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Ungarische Flüchtlinge danken der Universität

1956 flüchteten sie aus Ungarn in die Schweiz und schlossen danach ihr Studium an der Universität Zürich ab. Mit einer Gedenktafel im Hauptgebäude bedanken sich ehemalige ungarische Studierende für die damalige Unterstützung.
Adrian Ritter

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Die Gedenktafel zum Ungarnaufstand 1956 im Hauptgebäude der Universität Zürich. Sie ist ein Geschenk von zwölf ehemaligen ungarischen Medizinstudierenden. 

Vor 50 Jahren versuchte sich Ungarn mit einem Volksaufstand von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien. Der Versuch wurde am 4. November 1956 durch die einmarschierende Rote Armee gewaltsam beendet, ein Flüchtlingsstrom setzte ein. Die Schweiz nahm damals weit über 10'000 ungarische Flüchtlinge auf.

«Es kann ein anderes Leben geben»

Eine am Sonntag eingeweihte Gedenktafel im Hauptgebäude der Universität Zürich (Stock E, zwischen Zimmer E 15 und E 16) soll an den Volksaufstand erinnern. Die Tafel ist ein Geschenk von zwölf ehemaligen ungarischen Medizinstudierenden an die Universität.

«Es soll in Granit gemeisselt sein, wie dankbar wird der Schweiz sind»: Laszlo Luka, Initiator der Gedenktafel.

«Es soll in Granit gemeisselt sein, wie dankbar wird der Schweiz sind», meinte Laszlo Luka als Initiator der Gedenktafel anlässlich der Einweihung. Andràs Haynal erinnerte sich in seiner Ansprache als ehemaliger Student an den «innerlich wie äusserlich kalten Winter 1956». «Die Universität Zürich, die uns in dieser Situation willkommen hiess, liess uns spüren, dass es auch ein anderes Leben geben kann», so Haynal. Die Grosszügigkeit der damaligen Studienkollegen, der akademischen Lehrer wie auch der Verantwortlichen der Universität vergesse man nicht mehr.

Die «Direkthilfe» sucht Wohnraum

An der Einweihung der Gedenktafel waren auch ehemalige Mitglieder der «Studentischen Direkthilfe Schweiz-Ungarn» anwesend, darunter Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp, die damals an der Universität Zürich Rechtwissenschaft studierte und als 19-Jährige die Direkthilfe mitgründete.

Rund 20 Studierende engagierten sich in der Direkthilfe, erzählte die damalige Helferin Lilian Jaeggi-Landolf unipublic anlässlich der Gedenkfeier. Einige Studierende reisten nach Österreich und ins damalige Jugoslawien, um geflüchtete ungarische Studierende in Empfang zu nehmen und nach Zürich zu begleiten.

«Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem, ein Wohnhaus für die neuen Studierenden einzurichten und Gastfamilien zu suchen», so Jaeggi-Landolf. Da das Wohlwollen auch in der Bevölkerung gross war, gestaltete sich die Suche nach Gastfamilien nicht allzu schwierig.

Die beiden Mitglieder der «Studentischen Direkthilfe Schweiz-Ungarn», Alt-Bundesrätin Elisabeht Kopp und Lilian Jaeggi-Landolf, zusammen mit Rektor Hans Weder (links) und dem früheren Prorektor Alexander Borbély anlässlich der Einweihung der Gedenktafel.

Das Studium fortsetzen

Die Suche nach Wohnraum für die Flüchtlinge war 1956 auch Anlass zur Gründung der noch heute aktiven Studentischen Wohngenossenschaft Zürich (WOKO). Beteiligt an den Hilfsaktionen für die ungarischen Flüchtlinge waren aber nicht nur die Studierenden. Eine «Geldsammlung bei Mitgliedern des Lehrkörpers und des Zürcher Hochschulvereins ergab den Betrag von Fr. 56'317.35», hält der Jahresbericht 1957/58 der Universität Zürich fest.

Der Kanton Zürich wiederum stellte die finanziellen Mittel für das Studium zur Verfügung und die Universität organisierte beispielsweise Deutschkurse, um den Flüchtlingen die baldige Fortsetzung ihrer Studiums zu ermöglichen. Im Sommersemester 1957 waren 61 und im folgenden Wintersemester bereits 77 ungarische Flüchtlinge an der Universität immatrikuliert.

Die Inschrift der Gedenktafel. 

Resolution aus dem Lichthof

Unterstützung erhielten sie aber nicht nur in materieller, sondern auch in ideeller Hinsicht. Nachdem die Studentenschaft am 29. Oktober 1956 einen Fackelzug mit Kundgebung auf dem Münsterhof organisiert hatte, folgte am 8. November im Lichthof des Kollegiengebäudes im offizielleren Rahmen eine Kundgebung unter dem Motto «Im Namen der Freiheit für Ungarn».

Nach Ansprachen des damaligen Rektors Prof. Hans Fischer und eines Vertreters der Studentenschaft stimmten die Teilnehmenden einer Resolution zu, in welcher sie ihrer «Empörung und Abscheu über das menschenunwürdige Vorgehen der kommunistischen Machthaber Russlands» Ausdruck gaben.

Die Resolutionäre gelobten weiter, «mit Sowjet-Russland keinerlei wissenschaftliche und kulturelle Beziehungen zu unterhalten oder aufzunehmen, so lange die kommunistischen Machthaber Russlands fortfahren, Ungarn oder andere europäische Kulturvölker durch brutale Kneblung der geistigen Freiheit zu entehren».

Die Resolution sei unter anderem vom Rektor und den Dekanen der damals sechs Fakultäten unterzeichnet worden und «allen Hochschulen des freien Europa sowie den grösseren Universitäten Amerikas und Indiens zugestellt worden», hält der Jahresbericht 1956/57 weiter fest.

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