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Das Leben ist eine Baustelle

Unser Erbgut ist dauernden Beschädigungen durch Umwelteinflüsse ausgesetzt. Ein Team um Professor Hanspeter Nägeli von der Vetsuisse Fakultät untersucht die Mechanismen, mit der Zellen ihre DNA reparieren.
Adrian Ritter

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Schädigung des Erbgutes in Sicht: UV-Licht führt in Zellen zu Tausenden von Schäden in der DNA. Diese werden im Normalfall von körpereigenen Eiweissen ständig repariert. Im Falle von Hautkrebs versagt dieser Prozess.

Nicht immer ist der direkte Weg zum Ziel der beste. Das gilt auch für Eiweisse, die in den Zellen für die Reparatur von Schäden an der Erbsubstanz zuständig sind. Ein Team um Prof. Hanspeter Nägeli vom Institut für Veterinärpharmakologie und –toxikologie der Universität Zürich beschreibt in der Online-Fachpublikation «PloS Biology», wie das Eiweiss XPC entgegen bisherigen Annahmen bei der Reparatur von Schäden an der DNA den indirekten Weg zum Ziel wählt.

Es dockt nicht an der beschädigten Stelle der DNA-Doppelhelix an, sondern an der gegenüberliegenden, unbeschädigten Seite des Stranges. Dadurch braucht die Zelle nicht für jede Schädigung ein spezifisches Eiweiss mit einer Struktur, die dem beschädigten Profil angepasst ist.

Das XPC kann an der unbeschädigten Stelle mit einer ihm vertrauten Struktur andocken. «Damit funktioniert die DNA-Reparatur grundsätzlich anders als beispielsweise das Immunsystem, welches für jedes Bakterium und jeden Virus je einen eigenen Antikörper herstellt», so Nägeli.

Schäden am Laufmeter

Diese Vielseitigkeit des Reparatur-Eiweisses ist auch sinnvoll, wenn man bedenkt, wieviele Schäden die DNA eines jeden Lebewesens dauernd erleidet. Eine Stunde Sonnenbaden beispielsweise wird in jeder Zelle rund 40'000 DNA-Schäden hinterlassen, haben kalifornische Forscher herausgefunden. Die UV-Strahlung kann die Einzelteile der DNA nämlich zum «Verkleben» bringen.

Aber auch Tabakrauch, Abgase oder Rückstände von Giften in Nahrungsmitteln schädigen unser Erbgut, indem sich die Giftstoffe ans Erbgut heften oder in diesem zu Brüchen führen. Würde die Zelle nichts dagegen unternehmen, würde sie absterben oder sich fehlerhaft vervielfältigen.

Das Autorenteam der PLoS Biology-Publikation: Szilvia Solyom, Prof. Hanspeter Nägeli und Olivier Maillard vom Institut für Veterinärpharmakologie und –toxikologie.

Räumliche Anordnung gestört

Jede Zelle hat deshalb im Laufe der Evolution Mechanismen zur Reparatur ihres Erbgutes entwickelt. Zuständig dafür sind Dutzende von Eiweissen, welche fehlerhafte DNA-Stücke ausschneiden oder Brüche wieder schliessen können. Das Team um Hanspeter Nägeli untersucht seit mehreren Jahren insbesondere den Vorgang des Ausschneidens, die so genannte «Nukleotid-Exzisionsreparatur».

In der neuen Publikation zeigen sie nicht nur das indirekte Andocken auf, sondern auch den Prozess, wie das XPC überhaupt einen Schaden erkennen kann. Das Eiweiss nutzt die Tatsache aus, dass eine DNA-Schädigung die räumliche Anordnung der Doppelhelix stört. Die minimale Schwingung zwischen den beiden Strängen wird bei einem Schaden langsamer, gleichzeitig aber vom Bewegungsumfang her ausgeprägter, was zu einer Art Auswölbung der DNA führt.

Durch diese veränderte Beschaffenheit der DNA erkennt das XPC eine Schädigung, kann andocken und in einem nächsten Schritt diejenigen Eiweisse aktivieren, die das fehlerhafte Stück ausschneiden.

Ein Giftstoff bindet an die Erbsubstanz und führt zu einer Auswölbung in der Doppelhelix (oben). Erst dies erlaubt es dem Eiweiss XPC, ans Erbgut anzudocken und den Reparaturmechanismus einzuleiten.

Nicht jeder repariert gleich gut

Dem Mechanismus des Andockens sind die Wissenschafter am Tierspital über Versuche mit menschlichen Hautzellen auf die Spur gekommen. In Petrischalen wurden diese UV-Licht ausgesetzt. Dabei untersuchten die Wissenschaftler weiter, inwiefern die Reparatur auch funktioniert, wenn das XPC-definierende Gen gentechnisch verändert wird. Nicht bei jedem Lebewesen ist das XPC mit seinen 940 Aminosäuren nämlich identisch aufgebaut. Die Struktur des Eiweisses ist aber mitentscheidend dafür, wie erfolgreich das XPC bei seiner Reparaturmission ist.

Sonnencreme der nächsten Generation

So könnte es gemäss Nägeli in Zukunft sinnvoll sein, einen Gentest zu entwickeln, um die eigene genetische Veranlagung zu kennen bezüglich der «Reparatureffizienz» des XPC. «Je nachdem müsste jemand beispielsweise beim Sonnenbaden mehr Vorsicht walten lassen. Das Hautkrebsrisiko ist nicht nur vom Hauttyp abhängig, sondern auch vom genetisch bedingten Erfolg der DNA-Reparatur», so Nägeli.

Die Forschung der Veterinärmediziner kann in diesem Zusammenhang auch der Industrie nützlich sein. Schon heute forschen die Hersteller von Sonnencremes nämlich daran, ihren Produkten in Zukunft nicht nur Substanzen für den UV-Schutz beizumischen, sondern auch künstliche Enzyme, um die vom UV-Licht angerichteten Schäden zu reparieren.

Giftstoffe gezielter suchen

Neue Antworten liefert die Forschung am Tierspital auch auf die Frage, wie schädlich Umwelt-Giftstoffe sind, welche die DNA angreifen. Nicht die Struktur der Giftstoffe an sich ist dabei ausschlaggebend. Wichtig ist vielmehr, ob die Schäden eine Auswölbung der DNA bewirken und dem XPC damit das Andocken ermöglichen. Gesundheitsbehörden werden ihr Augenmerk in Zukunft daher vor allem auf Giftstoffe lenken müssen, die zu irreparablen Schäden führen.

Die neuen Antworten werfen gleichzeitig neue Fragen auf, denen das Team um Professor Nägeli in Zukunft nachgehen will: Wie kommunizieren die Reparatur-Eiweisse miteinander und inwiefern entscheidet auch bei den anderen beteiligten Eiweissen die genetische Veranlagung darüber mit, wie effizient ein Lebewesen sein Erbgut reparieren kann?