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Liebe Martha, streikende Angestellte und andere Gender Studies

Einmal im Jahr können Gender-Interessierte während eines Tages einen Blick in die vielfältigen Frauen- und Geschlechterstudien werfen, die an der Universität Zürich durchgeführt werden.
Brigitte Blöchlinger

Machte in den 1990er Jahren plurale Lebensentwürfe gesellschaftsfähig: «Sex»-Beraterin Martha Emmenegger

«Sex sells» ist ein geläufiger Slogan der Werbe- und Medienbranche. Dass das nicht immer mit einem «Ausverkauf» der Würde der Frau einhergehen muss, zeigt das Beispiel der «Blick»-Ratgeberin Martha Emmenegger. Als «Liebe Martha» hat diese während vieler Jahre der Schweizer Bevölkerung geholfen, Liebesprobleme erträglicher zu gestalten. Die Person Martha Emmenegger war dabei immer auch selbst ein Thema in den Medien und fungierte dort «als Leitbild und Wertemultiplikatorin», wie die Historikerin Annika Wellmann in ihrem Kurzreferat anlässlich der Workshop-Tagung «work in progress. Gender studies. Uni zurich» sagte. Indem die Medien positiv über die «Liebe Martha» berichteten, veränderte sich das Frauenbild der 1980er und 1990er Jahre spürbar; dank Marthas Vorbildfunktion wurden selbständige Frauen, Alterssexualität und plurale Lebensentwürfte aufgewertet.

Jung verheiratet, rudimentär ausgebildet: nepalesische Mädchen werden für die Haus- und Familienarbeit erzogen.

Plurale und patriarchale Lebensentwürfe

Nicht immer ist der Befund der Frauen- und Geschlechter-Forscherinnen und -Forscher derart positiv. In vielen Gebieten – sowohl im übertragenen Sinn als auch ganz konkret auf die Geografie bezogen – zeigt sich nach wie vor eine Diskriminierung der Frauen. Besonders ausgeprägt zum Beispiel im Südwesten von Nepal. Dort hat die Humangeographin Lilith Schärer den Zugang von Mädchen und Jungen zur Grundschule untersucht und ist dabei auf grosse Unterschiede gestossen. Die vorwiegend armen bis sehr armen Familien sind stark dem traditionellen Rollendenken verhaftet; entsprechend ungleich wird die Förderung des Nachwuchses gehandhabt: Während Knaben als zukünftige Familienernährer in möglichst gute Schulen geschickt werden, müssen auch erfolgreiche Mädchen ihre Ausbildung häufig mit acht, neun Jahren abbrechen, da es für ihre künftige Rolle als Hausfrau und Mutter «reicht», wenn sie über elementare Kenntnisse des Rechnens und Schreibens verfügen.

«Gleichgestellter» ist die Arbeitskampfbereitschaft von Frauen und Männern des öffentlichen Dienstes in der Schweiz. Der Soziologe Roger Kirchhofer – einziger Mann unter den Vortragenden von «work in progress» – konnte in seiner Lizentiatsarbeit keine geschlechtsspezifischen Differenzen in der Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit des Personals erkennen – wobei sich die Zufriedenheit direkt auf die Bereitschaft zur Teilnahme an Kampfmassnahmen auswirkt. Diesbezüglich zeigen sich gewisse geschlechtsspezifische Unterschiede: Die weiblichen Angestellten neigen eher zu moderaten Formen wie Verhandlungen oder Kundgebungen, während die männlichen eher zu konfliktiven Mitteln wie Warnstreiks oder Streiks tendieren.

Methodische Knacknuss: Abstimmungsplakate

Methodische Herausforderungen

Gender Studies weisen stets eine immense thematische Vielfalt auf. Zumindest theoretisch kann ja jedes Thema aus der Geschlechter-Perspektive betrachtet werden. Nicht immer ist der Gender-Blick jedoch methodisch einfach zu realisieren. Insbesondere die interpretierenden Diszipinen wie Sprachwissenschaften oder Kunstgeschichte stehen vor der Herausforderung, jenseits von persönlichen «Einschätzungen» oder «Empfindungen» wissenschaftlich haltbare Methoden für ihre Gender-Forschung zu entwickeln. So erweist sich beispielsweise der Gender-Blick auf Abstimmungsplakate für die Linguistin Sascha Demarmels als Herausforderung, wie sie am Ende ihres Vortrags «Politik der Geschlechter» sagte. Ihre Analyse umfasst nämlich neben der sprachlichen Ebene (Plakattext) auch die bildliche (Plakatsujekt) sowie das Zusammenspiel der beiden. Wenn dann noch der Gender-Aspekt hinzu kommt, ist methodische Innovationskraft gefragt – eine Kompetenz, die Gender-Forschende immer wieder erwerben müssen. Und die sie letzten Endes auch dazu befähigt, die Zugänge und Methoden der Wissenschaft allgemein voranzutreiben in neue, interdisziplinäre Sphären.