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Symposium zu Ehren der Physik-Nobelpreisträger 1987

Supraleitung: freie Bahn für den Strom

Vor zwanzig Jahren entdeckten die Physiker Georg Bednorz und K. Alex Müller die Hochtemperatur-Supraleiter - und sorgten damit für eine Sensation. Zu Ehren der beiden Nobelpreisträger findet an der UZH vom 27. bis 29. März 06 ein hochkarätig besetztes Symposium statt.
David Werner

Physik-Nobelpreisträger K. Alex Müller und Georg Bednorz im Jahr 1986.

Es war ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte, das sich ums Jahr 1986 in Zürich abspielte. Alles begann mit einer verrückten Idee, die K. Alex Müller, damals IBM-Fellow und Titularprofessor an der Universität Zürich, von einer Sizilien-Reise mit nach Hause gebracht hatte. Am Ende stand die Entdeckung der so genannten Hochtemperatur-Supraleiter – eine Errungenschaft von enormer Tragweite.

Bereits 1911 hatte der Niederländer Kamerlingh Onnes herausgefunden, dass viele Metalle bei sehr tiefen Temperaturen um minus 270 Grad Celsius zu Supraleitern werden: Sie leiten den Strom unter diesen extremen Bedingungen ohne Widerstand. Der Traum, Strom verlustfrei über grosse Distanzen zu übertragen, liess viele Physiker nicht mehr los. Spätestens in den Siebzigerjahren geriet die Supraleiter-Forschung jedoch in eine Sackgasse. Der Umstand, dass die Leitfähigkeit sich erst bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt einstellte, liess die Aussicht auf die praktische Anwendung von Supraleitern in der Starkstromtechnik schwinden.

Aus der Sackgasse ausgebrochen

Müller wollte aus dieser Sackgasse ausbrechen. Er weihte seinen ehemaligen Praktikanten und Doktoranden, den jungen deutschen Forscher Georg Bednorz, mit dem er seit einiger Zeit am IBM-Forschungslaboratorium in Rüschlikon zusammenarbeitete, in sein Vorhaben ein. Die beiden beschlossen, bestimmte Materialien – genauer: Lanthan-Barium-Kupfer-Oxide – auf ihre Supraleitfähigkeit hin zu untersuchen. Ausgerechnet Oxide! Diese haben unter normalen Bedingungen nur geringe Leitfähigkeit. Bisher war man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass nur metallische Verbindungen als Supraleiter in Frage kämen. Gemeinsam gelang den beiden Physikern der Nachweis der erstaunlichen, bis heute nicht vollständig erklärbaren Tatsache, dass die Eigenschaft des Lanthan-Barium-Kupfer-Oxides, Strom schlecht zu leiten, bei sehr tiefen Temperaturen ins glatte Gegenteil umschlägt – in Supraleitfähigkeit.

Jagd nach Temperatur-Rekorden

Doch das war noch nicht einmal das aufregendste Resultat dieser Experimente. Die eigentliche Sensation war: Die Temperatur, bei der das Kupferoxyd supraleitende Fähigkeiten erhielt – die so genannte Sprungtemperatur –, lag bei erstaunlich hohen minus 238 Grad. Das überraschte auch Bednorz und Müller selbst. Sie hatten eine neue Klasse von Supraleitern entdeckt – die Hochtemperatur-Supraleiter (HTSL). Ein Jahr später erhielten sie dafür den Nobelpreis. Weltweit setzte daraufhin eine Jagd nach weiteren Temperatur-Rekorden bei supraleitenden keramischen Verbindungen ein. Mittlerweile ist man bei einer Sprungtemperatur von minus 140 Grad angelangt. Der enorme Vorteil der HTSL: zur Kühlung ist man nicht mehr auf teures flüssiges Helium angewiesen wie bei gewöhnlichen Supraleitern, sondern kann billigeren Stickstoff benutzen, der bei minus 196 Grad flüssig wird.

Anwendung bei Sensoren, Kraftwerken, Medizinalgeräten

Hochtemperatur-Supraleiter finden heute etwa bei Sensoren, Kraftwerken oder Medizinalgeräten Verwendung. Einer breiten Nutzung bei der Stromverteilung stehen allerdings noch einige Schwierigkeiten im Weg. Und auch eine schlüssige theoretische Erklärung des HTSL-Phänomens gibt es noch nicht. Seit Jahren wird darüber gestritten. Viele Physiker sind der Ansicht, der Unterschied zu herkömmlichen Supraleitern sei derart gross, dass eine komplett neue Theorie entwickelt werden müsse.

Auf der anderen Seite ist eine Minderheit der Auffassung, dass die Wechselwirkung der Ladungsträger mit den Schwingungen des Kristallgitters für das HTSL-Phänomen verantwortlich sei – ähnlich wie bei gewöhnlichen Supraleitern. Wortführer dieser Fraktion sind experimentelle Physiker der Universität Zürich um Professor Hugo Keller. «Unsere Versuche, die wir seit zwanzig Jahren in kontinuierlicher Weiterentwicklung der Untersuchungen von Müller und Bednorz betreiben, zeigen immer deutlicher, dass wir richtig liegen», sagt er.

Das Symposium vom 27.–29. März 2006 wird die neuesten Erkenntnisse im HTSL-Bereich zur Debatte stellen.

Nobelpreisträger K. Alex Müller, der von 1970 bis 1994 Physikprofessor an der Universität Zürich war, letzten November am «Tag der Nobelpreisträger» in Zürich.