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Spieler sind keine «Ego-Shooter»

Computerspiele üben auf Kinder und Jugendliche eine grosse Faszination aus. Entgegen dem Klischee kann Computerspielen auch eine soziale Aktivität sein. Heinz Bonfadelli, Ordinarius für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich, stellte auf einer Tagung der Abteilung für Europäische Volksliteratur zwei Studien vor, die den Stellenwert von Computerspielen für Kinder und Jugendliche in der Schweiz untersuchten.
Marita Fuchs

Computerspiele polarisieren: Für die einen stehen sie in direktem Zusammenhang mit Gewalttaten wie der Bluttat in Erfurt, wo im April 2002 ein Gymnasiast Lehrer und Mitschüler erschoss - man fand eine Version des Spiels «Counter-Strike» auf seinem Computer. Für andere gehören die virtuellen Spiele zu einer Kunstrichtung, die gleichberechtigt neben Musik, Literatur und Kunst stehen könnte.

Beobachtet Computerspiele mit einer ambivalenten Haltung: Heinz Bonfadelli an der Tagung «Unterhaltung. Konzepte, Formen und Wirkungen» .

Am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IPMZ) haben sich zwei Studien mit der Faszination, der Rezeption und den Wirkungen von Computerspielen beschäftigt. Diese empirischen Studien, die mit rund 1000 Jugendlichen in der Deutschschweiz durchgeführt wurden, stellte Prof. Heinz Bonfadelli, Ordinarius am IPMZ, im Rahmen der Tagung «Unterhaltung. Konzepte, Formen und Wirkungen» vor.

Einsame Erlebniswelten

Der öffentliche Diskurs schwanke zwischen der Kampfansage gegen brutale Computerspiele und einer Katharsistheorie, die davon ausgehe, dass das Spielen Aggressionen abbaue, führte Bonfadelli aus. Auch er selbst beobachte seinen halbwüchsigen Sohn beim Computerspiel mit einer ambivalenten Haltung. Die Konzentration auf das Spiel und das Abschotten gegen aussen schrecke ab. Der Spieler selbst indes löst vielleicht gerade komplexe Aufgaben und verfolgt zusammen mit anderen ein Spielziel.

Computerspiel als soziale Aktivität

Das Bild des einsamen Spielers, der sozial abgeschottet vor sich hin spiele, sei ein Klischee, erklärte Bonfadelli. Computerspielen sei auch soziale Aktivität. So seien gerade interaktive Spiele mit mehreren Spielern derzeit sehr begehrt. Als Beispiel nannte Bonfadelli das Spiel World of Warcraft (WoW), bei dem man im Internet mit Mit- oder Gegenspielern spielt. Jeder Spieler schlüpft in eine Rolle, zum Beispiel Elfe oder Zwerg. Die Unterhaltung dabei ist vergleichbar mit dem Chatten.

Scheinbar abgeschottet, doch über Internet in Kontakt mit Mitspielenden: Computerspiele lassen auch soziale Interaktionen zu.

Mehr als 1,5 Millionen Abonnenten weltweit sind für dieses Spiel registriert. Unter den Computerspielen wird WoW als Strategiespiel eingestuft. Ein Genre, das vom Spieler Entscheidungen verlangt und ihn den Spielverlauf mitbestimmen lässt. Die Strategiespiele liessen soziale und komplexe Interaktionen zu, betonte Bonfadelli.

Ausklinken und abschalten

Die beiden von IPMZ durchgeführten Studien beschäftigten sich unter anderem auch mit der Frage der Gewalt. Laut einer Befragung von Heinz Henner aus dem Jahr 2005 sieht sich die Mehrheit der Spielerinnen und Spieler nicht durch die in den Spielen dargestellte Gewalt beeinflusst. Allerdings geben sie zu bedenken, dass anderen diese schaden könnte. Dieser «Third-Person-Effekt» wird von beiden Studien belegt.

Auf die Frage nach den Spielmotiven geben viele Jugendliche an, dass sie beim Spiel abschalten könnten. Probleme mit Schule und Familie seien vergessen. Nach dem Spiel fühlten sie sich gut gelaunt und abreagiert. Im kognitiven Bereich zeichne sich ein Eskapismus ab, der im affektiven Bereich gute Gefühle bringe, fasst Bonfadelli zusammen.

Von Jungen bevorzugt

Computerspiele sind in der Schweiz weit verbreitet. So besitzen laut einer Studie von Lisa Stark und Daniel Süss aus den Jahren 1999 bis 2004 61% der 6- bis 15-Jährigen einen Gameboy und 35 % eine Spielkonsole. Auffällig ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Von den Jungen besitzen 48% Computerspiele, während es bei den Mädchen nur 22% sind. 43% der befragten Kinder spielen mehrmals pro Woche.

Am häufigsten spielen die 12- bis 14-Jährigen, führte Bonfadelli aus. Nach diesem Alter würden sich die «Vielspieler» von den anderen absplitten. Für einen Teil der Jugendlichen würden im weiteren Verlauf andere Aktivitäten wichtiger, für die «Vielspieler» hingegen stehe das Computerspiel weiterhin im Vordergrund. Hinzu komme noch, dass es für die komplexen Spiele viel Übung brauche, so dass Erfolgserlebnisse zu einem zusätzlichen Motiv werden, weiterzuspielen.