Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Genetischer Geschlechterkampf

Erbinformationen können sich unterschiedlich auswirken, je nachdem, ob sie vom Vater oder der Mutter stammen. Am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich wird diese «genetische Prägung» am Beispiel von Kreuzblütlern erforscht. In einer neuen Publikation in «Nature Genetics» wurden soeben neue Erkenntnisse publiziert.
Adrian Ritter

Unterschiedlicher Phänotyp je nach genetischer Prägung: Das Phänomen wurde in den 1960er Jahren erstmals bei der Färbung von Maiskörnern festgestellt. Beim Maiskorn links wurde das entsprechende Allel von der Mutter vererbt, rechts vom Vater.

In den 1960er Jahren war Forschenden in den USA aufgefallen, dass sich die Färbung von Maiskörnern unterscheidet, je nachdem, ob das für die Farbe verantwortliche Gen vom Vater oder von der Mutter vererbt worden war. Dies war der erste Nachweis einer geschlechtsspezifischen Ausprägung eines einzelnen Gens, genannt «genetische Prägung».

Wachstum - hemmen oder fördern?

Beeinflusst von genetischer Prägung ist vermutlich auch das Wachstum des Nachwuchses von Pflanzen und Tieren. Die Forschung zeigte, dass bei Samenpflanzen und fast allen Säugetieren die Mutter alle Nahrung für den wachsenden Samen oder den Embryo bereitstellt und beeinflussen kann, wie viel Nahrung dieser erhält. Dies führt zu einem «elterlichen Konflikt». Das väterliche Erbgut versucht, die Verteilung der mütterlichen Ressourcen so zu beeinflussen, dass bevorzugt die eigenen Nachkommen ernährt werden. Die Mutter jedoch versucht, ihre Ressourcen gerecht an alle Sprösslinge zu verteilen. Väterlich ausgeprägte Gene steigern daher das embryonale Wachstum, diejenigen der Mutter hemmen dieses eher.

Wird als Modellpflanze für die Erforschung der genetischen Prägung verwendet: «Arabidopsis thaliana» (Ackerschmalwand) aus der Familie der Kreuzblütler.

Claudia Köhler, Damian R. Page, Valeria Gagliardini und Ueli Grossniklaus von der Abteilung Entwicklungsgenetik am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich studieren diese Vorgänge am Beispiel der «Arabidopsis thaliana». Die «Ackerschmalwand» gehört zur Familie der Kreuzblütler und wächst vorwiegend in Europa, Asien und Nordamerika. Die bisherige Forschung hatte gezeigt, dass kurz nach der Befruchtung in erster Linie die mütterlicherseits vererbten Gene ihre Wirkung entfalten können.

Gestörtes Gleichgewicht: Im Gegensatz zum normal entwickelten Embryo der Ackerschmalwand (links) wurde im Bild rechts ein wachstumsregulierendes Gen mütterlicherseits inaktiviert, weshalb der Embryo zu gross wurde. Im «elterlichen Konflikt» der Gene versucht die Mutter nämlich, ihre Ressourcen gerecht an alle Sprösslinge zu verteilen.

Ähnliche Mechanismen bei Pflanzen und Tieren

In der Januar-Ausgabe von «Nature Genetics» haben die Forscherinnen und Forscher nun Ergebnisse publiziert, die die Aktivität eines väterlichen Gens beschreibt. «PHERES1» nennt sich das Gen, welches in der Ackerschmalwand möglicherweise an der Regulation der Samengrösse beteiligt ist. Im Gegensatz zu vielen anderen pflanzlichen Genen ist PHERES1 unmittelbar nach Befruchtung vorrangig dann aktiv, wenn es vom Vater vererbt wird. Die Aktivität der von der Mutter vererbten Version des Gens wird durch einen Proteinkomplex (MEA-FIE) verhindert. Diese Ergebnisse zeigen, dass Pflanzen dabei ähnliche Mechanismen zur Regulation der Aktivität der mütterlich oder väterlich vererbten Gene benutzen wie Tiere. Der Mechanismus der genetischen Prägung scheint in der Evolution bei Pflanzen und Tieren unabhängig voneinander entstanden zu sein («konvergente Evolution») und sich in der Entwicklungsgeschichte bewährt zu haben. Bei Pflanzen und Tieren sind dabei auch ähnliche Proteinkomplexe beteiligt.

Der genaue Mechanismus der genetischen Prägung ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Die Forschenden am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich vermuten, dass er aus zwei Elementen besteht: Einerseits aus einer bislang unbekannten Sequenz in der Erbinformation, welche – ähnlich einer Adresse – genetisch geprägte Gene als solche markiert. Und andererseits aus einer Gruppe von Proteinen, welche die markierten Gene entsprechend ihrer elterlichen Herkunft steuert. Dr. Claudia Köhler vom Institut für Pflanzenbiologie ist aber überzeugt: «Die Identifizierung von PHERES1 als einem elterlich geprägten Gen, das durch einen konservierten Proteinkomplex reguliert wird, wird die Erforschung des Prägungsmechanismus sicher stark vorantreiben.»