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Dem Milchfieber auf der Spur

Gegen Ende der Trächtigkeit und kurz nach der Geburt leiden Kühe, Geissen und andere Wiederkäuer oft unter Kalziummangel im Blut. Die Folge: Die Tiere bekommen das so genannte Milchfieber – eine Krankheit, die unbehandelt zum Tod führt. Dr. Annette Liesegang, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierernährung, untersucht die Ursachen der für die Landwirtschaft schwerwiegenden Stoffwechselstörung. Unterstützt wird sie dabei vom Forschungskredit der Universität Zürich.
Felix Straumann

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Untersucht das Phänomen des Milchfiebers bei Ziegen und Schafen: Dr. Annette Liesegang vom Institut für Tierernährung der Universität Zürich.

Wenn Wiederkäuer an zu wenig Kalzium im Blut leiden, bekommen sie das so genannte Milchfieber. Weil ihnen das Kalzium für die Muskeln fehlt, können die Tiere nicht mehr aufstehen. Wegen der Unterversorgung von Nervenzellen werden einige zudem apathisch, andere panisch. Ohne schnelle Behandlung mit einer Kalzium-Infusion führt die Krankheit zum Tod.

Das Milchfieber tritt bei trächtigen Muttertieren gegen Ende der Trächtigkeit und in der ersten Phase gleich nach der Geburt auf. «Die Tiere brauchen das Kalzium während der Trächtigkeit für den Aufbau des Skeletts der Jungen, nach der Geburt in grossen Mengen für die Milchproduktion», erklärt Dr. Annette Liesegang vom Institut für Tierernährung der Universität Zürich. Sie untersucht das Phänomen bei Ziegen und Schafen. Bei diesen kleinen Wiederkäuern liegt der kritische Zeitraum zwischen vier Wochen vor und ein bis vier Wochen nach der Geburt, wobei Schafe weniger davon betroffen sind. «Wir wollen die beiden Tiergruppen vergleichen, um die Krankheit besser zu verstehen», so Liesegang.

Wiederkäuer wie Ziegen, Schafe und Kühe können gegen Ende ihrer Trächtigkeit von den schwerwiegenden Kalzium-Stoffwechselstörungen betroffen sein.

Kalzium-Mangel als Notfall

Die Kalzium-Stoffwechselstörung bei Wiederkäuern ist für die Landwirtschaft ein Problem. Schätzungen zufolge sind beispielsweise bei Kühen rund vier Prozent betroffen. Die Krankheitsfälle sind dabei immer ein Notfall, bei dem der Tierarzt alarmiert werden muss. «Die Diagnose und Behandlung ist für die Landwirte teuer», sagt Liesegang. Die Kalzium-Mangelerscheinungen sind nicht ausschliesslich auf die Landwirtschaft beschränkt. Selten sind auch Wildtiere betroffen. Schwierigkeiten haben vor allem Tiere mit Mehrlingsgeburten, weil da der Kalziumbedarf besonders hoch ist.

Bei Nicht-Wiederkäuern kann das Kalzium in der Regel durch den vorübergehenden Abbau der Knochen relativ effizient kompensiert werden. «Auch bei schwangeren Frauen kann man manchmal einen Knochenabbau feststellen – die Betroffenen haben dann temporär eine leichte Osteoporose», sagt Liesegang. Bei Wiederkäuern scheint dieser Knochenabbau jedoch keine Rolle zu spielen. In früheren Untersuchungen konnte Liesegang keinen Unterschied im Knochenabbau von Kühen mit und ohne Milchfieber feststellen.

Mittels Computertomographie wird die Knochendichte gemessen. Vermutet wird bei Milchfieber ein Problem mit der Kalziumaufnahme im Darm.

Problem liegt vermutlich im Darm

«Wir vermuten, dass bei Wiederkäuern mit Milchfieber die Kalziumaufnahme im Darm das Problem ist», erklärt Liesegang. Diese Hypothese soll ihre Doktorandin Kathrin Riner nun klären. Dazu bestimmt Riner bei Schafen und Ziegen den Knochenauf- und abbau anhand von Markersubstanzen im Blut. Zusätzlich wird im Hinterbeinknochen der Tiere mit Hilfe eines Computertomographen die Knochendichte gemessen. Riner beurteilt zudem indirekt die Kalziumaufnahme durch die Bestimmung der Anzahl spezieller Rezeptoren im Darm. Dabei kommen adaptierte Methoden zum Einsatz, die ursprünglich für die Untersuchung des Knochenstoffwechsels beim Menschen entwickelt wurden.

«Wiederkäuer faszinieren mich enorm», sagt Liesegang. Schon während ihrer Dissertation an der Universität Zürich in den 90er Jahren forschte sie mit Kühen. Bei der Untersuchung des Kalziumstoffwechsels wurde ihr aber klar, dass das Problem bei Kühen nur schwer erforscht werden kann: Das Halten der Tiere ist zu aufwändig und teuer für eine Forschungsstation. «Unsere Weiden sind für Kühe viel zu klein.» Deshalb erforscht sie nun das Milchfieber bei Ziegen und Schafen. Möglich gemacht wurde dies durch den Forschungskredit der Universität Zürich. Liesegang ist froh darüber: «Eine schöne Unterstützung, die uns ermöglicht, den Lohn der Doktorandin sowie etwas Material zu zahlen.»

Felix Straumann ist Wissenschaftsjournalist und Mitarbeiter von unicom.