dem Dotcom-Boom Ende der Neunziger Jahre», so Siegrist.

Gesundheitsmarkt als Treiber für die Wirtschaft

Die Menschen werden künftig bereit sein, mehr Geld für ihre Gesundheit beziehungsweise deren Erhaltung auszugeben. Der Gesundheitsmarkt dürfte deshalb ein wichtiger Treiber für das Wirtschaftswachstum in der Schweiz werden, so Siegrists These. Doch der Markt wird nicht nur wachsen, er wird sich auch verändern. So werden sich nach Ansicht von Siegrist für Anbieter vermehrt Nischen ausserhalb des jetzigen durch die Krankenversicherung abgedeckten Grundkatalogs öffnen.

Weil die Menschen stärker bereit sind, Geld für ihre Gesundheit auszugeben, können Unternehmen neue Produkte und Dienstleistungen den zahlungswillligen Konsumenten beziehungsweise Patienten ausserhalb der von der Krankenkasse abgedeckten Grundversicherung anbieten. Erst wenn sich die neuen Produkte auf diese Art bewährt haben, wird die Aufnahme in den Leistungskatalog der Grundversicherung angestrebt. Die Grundversicherung – und damit die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler – kommt nur noch für etablierte Therapien auf. Siegrist sieht darin eine Möglichkeit zur Kostensenkung.

Qualität durch Standardisierung

Allerdings könnte die skizzierte Entwicklung auch vermehrt zu einer Segmentierung des Angebotes führen. Siegrist sieht aber nicht eine Zwei-Klassen-Medizin auf uns zukommen, sondern eine Mehr-Klassen-Medizin mit spezifischen Angeboten, die auf die verschiedenen Bedürfnisse (und finanziellen Möglichkeiten) der Konsumentinnen und Konsumenten abgestimmt sind. Tiefe Preise müssen dabei nicht mit geringer Qualität gleichgesetzt werden. Durch Standardisierung können auch zu günstigen Preisen qualitativ hoch stehende Leistungen angeboten werden, so Siegrist.

Das geänderte Gesundheitsbewusstsein, aber auch neue Therapien und Technologien werden zudem die Nachfrage nach neuen Angeboten und Dienstleistungen im Gesundheitswesen ansteigen lassen. Gesundheitsberater, die den Patienten helfen, den Überblick über neue Therapien und Dienstleistungen zu erhalten, oder neue Pflegeangebote etwa in der Betreuung älterer Menschen, nannte Siegrist als Beispiele.

Die Umwälzung werde zwar tief greifend sein, aber es werde nicht zu einer «Revolution» kommen, so Siegrist. Dem stünden einige hemmende Faktoren entgegen, wie etwa die hohen Anforderungen für die Zulassung neuer Medikamente und Functional-Food-Produkte oder die verhältnismässig lange Dauer, bis sich veränderte Verhaltensweisen nachhaltig in der breiten Gesellschaft etabliert haben.