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Chancengleichheit: Den eingeschlagenen Weg fortsetzen

An der ausgebuchten Tagung «equality» in Bern wurde klar: Das Bundesprogramm Chancengleichheit wird (verhalten) positiv bewertet und muss fortgesetzt werden. Auf halbem Wege stehenzubleiben, wäre fatal für die in der Bundesverfassung verankerte Gleichstellung der Frau – gerade auch in der Wissenschaft.
Brigitte Blöchlinger

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Der schmucke Tagungssaal im Hotel zum Äusseren Stand in der Berner Altstadt war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Angereist waren Personen aus der deutschen, französischen und italienischen Schweiz, die in verschiedensten Bereichen und Ebenen an der Gleichstellung von Frau und Mann im tertiären Bereich arbeiten – Präsidentinnen, Rektoren, Projektleiterinnen, Professorinnen, Gleichstellungsbeauftragte der kantonalen Universitäten und Fachhochschulen, Expertinnen von Mentoring und anderen Förderungsprogrammen, Stipendien-Vergeberinnen und SNF-Delegierte – um nur ein paar zu nennen.

Zeit, Bilanz zu ziehen und Erfahrungen auszutauschen: Die Tagung «equality» stiess bei Fachleuten aus den verschiedensten Bereichen auf grosses Interesse.

Anschubfinanzierung mit breiter Wirkung

Seit 2000 laufen an den Hochschulen – auch an der Universität Zürich – Bundesprogramme zur Förderung der Chancengleichheit. 50 Millionen Franken wurden in der Periode 2004–07 vergeben. Dieser finanzielle Anschub hat vielerlei bewirkt: zum Beispiel konnte mittlerweile an jeder Universität und an jeder Fachhochschule in der Schweiz eine Delegierte für Chancengleichheit eingesetzt werden. Wo bereits vorhanden, erhielten sie mehr finanzielle Mittel. Der Bund ermutigte die Universitäten ausserdem mit finanziellen Anreizen, vakante Lehrstühle mit qualifizierten Frauen zu besetzen; ein Teil des Bundesgeldes brachte die bisher vernachlässigbaren Gender Studies in der Schweiz zum Keimen und legte den Grundstein für deren weitere Profilierung; Nachwuchsförderung war ein weiterer Schwerpunkt und wurde in verschiedenen Projekten und Programmen umgesetzt (Mentoringprojekte, Weiterbildung, Erfahrungsaustausch, Tagungen, Marie-Heim-Vögtlin-Beitrag etc.), und last but not least konnten zahlreiche Kinderkrippenplätze geschaffen werden, damit Forscherinnen nicht nur Arbeit, sondern auch Kinder haben können.

Knackpunkt Berufungsverfahren

Der Tagungsmorgen war ersten Beurteilungen des Bundesprogramms für Chancengleichheit gewidmet. Diese fielen vorwiegend positiv aus, auch wenn es da und dort noch Aspekte zu verbessern gibt. Der Rektor der Universität Basel, Ulrich Gäbler, ortete insbesondere bei den Berufungsverfahren Handlungsbedarf. Er betonte, dass die Einsicht in die Förderung der Chancengleichheit allgemein gestiegen sei – «wir Universitäten danken dem Bund für diese Initiative», sagte Gäbler, der auch Vizepräsident der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten ist und sich als Anhänger von Quoten outete. Nun gelte es, die Chancengleichheit ins Qualitätsmanagement der Universitäten zu integrieren – und nicht einfach an die Frauenbeauftragten zu delegieren.

Es braucht eine Weiterführung des Bundesprogramms Chancengleichheit, damit Mentoringprojekte im Sinne von Best Practice umfassend in die allgemeine Nachwuchsförderung integriert werden können: Elisabeth Maurer von der UniFrauenstelle – Gleichstellung von Frau und Mann an der Universität Zürich.

Projekte oder Programme fördern?

Verhaltener war die Bilanz von Seiten der Fachhochschulen beziehungsweise des Präsidenten der Konferenz der Fachhochschulen Schweiz, Markus Hodel. «Die Fachhochschulen sind noch nicht am Ziel», bilanzierte er und befand, dass die Gleichstellung der Frauen noch zu stark an die Frauenstellen delegiert seien. Ausserdem würde Hodel, der auch Direktor der Fachhochschule Zentralschweiz ist, für die Zukunft eher eine Förderung auf Programm- und nicht wie bisher auf Projektebene bevorzugen – was den reformgeplagten Fachhochschulen mehr Autonomie gäbe.

