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Nachrichten aus 1001 Nacht

Der Karikaturenstreit oder die Kontroverse um die Äusserungen von Papst Benedikt XVI haben in den Medien weltweit hohe Wellen geworfen. Sind sie Zeichen einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit zwischen der westlich und der islamisch geprägten Kultur? Oder zeigen sie vielmehr gegenseitiges Missverstehen und Unwissen drastisch auf?
Theo von Däniken

Was wir von der islamischen Welt wissen, ist zum grössten Teil vermitteltes Wissen. Nur wenige kennen den arabischen Raum, die Menschen, die dort leben und die Gesellschaften aus eigener Erfahrung. Genauso geht es den Menschen im arabischen Raum mit ihrem «Wissen» über den Westen. Die Vermittlung von Bildern über die eigne und fremde Kultur nimmt deshalb im Verhältnis zwischen westlicher und islamischer Welt eine entscheidende Rolle ein.

Ein öffentliches Kolloquium an der Universität Zürich geht am kommenden Freitag und Samstag den Mechanismen dieser gegenseitigen Kommunikation nach. Wie entstehen die Bilder, die der Westen vom Islam hat und welche Bilder machen sich Menschen in den islamischen Ländern vom Westen? Welche gesellschaftlichen und politischen Bedingungen prägen und gestalten diese Kommunikation?

Der Fremde als Mensch

Das Kolloquium ist Arnold Hottinger zum 80. Geburtstag gewidmet. Hottinger war 30 Jahre lang Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» im Nahen Osten und gilt als einer des besten Kenner der Region. Seit den 60-er Jahren hat er die Entwicklungen in den islamischen Ländern vor Ort und aus eigener Anschauung verfolgt und prägende Bilder des Orients in den Westen getragen. Seine Analyse verbindet tief greifende Kenntnis der historischen und kulturellen Gegebenheiten mit der in zahlreichen Reisen «erwanderten» Kenntnis der Menschen und ihres Alltags. «Je eher man dem Fremden als einem Menschen begegnet, desto schwieriger wird es, in ihm nur ... den Träger der eigenen schlechten Eigenschaften und Schwächen zu sehen», bemerkte Hottinger einmal in einem Vortrag zur Wahrnehmung des Islams in der Schweiz.

Er diagnostizierte einen eigentlichen «Informationsnotstand» über den Islam. Und dieser zementiere alteingesessene Vorurteile. Die Rolle der Medien dabei ist ambivalent. Denn insbesondere als heutige Nachrichtenmedien seien sie auf das Aussergewöhnliche, auf den Ausnahmezustand fokussiert. Aber, so Hottinger, «wenn … das Aussergewöhnliche berichtet wird, ohne dass wir das Gewöhnliche, die Normalität wirklich kennen, nehmen wir allzu leicht das Aussergwöhnliche für die Normalität». Die Fundamentalisten und religiösen Ideologen seien heute die «Newsmaker». Man dürfe aber in keinem Falle die Religion mit den Fundamentalisten verwechseln, mahnte Hottinger. Denn bei näherem Hinschauen erweise sich der Islam «als vielfältig, problematisch, unterwegs, inneren Zerreissproben ausgesetzt: nicht als eine abstrakte und angeblich bedrohliche Grösse.»

Den Informationsnotstand beheben

Wie weit die medial vermittelten Bilder der jeweils anderen Kultur diesen Informationsnotstand beheben können, darüber wird am Kolloquium aus unterschiedlichsten Blickwinkeln diskutiert. Ein erster Block befasst sich mit der Frage, ob Verstehen oder Missverstehen bereits strukturell angelegt sind; ein weiterer Themenkreis dreht sich darum, wie Verzerrungen und blinde Flecken in der Wahrnehmung des Islams im Westen entstehen. Der dritte Block widmet sich der umgekehrten Perspektive und fragt danach, ob die Bilder im Osten lediglich Spiegelbilder der Wahrnehmung im Westen sind. Ein letzter Themenblock schliesslich ist der Rolle der islamischen Migrantinnen und Migranten im Westen gewidmet.