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Science Fiction und die Phantasmen der Vergangenheit

Welches ist Ihr Lieblings-Science-Fiction? Dies wollten das Collegium Helveticum und das Zürcher Filmpodium von ausgewählten Persönlichkeiten wissen. Der Historiker Jakob Tanner, Professor an der Universität Zürich und Fellow am Collegium Helveticum, wählte «Solaris» von Andre Tarkovskij. Weshalb? unipublic hat nachgefragt.
Interview: Brigitte Blöchlinger

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Wie kam es, dass «Solaris» von Andre Tarkovskij Ihr Sci-Fi-Favorit wurde?

Das lief nicht über den Film, sondern über das Buch. Ich habe, seit ich 17 bin, Science Fiction en masse gelesen, und Anfang der siebziger Jahre gehörte «Solaris» von Stanislaus Lem dazu. Zehn Jahre später hat mich dann vor allem der Essay «Waffensysteme des 21. Jahrhunderts oder the upside down evolution» fasziniert. Etwa um diese Zeit habe ich mir Tarkovskijs Film «Solaris», der 1972 gedreht wurde, erstmals angesehen. Die Langsamkeit und das Düstere des Films trafen damals bei mir einen Zentralnerv der Weltwahrnehmung. Der Streifen blieb im visuellen Gedächtnis haften.

Was genau fasziniert Sie an «Solaris»?

Tarkovskijs Film wurde immer wieder als russische Antwort auf den amerikanischen Technikglauben und insbesondere als wissenschaftsskeptischer Gegenentwurf zu Stanley Kubricks «2001: A Space Odyssey» aus dem Jahre 1968 gedeutet. Diese polarisierende Interpretation aus dem Kalten Krieg scheint mir in die Irre zu gehen. Beide Filme stellen vielmehr das Problem des Menschen auf radikale Weise – es geht um die Irrealität der Realitätserfahrung, um Grenzen der Kommunikation, um Abbruchstellen des Verstehenkönnens, um das Eingeholtwerden der Zukunft durch die Phantasmen der Vergangenheit. In beiden Filmen wird das Menschenbild der Aufklärung ausser Kraft gesetzt, was einen Schwindel erzeugt.

Hat «Solaris» eine Sonderstellung bei Ihnen oder sind Sie allgemein ein Tarkovskij-Fan?

Tarkovskij ist schwierig. Er hinterlässt bei mir als Zuschauer oft den Eindruck, dass ich überhaupt nichts verstanden habe. Das eröffnet neue Zugänge für das Nachdenken – aber mit dem Begriff «Fan» würde ich das nicht umschreiben wollen.

 

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