Höhere Budgets gefordert

Schliesslich legte die «Grande Dame» des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, Patricia Schulz, ihre Bilanz der letzten vier Jahre und ihren Budgetvorschlag für die Finanzierungsperiode 2008–11 vor. Ihre Analyse der Anstrengungen von 2000 bis 2004 machte klar, dass die Studienwahl allen Initiativen zum Trotz nach wie vor stark geschlechtsabhängig geblieben ist. Das bedeutet, dass Frauen noch immer vor allem Übersetzerin und Psychologin werden (ebenfalls beliebt: Veterinärmedizin, Soziale Arbeit, Innenarchitektur) und dass Berufe wie Elektro- oder Mikrotechnikerin oder Bauingenieurin ausgesprochen selten gewählt werden.

Der Bund ist durch die Verfassung und die UNO-Konvention zur Gleichstellung verpflichtet, wie Patricia Schulz, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, in Erinnerung rief.

Zur Gleichstellung verpflichtet

Das Ziel des Bundes, den Frauenanteil bei den Professuren bis Ende 2006 auf 14 Prozent zu erhöhen, sei nicht ganz erfüllt (2005: 12 Prozent). «Langfristig müssen wir ohnehin 50 Prozent anstreben», sagte Schulz. Dass Gleichstellung nicht von alleine voranschreitet, sei erwiesen. Deshalb schlug Schulz ein Budget vor, das mit 62,5 Millionen Franken höher als das (gekürzte) letzte Budget veranschlagt ist. Vor allem die Fachhochschulen würden profitieren. Schulz erinnerte daran, dass Gleichstellung nicht «nice to have» sei, sondern in der Verfassung verankert (Artikel 8, Absatz 3) und international mit der Unterzeichnung der entsprechenden UNO-Konvention bestätigt worden sei.

Gender Studies auf dem Vormarsch

Absolut positiv fällt die Bilanz für die Gender Studies (Geschlechterstudien) aus. Bis 1998 waren sie quasi inexistent und konnten in den vergangenen vier Jahren dank des Bundesprogramms Chancengleichheit etwas aufholen. In dieser kurzer Zeitspanne, so Andrea Maihofer, Professorin für Gender Studies an der Universität Basel, hätten sich die nach wie vor vergleichsweise wenigen Expertinnen in der Schweiz gut vernetzen können. Auf diese Verbindungen lasse sich auch in Zukunft aufbauen. Es gelte ein gesamtschweizerisches Profil von Gender Studies zu schaffen, das auch international mithalten könne.

Die Schweiz habe bei den Gender Studies ein Manko, das sich nicht nur in der Gleichstellungsarbeit auswirke (fehlende Studien, Zahlen, Fakten) – auch wissenschaftlich hätte die hiesige Forschung viel von den Geschlechterstudien zu lernen: Sind sie doch häufig inter- und transdisziplinär (was in vielen Fächern zunehmend wichtig werde), innovativ (was für Forschung allgemein essentiell sei) und methodenkritisch bzw. Wissenschaftsparameter hinterfragend (was allen Disziplinen gut anstehen würde).

… bis Gender jedermanns Sache ist

Die individuellen Beiträge und die Podiumsdiskussionen an der Tagung «equality» lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es wäre fatal, nach einem ersten Anschub bei der Gleichstellung der Frauen auf halbem Wege stehenzubleiben. Diese erste Initiative des Bundes muss weitergeführt und weiterentwickelt werden. Für die kommende Periode 2008–11 gilt es, das Erreichte in den Strukturen zu verankern. Als erstes muss die Gleichstellung von Frauen nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch überall Chefsache werden. Gender-Kompetenz ist von den Entscheidungsträgern gefragt, und diese kann nur durch die Förderung von Gender Studies – in angewandten Fragestellungen und als Grundlagenforschung – errungen werden. Wenn auf allen hierarchischen Ebenen ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Diskriminierung entwickelt ist (Gender-Mainstreaming nennt man diesen Prozess) und aktiv dagegen angegangen wird, erst dann müssen Frauen nicht mehr durch spezielle Organisationen und Gelder bei ihrer Gleichstellung unterstützt werden. Bis dann ist es noch ein unendlich langer Weg. Doch der nächste Schritt ist klar: Es braucht eine Weiterführung des Bundesprogramms Chancengleichheit.