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Ich denke, also gründe ich eine Firma

Abgängerinnen und Abgänger der Philosophischen Fakultät als selbständige Unternehmer? Das klingt ungewöhnlich. Die Germanistin Monika Dätwyler-Hrubovska und der Historiker Tobias Wildi verraten, wie sie erfolgreich eine eigene Firma ins Leben riefen.
Lukas Kistler

Start-up-Firmen vermutet man gemeinhin im Umfeld von Ökonomie, Ingenieur- oder Naturwissenschaften. Wenn gelegentlich auch einmal Psychologinnen oder Soziologen, Germanistinnen oder Historiker unternehmerisch tätig werden, dann erscheint das eher als exotische Ausnahme, denn als Regel. Zu unrecht: In den letzten zehn Jahren haben immerhin 335 Angehörige der philosophischen Fakultät den Kurs «Gründung eines Kleinunternehmens» von «Business-Tools» in Zürich besucht. Bei insgesamt über 6600 Teilnehmenden ergibt das eine Quote von fünf Prozent.

Auch die Germanistin Monika Dätwyler-Hrubovska und der Historiker Tobias Wildi haben sich fürs Unternehmertum entschieden: Sie leitet eine eigene Sprachschule, er ist Teilhaber einer Firma, die Archive betreut. Beide haben sich ihr geschäftliches Know-how bei den Firmengründungskursen von «Business Tools» geholt – beide noch während ihres Studiums und mit Gewinn, wie sie im Gespräch versichern. Auch Venturelab bietet inzwischen an Schweizer Hochschulen Kurse in diesem Bereich an.

«Wenn ich viel Geld verdienen wollte, würde ich bei einer Grossbank arbeiten»: Monika-Dättwiler Hrubovska

Sprachschule für Hochschulangehörige

Monika Dätwyler-Hrubovskas Sprachschule «Sprachwelten» richtet sich an Hochschulangehörige. Das Niveau und das Lerntempo sind deshalb höher als anderswo. Ein gutes Dutzend Lehrerinnen und Lehrer unterrichten rund hundert Lernende in zehn Sprachen. Der Schwerpunkt liegt indes auf Deutsch für Fremdsprachige, die sich auf Aufnahmeprüfungen vorbereiten, Vorträge schreiben lernen oder sich mit Literatur befassen.

Gegründet hat Monika Dätwyler-Hrubovska ihr Unternehmen vor vier Jahren. Dabei kam der heute 34-Jährigen das ökonomische und juristische Know-how ihres Mannes zugute. Berufliche Erfahrung hat sie bereits während ihres Germanistik- und Slavistikstudiums an der Universität Zürich erworben, als sie Russisch, Slowakisch und Deutsch unterrichtete. Monika Dätwyler-Hrubovska kam 1992 als Stipendiatin aus der Slowakei an die Universität Zürich. Nach dem Studium arbeitete sie ein Jahr lang an der Kantonsschule Freudenberg als Lehrbeauftragte für Deutsch.

Als Leiterin der Sprachschule dauert ihr Arbeitstag durchschnittlich zwölf Stunden. Zum Unterrichten kommen Leitungsaufgaben wie Offerten schreiben oder Lehrkräfte suchen, selbst das wöchentliche Reinigen erledigt sie selber. Sie zahlt sich ein Monatsgehalt von 5000 Franken aus. Das Gehalt ist für sie Nebensache: «‹Sprachwelten› ist für mich weniger ein Geschäft als eine Lebensform. Wenn ich viel Geld hätte verdienen wollen, dann würde ich jetzt in der Osteuropaabteilung einer Grossbank russische Millionäre beraten.»

