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Verheissungsvoller Westen

Noch vor hundert Jahren war die Schweiz ein Auswanderungsland. Eine Ausstellung und ein Buch befassen sich mit helvetischen Migranten, die im Land der unbeschränkten Möglichkeiten Karriere machten. Die Ausstellung «Small Number – Big Impact» öffnet am 2. März ihre Türen.
Tanja Wirz

«Um von der Beschaffenheit des Landes etwas zu melden, so will ich jeden gewarnt haben, dass er sich nicht gelüsten lasse, in dieses Land zu kommen!» Dies schrieb der schweizerische Auswanderer Samuel Dysslis 1737 aus Carolina an die zuhause Gebliebenen. Es gebe einfach zu viele Krankheiten im fremden Land, die Menschen stürben haufenweise. «Zudem ist alles bluts-teuer.»

Jakob Währen aus Zweisimmen gefiel es in Amerika besser: «Ich bin gesund und lebe vergnügt und wollte nicht, dass ich zu Hause geblieben wäre», liess er 1711 seine Angehörigen wissen. Für einen armen, aber arbeitsamen Mann bestünden in Amerika unzählige Möglichkeiten, man kriege Land, so viel man brauche. Die zwei Zitate zeugen von der Spannbreite von Erfahrungen, die schweizerische Auswanderer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten machten.

Kleine Zahl – grosse Wirkung

Die 2006 im Migrations-Museum auf Ellis Island in New York gezeigte Ausstellung «Small Number – Big Impact. Schweizer Einwanderung in die USA» dokumentiert die Vielfalt dieser Erlebnisse. Vom 2. März bis zum 28. Oktober 2007 kommt sie – überarbeitet und erweitert – ins Landesmuseum nach Zürich, die Begleitpublikation dazu ist bereits erhältlich. Als Herausgeber des Buches zeichnen die Basler Historikerin Barbara Lüthi und der Zürcher Wirtschaftsgeograf Bruno Abegg, Oberassistent am Geografischen Institut der Universität Zürich. Abegg ist zwar kein Migrations-Spezialist, doch hat er – wie viele Akademiker – selber die Erfahrung gemacht, temporär als Auswanderer in den USA zu leben. Während dieser Zeit verfasste er einen Newsletter über New Glarus, der auf reges Interesse stiess.

Der Sänger Walter Liniger bei der Eröffnung der Sonderausstellung «Small Number – Big Impact». Schweizer Einwanderung in die USA, am Schweizerischen Nationalfeiertag 2006 auf Ellis Island in New York.

So auch bei Markus Hodel, dem Präsidenten des Vereins Migrationsmuseum Schweiz, der ein neues Museum zur Aus- und Einwanderung aufbauen will und damals die Ausstellung auf Ellis Island plante. Die Ausstellung zeigt in fünf Bereichen, welchen Einfluss Schweizer Einwanderer in den USA (gehabt) haben: Der in Davos aufgewachsene Regisseur Marc Forster steht für die Kunst, die vom Zürichsee stammende Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross für die Wissenschaft. Der zum Autopionier gewordene Uhrmachersohn aus La Chaux-de-Fonds Louis Chevrolet verkörpert in der Ausstellung die Wirtschaft, Thomas Jeffersons Finanzminister Albert Gallatin, der ursprünglich aus der Genfer Aristokratie kam, die Politik. Und Adolph Rickenbacker schliesslich, der als Kind mit der ganzen Familie aus Basel ausgewandert war, ist als einer der Erfinder der E-Gitarre die Leitfigur für den Bereich Musik. Die Fülle von Berühmtheiten führt zum Eindruck, Schweizerinnen und Schweizer seien per se besonders innovative und erfolgreiche Menschen.

Wohl nicht ganz ungewollt, ist die Ausstellung doch Teil der Kampagne «Swissroots », einer vom Bund, Pro Helvetia und Schweiz Tourismus finanzierten PR-Aktion zugunsten der Schweiz. Auch das Buch zur Ausstellung widmet sich in achtzehn biografischen Porträts hauptsächlich jenen, die Aussergewöhnliches geleistet haben, und der Titel «Small Number – Big Impact» führt dazu, dass die Lebensgeschichten zuerst einmal nach «Erfolg» oder «Scheitern» befragt werden.

Hunderttausende sind ausgewandert

Ergänzt werden die Biografien durch einen historischen Abriss, der die Einordnung der Einzelschicksale ermöglicht. Insgesamt sind mehrere hunderttausend Schweizer in die USA ausgewandert, besonders viele in den 1850ern, den 1880ern und den 1920ern. Bis um 1900 handelte es sich oft um ganze Familien, die in der Landwirtschaft kein Auskommen mehr fanden, danach waren die Migranten eher junge alleinstehende Erwachsene auf Jobsuche. Der Überblick zeigt auch: Genauso wie jene, die heute in der Schweiz Asyl begehren, trieb die meisten Schweizer Auswanderer die Hoffnung auf ein besseres Auskommen, und nicht etwa politische oder religiöse Verfolgung.