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«Eine Erhöhung der Bildungsausgaben um 10% ist absolut notwendig»

Die Erhöhung Bundesausgaben für Bildung und Forschung in den Jahren 2008 bis 2011 gibt zu reden. Während der Bundesrat das Budget um 4,5 Prozent anheben möchte, fordert die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) ein Wachstum von zehn Prozent. Zur aktuellen Debatte nimmt Hans Weder, CRUS-Präsident und Rektor der Universität Zürich, Stellung.
Thomas Gull, Roger Nickl

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«Die vom Bundesrat vorgeschlagenen 4,5 Prozent entsprechen nicht einmal der Teuerung.»

unipublic: Herr Weder, die aktuelle Diskussion um die Bundesbeiträge für Bildung und Forschung 2008 bis 2011 ist sehr kontrovers. Der Bundesrat will das Bildungs- und Forschungsbudget jährlich um 4,5 Prozent erhöhen. Die CRUS, der Sie als Präsident vorstehen, kritisiert, das sei viel zu wenig. Um wie viel Prozent müsste Ihrer Ansicht nach das Bildungs-Budget jährlich erhöht werden?

Hans Weder: Nach den Berechnungen der CRUS ist eine jährliche Budgeterhöhung von 10 Prozent absolut notwendig, wenn auch in Zukunft Innovation möglich sein soll. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen 4,5 Prozent entsprechen hingegen nicht einmal der Teuerung. Damit kann man kaum kompensieren, was in den vergangenen Jahren unterlassen wurde. Was man auch nicht vergessen sollte: Es war vorgesehen das Bildungs- und Forschungsbudget 2004 bis 2007 jährlich um 6 Prozent zu erhöhen. Im Zuge der Sparprogramme wurden diese Vorgaben jedoch massiv reduziert, die Zuwachsraten sanken jedes Jahr, und für 2007 resultiert sogar ein Minus von 1,5 Prozent. Auf diesem Hintergrund ist es schon etwas merkwürdig, wenn der Bundesrat seinen Vorschlag als Erhöhung bezeichnet.

Gemäss den Kalkulationen der CRUS brauchen die Schweizer Universitäten zwischen 2008 und 2011 zusätzlich rund 1,4 Milliarden Franken. Rund eine Milliarde davon soll für die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse eingesetzt werden. Den Rest will die CRUS in die Ausbildung für junge Forscherinnen und Forscher investieren sowie das Angebot strukturell bereinigen und gemeinsame Infrastrukturen und Instrumente für das schweizerische Universitätssystem schaffen. Mit der angestrebten jährlichen Budgeterhöhung von 10 Prozent liesse sich nur etwa ein Drittel dieser Ziele erreichen. Weshalb hat man diese Zahlen so hoch veranschlagt, obwohl es politisch nicht realistisch ist, genügend Geld zu bekommen?

Weder: Das ist eine Frage der Konsequenz. Die Planungsgruppe der CRUS arbeitet sehr genau – sie hat präzise Analysen gemacht, von denen wir dann unsere Entwicklungsschwerpunkte für die Perioden 2004 bis 2007 und 2008 bis 2011 abgeleitet haben. An den erarbeiteten Entwicklungszielen, die bislang bei weitem nicht erreicht werden konnten, halten wir auch weiterhin fest. Was ich übrigens überhaupt nicht verstehe: In internationalen Qualitätsvergleichen schneiden die Schweizer Universitäten immer ausgezeichnet ab. Bei den Publikationsanalysen des renommierten Wissenschaftsmagazins «Nature» belegt die Schweiz sogar den ersten Platz. In einen so erfolgreichen Bereich lohnt es sich doch einfach zu investieren. Was man auch nicht vergessen darf: Die Unterstützungsbeiträge des Bundes pro Studentin bzw. Student sind in den letzten 25 Jahren nicht etwa gestiegen, sondern um rund 20 Prozent zurückgegangen.

«Wir benötigen schweizweit 824 zusätzliche Professuren.»

Die CRUS hat den Handlungsbedarf aufgezeigt. Was sind die Konsequenzen, wenn nur ein Bruchteil der geforderten Beiträge gesprochen wird?