Bereitete die Selbstständigkeit schon während des Studiums vor: Tobias Wildi

Nicht in Archiven versauern

Wie Monika Dätwyler-Hrubovska hat Tobias Wildi parallel zum Studium berufsspezifische Qualifikationen erworben. Er begann bereits während des Studiums, in Archiven zu arbeiten. Dort konnte er sein historisches Know-how anwenden, umgekehrt kam die Archivarbeit auch dem Studium zugute – spätestens als er für seine Lizenziatsarbeit über die Firma Brown-Bovery im ABB-Archiv recherchierte. Der Transfer von Wissen verlief wechselseitig.

Tobias Wildis Firma Docuteam betreut und ordnet Archive von Firmen, (Kirch-)Gemeinden und Vereinen, erarbeitet Konzepte und digitalisiert Bestände. Was Docuteam von anderen Archivspezialisten unterscheidet: Dokumente werden ins eigene Büro gebracht und dort bearbeitet. «Wir wollen nicht in staubigen Archiven versauern.»

Darlehen von den Eltern

Der 32-jährige Firmenchef hat Geschichte, Politologie und Informatik an den Universitäten Zürich und Lausanne studiert. Die ungewöhnliche Fächerkombination hält er für einen wichtigen Teil seines beruflichen Erfolgs. Sein informationstechnologisches Know-how setzt er heute für den Aufbau von Datenbanken ein. Zurzeit belegt er einen Kurs für Archivwissenschaft an der Universität Lausanne, die einzige Ausbildung für Archivare auf Hochschulstufe.

Seine GmbH rief er zusammen mit einem Partner vor zwei Jahren ins Leben. Um die Firma zu finanzieren, nahm er bei seinen Eltern ein Darlehen auf. Docuteam hat zusätzlich einen Historiker und eine Historikerin angestellt und zieht für einzelne Projekte Geschichtsstudierende bei. Dank peripher gelegenen Büros und tiefen Lohnkosten kann kostengünstig gearbeitet werden. Als Lohn zahlt sich Tobias Wildi monatlich zwischen 5000 und 6000 Franken aus. «Geld ist für mich nicht der Anreiz zu arbeiten», sagt er. Er hat zwar lange Arbeitstage, aber immerhin gönnt er sich jährlich acht Wochen Ferien.

Weniger komplex als Gründung von Hitech-Firmen

Für Tobias Wildi ist es eine offene Frage, weshalb sich nicht mehr Sozial- und Geisteswissenschaftler selbstständig machen. «Es gäbe sicher viele ebenso gute Geschäftsideen wie bei den Maschineningenieuren», ist der Historiker überzeugt. Dass der Bund bei seiner Politik, Firmengründungen zu fördern, auf High- und Biotech setzt, hält er für zu einseitig.

Dem stimmt Adrian Sigrist, der stellvertretende Geschäftsleiter von unitectra, der Technologietransferstelle der Universitäten Zürich und Bern, zu. Die Förderung von Hightech habe damit zu tun, dass man sich in diesem Bereich eine hohe Wertschöpfung und damit Impulse für das Wirtschaftswachstum verspreche. Ausserdem sind die Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bei Firmengründungen häufig nicht mit so komplexen rechtlichen und finanziellen Problemen konfrontiert, wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich.

Das zeigen auch die beiden genannten Beispiele: Die Firmen Sprachwelten und Docuteam müssen nur nur Löhne, Miete und Ausstattung – aber keine teuren Maschinenparks oder Laboreinrichtungen berappen. Für juristische Fragen braucht es keine spezialisierten Anwälte und die Firmen wurden privat, ohne Risikokapital oder Kredite, finanziert.

Kompetenzen durch Nebenerwerb 

Eine weitere Gemeinsamkeit von Monika Dätwyler-Hrubovska und Tobias Wildi: Sie begnügten sich beide nicht mit dem im Studium vermittelten Grundlagenwissen. In Nebenerwerbstätigkeiten erhielten sie wichtige Anregungen, sich fachlich zu spezialisieren und unternehmerisch zu qualifizieren. Die parallel zum Studium erworbenen Kompetenzen spielen somit in beiden Lebensläufen eine grosse Rolle.

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