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Ausstellung

Vom Zusammenleben der Kulturen

Zivilisationsstifter oder Kulturimperialisten? Fest steht: Die griechische Kolonisation führte im antiken Sizilien zum allmählichen Verschwinden der einheimischen Kulturen. Dies und vieles mehr zeigt die Archäologische Sammlung der Universität Zürich in einer lohnenswerten Doppelausstellung. Originale Fundstücke, darunter eine spektakuläre Goldschale, sind erstmals ausserhalb Italiens zu sehen. Zahlreiche Funde stammen aus Zürcher Grabungen.
Sascha Renner

Detail der so genannten Goldphiale 'von Caltavuturo' (Votivschale) mit Bienen- und Eicheldekor, um 330 vor Christus.

Menschentrauben, andächtiges Getuschel. Sie ist die Hauptattraktien des Eröffnungsabends, die fast ein Kilogramm schwere altgriechische Opferschale aus purem Gold. In mehreren Kreisen schmücken Eicheln und Bienen dieses Prachtstück hellenistischer Goldschmiedekunst. Ein Glücksfall, dass es der Öffentlichkeit erhalten blieb: Das illegal ausgeführte Objekt wechselte in New York für 1,2 Millionen Dollar die Hand, bevor es dem italienischen Staat schliesslich gelang, seinen Besitzanspruch auf die Preziose durchzusetzen. Sie konnte 1999 an den Ort zurückgeführt werden, wo sie zur Zeit der griechischen Kolonisation vor beinahe zweieinhalbtausend Jahren zurückgelassen wurde: Sizilien.

Freundschaftliche Beziehungen seit drei Jahrzehnten

Dass das kostbare Stück nun erstmals ausserhalb Italiens zu sehen ist, hat aber noch einen weiteren Grund: die guten Beziehungen, die das Archäologische Institut der Universität Zürich seit über drei Jahrzehnten nach Italien unterhält. 1971 bemühte sich Professor Hans Peter Isler, heute Direktor des Zürcher Archäologischen Instituts, damals junger Assistent, um eine Grabungslizenz in Sizilien. Das ausersehene Gelände, die antike Stadt Iaitas, sollte sich bald als eine der interessantesten sizilischen Fundstätten entpuppen. Mit jährlichen Grabungskampagnen und unzähligen Publikationen in italienischer Sprache verdiente sich das kleine Zürcher Institut in der Folge den Respekt der italienischen Partner. Professor Ulrich Klöti, Prorektor Lehre, unterliess es in seiner Vernissagenrede denn auch nicht, Hans Peter Isler für sein langjähriges Engagement zu danken. Es führe die Vielfalt des an der Universität Zürich Geleisteten eindrucksvoll vor Augen.

Einheimische (vorne) und importierte Amphoren. Die je nach Herkunft unterschiedlich geformten Gefässe stellen ein kostbares Zeignis für das Studium der Handelsverbindungen in der antiken Welt dar.

Die Zürcher Grabungsfunde sind in eine Ausstellung eingebunden, die vor zwei Jahren erstmals in Palermo zu sehen war. Sie trägt den Titel «Das Eigene und das Andere. Griechen, Sikaner und Elymer: Neue archäologische Forschung im antiken Sizilien». Die attraktiv gestaltete Schau thematisiert den intensiven kulturellen Austausch, der das Zusammenleben zwischen den einheimischen Völkern Siziliens einerseits und den griechischen Kolonisten anderseits prägte. Ein Austausch, der im Fall der einheimischen Völker schrittweise zur Aneignung der griechischen Lebensweise und schliesslich zum vollständigen Aufgehen in der übermächtigen Zivilisation führte.

Einheimisches Geschirr und importierte Luxusware

Den grossen Einfluss, den die griechische auf die einheimische Kultur ausübte, veranschaulichen zahlreiche originale Fundstücke. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Entdeckung eines prächtigen Hofhauses (ca. 500 vor Chr.) durch das Zürcher Grabungsteam. Im seinem Zerstörungsschutt haben sich Tongefässe im typischen «Heimatstil» der sizilischen Kulturen gefunden – Seite an Seite mit Geschirren erster Güte aus Athener Produktion. Aber nicht nur das versetzte die Archäologen in Erstaunen. Sie stiessen auf Funde, die den kulturellen Angleichungsprozess direkt erkennen lassen. Dazu gehört etwa ein Krug aus sizilischer Produktion, der zwar das einheimisches Liniendekor aufweist, in der Form aber bereits dem hellenischen Stil nachempfunden ist.

Die zahlreich zu Tagung und Ausstellungseröffnung angereiste italienische Delegation mit ihren Schweizer Partnern.

Eine zweite, im Obergeschoss präsentierte Sonderausstellung mit dem Titel «Aus einer antiken Stadt Siziliens – Die Dekrete von Entella und Nakone» ist thematisch eng an die erste Schau angelehnt. In ihrem Mittelpunkt stehen acht kleine Bronzetafeln, in die Gemeindebeschlüsse eingeritzt sind. Sie geben einen seltenen Einblick in die innere Organisation westsizilischer Städte. So erzählt einer der Texte von den Privilegien, die einer benachbarten Stadt zum Dank für Getreidespenden zugesprochen wurden, unter anderem Rechtsgleichstellung und Einladungen zu Spielen. Die Doppelausstellung – die umfangreichste in der dreissigjährigen Ausstellungspraxis des Instituts – spannt damit einen ausserordentlich weiten kulturhistorischen Bogen. Sie weiss die Besucher mit Goldglanz und Formenreichtum, aber auch mit allerlei Hintergründigem zu begeistern.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung «Das Eigene und das Andere» in der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich, Rämistrasse 73, ist Di–Fr 13–18 Uhr und Sa/So 11–17 Uhr geöffnet. Die Ausstellung «Aus einer antiken Stadt Siziliens» im 1. Obergeschoss ist ganztägig während der Öffnungszeiten des Instituts zugänglich. Zur Ausstellung erscheint ein deutschsprachiger Katalog. Öffentliche Führungen am 10.11., 24.11., 12.1., 26.1., 9.2. und 23.2. jeweils um 18.15 Uhr.

Sascha Renner ist Redaktor von unijournal und unipublic.

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