Weder: Wir haben eine Prioritätenliste mit vier Schwerpunkten ausgearbeitet: Verbesserung der Doktoratsstudien, strukturelle Bereinigung des Angebots, Verbesserung der Qualität des Studiums, gemeinsame Infrastrukturen und Angebote für das schweizerische Universitätssystem – in diesen Bereichen möchten wir in den nächsten Jahren möglichst viel verwirklichen. Um die Qualität der Studierendenbetreuung massgeblich zu erhöhen, benötigen wir beispielsweise schweizweit 824 zusätzliche Professuren. Dieses Bedürfnis ist auch eine Folge der Einführung des Bologna-Modells. «Bologna» orientiert sich am angelsächsischen Raum, wo die Bereuungsverhältnisse zehnmal besser sind als bei uns. Darüber muss man sich schon im Klaren sein: Man kann ein solches System nicht ohne zusätzliche Kosten verpflanzen.

Das neu geschaffene Swiss Finance Institute (SFI) ist ein Modell, bei dem die Privatwirtschaft – im konkreten Fall die Schweizer Banken – in die Hochschulbildung investiert. Wird man künftig vermehrt versuchen, Professuren mit privaten Mitteln zu schaffen, wenn nicht genügend Bundesgelder fliessen?

Weder: Das Geld aus der Privatwirtschaft ist keine Alternative zur Finanzierung durch die öffentliche Hand. Dennoch sollten die Universitäten Anstrengungen in diese Richtung unternehmen. Aus meiner Sicht ist bei solchen Kooperationen mit der Wirtschaft entscheidend, dass die akademische Unabhängigkeit unter allen Umständen gewahrt bleibt. Letztlich können solche Kooperationsprojekte, so erfreulich und willkommen sie sind, die bestehenden Finanzlöcher aber nicht stopfen.

Am 20. Oktober treffen sich Vertreter der Hochschulen und der Fachhochschulen zu einem Bildungsgipfel in Basel. Mit welchem Ziel?

Weder: Man möchte noch einmal begründen, weshalb es sinnvoll ist, bei den Bildungsinvestitionen zusätzliche Anstrengungen zu machen. Am Bildungsgipfel werden sich jedoch nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der Hochschulen treffen, sondern es werden auch Politikerinnen und Politiker anwesend sein. Bei der letzten Budgeterhöhung für Bildung und Forschung 2004 bis 2007 hatten ja alle das Gefühl, jetzt werde endlich einmal etwas substanziell verändert. Am Schluss jedoch, nach all den Sparrunden, blieb von dieser Hoffnung praktisch nichts mehr übrig. Das wollen wir dieses Mal verhindern, indem wir Klartext reden und sagen: Der letzte Bundesbeschluss wurde schlicht nicht durchgeführt – das sollte Konsequenzen für die neue Budgetrunde haben.

«Die Schweiz kann es sich nicht leisten, bei den EU-Programmen abseits zu stehen.»

Offenbar hat man aus der Vergangenheit gelernt und tritt jetzt geschlossen auf?

Weder: Ja, wir haben sicher dazu gelernt. Die Rektorenkonferenz musste sich zuerst entwickeln, in ihrer neuen Form besteht sie ja erst seit 2000. Es war gar nicht so einfach, wirklich handlungsfähig zu werden und gemeinsame Positionen zu erarbeiten, die man öffentlich vertreten kann.

Die Finanzierung der akademischen Forschung wird voraussichtlich auch ein Thema in der Wintersession des Parlaments sein: Die EU hat das Gesamtbudget für die europäischen Forschungsprogramme kräftig erhöht. Die Schweiz müsste ihre jährlichen Beiträge um 11 Prozent steigern, wenn sie weiterhin als vollwertige Partnerin mitmachen will. Wie stehen ihrer Ansicht nach die Chancen, dass die Schweizer Beiträge im erforderlichen Ausmass erhöht werden?

Weder: Ich glaube, die Chancen stehen gut. Die Schweiz kann es sich nicht leisten, bei diesen Programmen abseits zu stehen.

Was wären die Konsequenzen, wenn dies doch der Fall wäre?

Weder: Wir haben mittlerweile erreicht, dass Schweizer Forscherinnen und Forscher gleichberechtigt Projekte bei der EU einreichen und auch leiten können. Die Schweiz ist zudem mit Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel von der Universität Zürich im European Research Council vertreten. Wenn die Beiträge nicht erhöht werden, würde uns das wieder in die Ära vor den bilateralen Verträgen zurückwerfen. Das wäre ganz schlimm.

 

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