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(Vogelgrippe-)Viren und ihre Wirte

Unter der Regie des Veterinärbakeriologen Richard Hoop von der Universität Zürich wurden in den vergangenen zwei Jahren rund tausend Wildvögel und dreihundert Hühnerherden auf Grippeviren untersucht. Die Bilanz: Nur gerade zwei Blässhühner waren mit einem ungefährlichen Grippevirus infiziert. Doch auch wenn das für die Schweiz erst mal Entwarnung bedeutet – die Situation kann sich auch ändern.
Felix Straumann

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Verändert sich ständig und kommt in immer neuen Varianten vor: das Grippevirus …

Wie sähe das Extremszenario für die Vogelgrippe in der Schweiz aus? Richard Hoop, Professor am Institut für Veterinärbakteriologie der Universität Zürich, schildert es so: Auf einer Schweizer Geflügelfarm sterben innerhalb von 24 Stunden die Hälfte aller Hühner. Der besorgte Produzent meldet sich beim kantonalen Veterinäramt und wird aufgefordert, einige verendete Tiere für eine Untersuchung ins Zürcher Tierspital zu bringen. Der Verdacht auf Vogelgrippe bestätigt sich, die Farm wird unter Quarantäne gestellt: Wachposten und Absperrungen sorgen dafür, dass weder Menschen noch Tiere den Hof betreten oder verlassen. Auch der Produzent und seine Mitarbeiter müssen den Tieren möglichst fern bleiben und sich bei Grippesymptomen einer antiviralen Behandlung unterziehen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist laut Hoop hingegen nicht zu befürchten, das wäre ein sehr punktuelles Ereignis, das zudem ziemlich unwahrscheinlich ist. (…)

Dennoch gilt es wachsam zu bleiben. Deshalb hat das Bundesamt für Veterinärwesen am 24. September 2005 ein Zugvogel-Überwachungsprogramm gestartet. Bis Ende Jahr sollen rund 1000 Kotproben von Zugvögeln auf Vogelgrippeviren untersucht werden. Bisher wurden 90 Proben ausgewertet, keine war mit dem Virus infiziert, wie das Bundesamt für Veterinärwesen am Freitag mitteilte.

Die eigentliche Gefahr lauert aber in Asien. Sie geht jedoch nicht direkt vom zur Zeit grassierenden Vogelgrippevirus aus. Um wirklich gefährlich zu sein, fehlt dem Erreger ein entscheidender Evolutionsschritt: Er muss von Mensch zu Mensch übertragbar werden. Erst dann hat er das Potenzial, eine weltweite Epidemie auszulösen.

…mutiert 1918 zum Erreger der Spanischen Grippe.

Gefährliche Mischung von Viren

Viren bilden sehr schnell und fortwährend neue Varianten, von denen sich einige – vom Virus aus gesehen «erfolgreiche» – Versionen durchsetzen. (…) Bei der Vogelgrippe wäre die Kombination mit einem menschlichen Grippevirus gefährlich für den Menschen. Dazu braucht es einen Wirt, der von beiden Viren infiziert ist – ein so genanntes «mixing vessel», zu Deutsch: Mischgefäss. Dieses könnte ein Mensch sein, der gleichzeitig am aktuellen Vogelgrippevirus und an einem menschlichen Grippevirus erkrankt ist.

Für die Funktion des «mixing vessel» besonders prädestiniert sind Schweine, da sich in ihnen Grippeviren von Vögeln und Menschen ähnlich gut vermehren können. Die Mischgefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Bereits vor einem Jahr, im September 2004, sprang der aktuell grassierende Vogelgrippevirus in Thailand erstmals von einem Menschen auf einen anderen über. Für Grippeexperten ein besorgniserregendes Ereignis. Glücklicherweise blieb diese Von-Mensch-zu-Mensch-Übertragung bis jetzt ein Einzelfall. Doch selbst wenn es bei dieser einzelnen Übertragung bleiben sollte und die aktuelle Vogelgrippe ohne gravierende Folgen für die Menschheit vorbeizieht: Von den Viren sind noch viele unangenehme Überraschungen zu erwarten.

Aengstigt heute  die Menschen: das Vogelgrippevirus.

Virenerkrankungen nehmen allgemein zu

(…) Nur ein Bruchteil aller Virenarten ist bekannt, weiss Professor Urs Greber, Zellbiologe am Zoologischen Institut der Universität Zürich. Viele Viren bleiben unerkannt, weil deren Infektionen keine sichtbaren Konsequenzen haben. Der Wirt hat sich mit ihnen arrangiert. Neue Viren werden deshalb oft bei Patienten entdeckt, die wegen Krebs oder Aids ein angeschlagenes Immunsystem haben. Der Körper wird plötzlich nicht mehr fertig mit Erregern, die eigentlich schon immer da waren. Es treten Krankheiten auf, die vorher noch niemand gesehen hat.

Viren: zwischen toter und lebendiger Materie

Wahrscheinlich entwickelten sich Viren bereits, als die ersten Zellen die Erde zu besiedeln begannen. Selber gehören sie jedoch nicht zur lebendigen Materie. Dazu fehlen ihnen gewisse Fähigkeiten, die zum Leben gehören: Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nicht ohne fremde Hilfe vermehren. So bleibt der Vogelgrippevirus ausserhalb eines Wirts in der Regel nur während einer relativ kurzen Zeit infektiös. Wachsen oder gar sich vermehren kann er in dieser Zeit nicht. (…)

Hindernislauf zum Zellkern des Wirts

Um Zellen ihren Willen aufzuzwingen, müssen Viren Tricks anwenden. Vom ersten Kontakt mit der Zelle bis zum Platzieren der Gene im Zellkern stehen zahlreiche Hürden im Weg. Zuerst gilt es für die Viren, das extrazelluläre Geflecht aus Proteinen und Zuckern, in das Zellen eingebettet sind, zu durchdringen. Anschliessend müssen sie die Zellmembran überwinden, durch das Zellinnere zum Zellkern vorstossen, an der Kernhülle auf den richtigen Zeitpunkt warten, die Gene freisetzen und an die richtige Stelle im Kern transportieren. Bei jedem dieser Schritte nutzen Viren Transportmechanismen der Zelle und Lücken in ihrer Abwehr aus. Wie genau, versucht Greber in viel Kleinarbeit zu entschlüsseln. «Wir wollen dadurch nicht nur mehr über die Viren erfahren. Der ganze Hindernislauf erzählt uns auch viel über die natürlichen Funktionen und die Schutzmechanismen der Zellen selber.» (…)

Eine der zahlreichen Darstellungsarten  des Grippevirus: Hülle mit Genen drinnen und den Oberflächenproteinen Hämagglutinin und Neuraminidase aussen, mit deren Hilfe sich das Virus an eine Zelle des Menschen, z. B. im Rachen, anheftet und mit ihr verschmilzt.

Impfungen als wirksamstes Virenmittel

«Einsichten, wie sich Viren entwickelt haben, liefert vor allem die Gegenwart», erklärt Greber. Die Untersuchung des Vogelgrippe-Virus hilft aber nicht nur, dessen Evolution zu verstehen. Sie ermöglichen vor allem auch, wirksame Strategien für die Bekämpfung neuer Infektionskrankheiten zu entwickeln. Weil Viren Körperzellen für ihre Vermehrung benutzen und sich sehr schnell verändern, existieren zur Zeit nur wenige antivirale Medikamente. Das wirksamste Gegenmittel sind Impfungen.