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Tutanchamun - seinem Leben und Sterben auf der Spur

War Pharao Tutanchamun doch nicht ermordet worden, wie in einer These zu seinem Tod bisher behauptet worden ist? Ein internationales Forschungsteam führte in den vergangenen Monaten in Kairo neue Untersuchungen durch Dr. Frank Rühli vom Anatomischen Institut der Universität Zürich war Mitglied der Forschungsgruppe und mit der Interpretation der computertomographischen Aufnahmen beauftragt.
Das Interview führte Adrian Ritter.

Dr. Frank Rühli, Paläopathologe am Anatomischen Institut der Universität Zürich.

unipublic: Bisher war man davon ausgegangen, dass Tutanchamun um 1323 vor Christus ermordet worden war. Worauf stützte sich diese These?

Frank Rühli: Es gab mehrere Theorien über die Todesursache von Tutanchamun. Die in den Medien bekannteste wartatsächlich die, dass er durch einen Schlag auf den Hinterkopf getötet worden sei. Diese Vermutung basierte auf Röntgenaufnahmen der Mumie aus den Jahren 1968 und 1978. Diese zeigten Knochensplitter im Hinterkopf. Andere Theorien sehen die Todesursache beispielsweise bei einer Verletzung im Brustbereich oder behaupten, er sei vergiftet worden.

Weshalb wurde die Mumie nochmals untersucht?

Seit den Röntgenaufnahmen von 1978 hatten keine weiteren Forschungen mehr an der Mumie selber stattgefunden. Mit der Computertomographie bot sich nun die Möglichkeit, genauere Untersuchungen durchzuführen.

Welche neuen Erkenntnisse haben sich dabei ergeben?

Wir konnten zeigen, dass der Schlag auf den Kopf als Todesursache nicht plausibel ist. Der Knochensplitter im Hinterkopf ist nämlich erst nach dem Tod entstanden. Wäre er zu Lebzeiten entstanden, müsste der Knochensplitter in der Einbalsamierungsflüssigkeit eingeschlossen worden sein.

Die bisher häufig vermutete Todesursache Tutanchamuns, ein Schlag auf den Hinterkopf, kann durch die neuen Untersuchungen ausgeschlossen werden.

Woran ist denn Tutanchamun wirklich gestorben?

Abschliessend kann die Frage nicht beantwortet werden. Andere Möglichkeiten einer Ermordung wie etwa eine Vergiftung können mit der Computertomographie im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden.

Deutlicher als bisher ist uns ein Knochenbruch des Oberschenkelsaufgefallen. Allerdings muss auch damals ein solcher Bruch nicht zwingend zum Tod geführt haben. Zudem ist unsicher, ob der Bruch zu Lebzeiten, bei der Einbalsamierung oder noch später entstanden ist. Auch die in den Medien verbreitete Version, dass eine Infektion im Zusammenhang mit dem Knochenbruch die Todesursache ist, bleibt Spekulation.

Dann weiss man also auch jetzt nicht viel mehr als vorher?

Es ging demForschungsteam nicht nur um die Todesursache, sondern auch um die Altersbestimmung und darum, mehr über die Lebensumstände und Krankheiten des Pharaos zu erfahren. Diesbezüglich konnten wir feststellen, dass er grundsätzlich sehr gesund war, also weder an einer schweren Erbkrankheit noch an massivem Vitaminmangel oder dergleichen gelitten hat.

Dass er bereits im Alter von 19 Jahren verstorben ist, ist allerdings aussergewöhnlich. Die Lebenserwartung damals ist zwar nicht mit der heutigen zu vergleichen, aber Ramses II. erreichte rund ein Jahrhundert nach Tutanchamun ein Alter von etwa 90 Jahren. Aufgrund dessen zwangsläufig auf eine Ermordung von Tutanchamun zu schliessen, finde ich zu gewagt. Möglich wäre auch, dass er schlicht an den Folgen einer schweren Durchfallerkrankung gestorben ist.

Wie könnte man die definitive Todesursache herausfinden?

Ich denke, mit nicht-invasiven, also die Mumie nicht beschädigenden Methoden, kommen wir zur Zeit nicht wesentlich weiter. Eine DNA-Analyse könnte allenfalls weiterhelfen, allerdings eher bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse von Tutanchamun. Der Leiter der Forschungsgruppe, der Ägypter Dr. Zahi Hawass, meinte anlässlichder Medienkonferenz, weitere Untersuchungen seien unnötig und man sollte den Pharao jetzt «ruhen lassen».

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie als Zürcher Forscher an der Untersuchung teilnehmen konnten?

Das Forschungsteam bestand aus zehn Ägyptern und drei Ausländern – zwei Italiener und ich. Die Ägypter sind vermutlich über wissenschaftliche Publikationen auf mich aufmerksam geworden. Ich hatte bereits meine Dissertation 1998 über die Untersuchung einer altägyptischen Mumie geschrieben und bin Co-Leiter des «Swiss Mummy Project».

Wie lief die Zusammenarbeit im Forschungsteam ab?

Die Computertomographie-Aufnahmen hatten die Ägypter bereits im Januar gemacht. Die Italiener und ich sind erst Anfang März nach Kairo gereist, um die 1700 Aufnahmen zu begutachten. Unser Auftrag war, eine unabhängige Meinung abzugeben. Das Team war sich allerdings dann ziemlich einig mit den Schlussfolgerungen.

Der Pharao wird also in Zukunft in Ruhe gelassen. Wie geht es in Ihrer Forschungstätigkeit weiter?

Ich bin weiterhin mit dem «Swiss Mummy Project» beschäftigt. In diesem Projekt geht es darum, sämtliche altägyptischen Mumien aus Schweizer Museen paläopathologisch, also auf ihre Krankheiten hin, zu untersuchen. Daneben interessieren uns aber auch die damals verwendeteten Techniken der Mumifizierung.

In Arbeit sind zudem nicht-mumienspezifische Forschungsarbeiten, darunter ein Projekt, bei welchem Skelettuntersuchungen und anderes Auskunft geben sollen über den Lebensstandard in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Im April werde ich zudem Oberassistent und im Laufe des Jahres am Anatomischen Institut eine Forschungsgruppe im Bereich der Paläopathologie und angewandten Anatomie aufbauen können. Falls ich wieder einmal die Möglichkeit habe, in Ägypten eine Mumie untersuchen zu helfen, werde ich sicherlich nicht Nein sagen. Spannende Mumien gibt es noch genug.