Navigation auf uzh.ch
Das Kunsthaus blüht, und dies nicht nur mit Blick auf die Besucherzahlen der laufenden Monet-Ausstellung. Eine Fülle bunter Gewächse – von zartgelben Seerosen über Dahlien bis hin zur rot glühenden Canna – hüllte das Museum am Samstagabend in eine sommerliche Blütenpracht. Architekten des kleinen Paradieses sind Peter Enz und seine Mitarbeiter vom Botanischen Garten der Universität Zürich. Nach einem Jahr Vorbereitung und zweitägigem Aufbau lässt sich das Resultat ihrer Arbeit sehen: Ein Wassergarten samt japanischer Brücke und Rosenbogen ziert die neu gestaltete Eingangshalle des Kunsthauses. Die Pflanzenauswahl orientiert sich strikte an den Vorlieben Monets, wie man sie in den Gartenbildern der Ausstellung sieht. «Und es ist alles echt», versicherte Gartenleiter Enz nicht ohne Stolz.
Dass ein solches Unternehmen im garstigen November seine Tücken hat, versteht sich von selbst. Der Gartenprofi musste dafür tief in die Trickkiste greifen. Mit Zusatzlicht im Gewächshaus und 14-Stunden-Tagen ab August verzögerte er die Wachstumsphasen, so dass die Pflanzen erst jetzt zur Blüte gelangten. Den Rollrasen schmücken überdies Ahornblätter, die Enz und sein Team von Hand pflückten – alles, um dem impressionistischen Naturreich des Malers Claude Monet (1840–1926) möglichst nahe zu kommen. Tiefe und Perspektive erzeugte Enz mit diagonal verlaufenden Pflanzungen. Denselben Kunstgriff zur Erzeugung von Räumlichkeit verwendete seinerzeit auch Monet.
Eine Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus habeihn schon lange gereizt, bekennt Enz, der selber eine Schwäche für den Impressionismus hat, «vor allem wegen der Farbenpracht». Auf die Anfrage des Kunsthauses, den monetschen Pflanzenkosmos aus botanischer Sicht zu begutachten, reagierte er deshalb positiv. In seiner Führung durch die Ausstellung erläuterte Enz denn auch allerhand Wissenswertes aus der Ethnobotanik und Biologie. Er wies auf die Symbolhaftigkeit bestimmter Pflanzen hin, die Monet – neben farblich-kompositorischen Erwägungen – als Ausdrucksmittel genutzt haben mochte. Selbst in flüchtigen Farbtupfern und wolkigen Blütenmeeren erkannte der Botaniker noch einzelne Spezien. So muss ein bisher in der kunsthistorischen Literatur als «Holunderbusch» geführtes Gehölz nach Ansicht des Gartenleiters künftig als Maulbeerbaum bezeichnet werden.
Zu Monets Zeit vollzog sich eine bemerkenswerte Veränderung der Gartengestaltung, wie Enz weiter erklärte. Eine Fülle exotischer Pflanzen gelangte damals nach Europa. Besonders Dahlien und Seerosen avancierten Ende des 19. Jahrhunderts zu Modeblumen. Auch in Monets Gemälden sind sie überaus häufig vertreten. Wie die Schau zeigt, orientierte sich der Maler regelmässig an Gartenausstellungen über die neusten Kreationen. «Monet gärtnert wie ein Wilder», berichtete 1890 ein Freund. Die Stationen dieser Leidenschaft machte Enz den Zuhörern an verschiedenen Gemälden deutlich. So wich Monets erster Garten in Argenteuil (1872–1878) noch kaum vom Muster des bürgerlichen Ziergartens ab. In Giverny (1883–1926) zeigt sich der Künstler dann als reifer, souveräner und eigensinniger Gartengestalter. 400'000 Eintritte verzeichnet die Anlage in Giverny heute jährlich – der Garten Monets scheint nicht weniger zu faszinieren als seine bemalten Leinwände.