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Die Demokratie erneuern

Im neuen Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) «Herausforderungen für die Demokratie im 21. Jahrhundert» untersuchen Politikwissenschaft und Medienwissenschaft gemeinsam den Zustand und die Zukunft der Demokratie. Schwerpunkt-Direktor Hanspeter Kriesi äussert sich zu den Zielen des Programms und freut sich über die Anerkennung der Sozialwissenschaften durch den Entscheid des Nationalfonds.
Das Interview führte Adrian Ritter

Untersucht die Grundlagen der Demokratie im 21. Jahrhundert: Professor Hanspeter Kriesi vom Institut für Politikwissenschaft.

unipublic: Wie kam es zur Eingabe dieses Forschungsschwerpunkts?

Hanspeter Kriesi: Das «Center for Comparative and International Studies» (CIS) ist eine Zusammenarbeit zwischen den Politikwissenschaften an der ETH und der Universität Zürich. Schon vor der Ausschreibung des Nationalfonds hatten wir die Idee eines grösseren Forschungsprojektes zum Thema Demokratie. Als die Ausschreibung des Nationalfonds erfolgte und wir erfuhren, dass auch das Kompetenzzentrum «Globale Informationsgesellschaft» (SwissGIS) der Universität Zürich das Thema Demokratie vorschlägt, lag eine Zusammenarbeit auf der Hand.

Dass Politik- und Medienwissenschaften ein ganzes Forschungsprogramm gemeinsam angehen, ist bisher einzigartig in Europa und eine der grossen Stärken von «Herausforderungen für die Demokratie im 21. Jahrhundert». Da es bei Nationalfonds-Programmen von Vorteil ist, Netzwerke zu bilden – bei den Nationalen Schwerpunktsprogrammen ist es sogar Bedingung –, arbeiten wir mit einem dritten Hauptpartner zusammen, dem «Institut d`Etudes Politiques et Internationales» der Universität Lausanne.

Welche Bedeutung hat der neue Forschungsschwerpunkt für die beteiligten Disziplinen?

Es ist eine gute Gelegenheit sowohl für die Politikwissenschaft wie auch die Medienwissenschaft, ihre diesbezügliche Kompetenz sichtbar zu machen. Die Sozialwissenschaften sind zwar im internationalen Vergleich in der Schweiz unterentwickelt, aber in der Deutschschweiz hat die Universität Zürich in beiden Fächern sicher das grösste Potenzial. Innerhalb der Philosophischen Fakultät haben die Sozialwissenschaften bisher nicht gerade ein hohes Ansehen. Die Anerkennung unserer Forschungskompetenz durch die Schweizer Forschungsförderung ist für unsere Fächer deshalb auch in diesem Rahmen sehr wichtig.

Welche Ressourcen stehen den beiden Disziplinen mit den Forschungsschwerpunkten zusätzlich zur Verfügung?

Dem NFS stehen jährlich rund zweieinhalb Millionen Franken zur Verfügung. Davon werden zwei Drittel vom Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung gestellt, ein Drittel von der Universität Zürich. Rund 70 Prozent davon fliessen in die Universität Zürich. Die Laufzeit des Schwerpunkts beträgt vier Jahre, danach sollten substanzielle Resultate vorliegen und der Nationalfonds wird eine Evaluation vornehmen. Der Schwerpunkt kann dann zweimal um je vier Jahre verlängert werden. Die finanziellen Ressourcen werden es uns auch erlauben, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Innerhalb des Schwerpunkts sind rund 25 zusätzliche Stellen für Doktorierende vorgesehen.

Was ist das Ziel des Forschungsschwerpunkts?

Der Schwerpunkt versteht sich als problemorientierte Grundlagenforschung. «Globalisierung» und «Mediatisierung» der Gesellschaft stellen die Politik vor neue Fragen, auf die Antworten nötig sind, wenn die politischen Institutionen nicht noch mehr Legitimation bei den Bürgerinnen und Bürgern verlieren sollen. Die zunehmende Popularität rechtspopulistischer Parteien zum Beispiel ist ein Zeichen des Vertrauensverlustes in der Bevölkerung. Es besteht auch in der Schweiz eine eigentliche «Malaise» diesbezüglich, wie Umfragen zum Vertrauen in politische Institutionen zeigen.

Woher kommt diese «Malaise»?

Die Bürgerinnen und Bürger haben im Zusammenhang mit dem zunehmenden politischen Einfluss von supranationalen Institutionen wie der EU Angst vor der Aushöhlung ihrer demokratischen Rechte. Die Herausforderung besteht tatsächlich darin, für diese Institutionen neue Formen der Partizipation zu finden. Die Politik sollte die Kritik am «Demokratiedefizit der EU» ernst nehmen. Auch in der Schweiz stellt sich zum Beispiel die berechtigte Frage, obunsere Politik nur noch einen «autonomen Nachvollzug» von EU-Gesetzen betreibt, der als eigenständige Politik dargestellt wird.

Der Forschungsschwerpunkt wird darauf Antworten geben können?

Wir wollen einen Beitrag zur Analyse von aktuellen Fragen der Demokratieforschung leisten und damit auch neue Sichtweisen und Perspektiven ermöglichen, wie unser politisches System funktioniert und vielleicht auch anders funktionieren könnte. Sehr wichtig ist in unserem Schwerpunkt auch der Wissenstransfer, dem vier von insgesamt 17 Forschungsprojekten gewidmet sind.

Unser Ziel ist unter anderem, den Wissensstand der Bürgerinnen und Bürger über unsere Demokratie zu verbessern. Darum wollen wir staatsbürgerliche Lehrmodule für Schulen, aber auch für Journalistinnen und Journalisten entwickeln. Entstehen soll auch ein «Demokratie-Barometer», mit welchem die Qualität insbesondere von fortgeschrittenen Demokratien genauer als mit den bisherigen Instrumenten gemessen werden kann. Ein anderes Projekt widmet sich den Einsatzmöglichkeiten der neuen Kommunikationstechnologien für die Demokratie, der sogenannten E-Demokratie.