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10 Jahre Georges-Bloch-Jahrbuch

Schaufenster und Sprungbrett

Zehn Jahre alt und der Kindheit längst entwachsen – wissenschaftlich solide und optisch gediegen präsentiert sich der aktuelle Band des Georges-Bloch-Jahrbuchs des Kunsthistorischen Instituts. Am Mittwochabend wurde er der Fachwelt in einer Jubiläumsfeier vorgestellt. Die Beiträge spannen den Bogen vom Schöngeistigen bis hin zum Brisanten.
Sascha Renner

Soeben erschienen: Der zehnte Band des Georges-Bloch-Jahrbuchs des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich (Detail des Buchrückens)

Bislang farbig, nun in distinguiertem Gold: Die feine Linie, die als minimalistisches Gestaltungselement den Buchumschlag ziert, verbreitet einen Hauch kultivierter Noblesse. Und sie verrätden besonderen Rang des diesjährigen Georges-Bloch-Jahrbuchs. Das stattliche Periodikum des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich erscheint nämlich zum zehnten Mal in Folge. Aus diesem Anlass lud das Herausgeberkomitee am Mittwochabend Freunde, Mitarbeiter und die interessierte Öffentlichkeit zu einer Jubiläumsveranstaltung an die Universität. Der Festvortrag von Dr. Regine Abegg zur spanischen Gotik, der anschliessende Apéro und das zahlreich erschienene Fachpublikum gaben dem Anlass einen würdigen Rahmen.

Anfängliche Skepsis, rascher Erfolg

Dass die Dauerhaftigkeit des Jahrbuchs keineswegs absehbar war, hob Professor Helmut Brinker, Gründungsmitglied des Herausgeberkomitees, in seiner Ansprache hervor: «Die Skepsis war gross, und selbst erfahrene Kollegen gaben dem ehrgeizigen Projekt nur eine kleine Überlebenschance». Doch die Sorgfalt und Beharrlichkeit der Herausgeber hat sich ausbezahlt. Professor Brinker sprach insbesondere Dr. Wolfgang Kersten, Oberassistent am Kunsthistorischen Institut, seinen Dank aus. Unter seiner Leitung habe sich das Jahrbuch innert weniger Jahre zu einem angesehenen Periodikum entwickelt. Im Sinne eines Schaufensters des Kunsthistorischen Instituts zeige es die Qualität der Forschung, die in und um Zürich geleistet werde. Ausserdem komme es der oft gestellten Forderung des Wissenstransfers für die ausseruniversitäre Öffentlichkeit in vorbildlicher Weise nach.

PD Dr. Wolfgang Kersten (links) und Professor Helmut Brinker (rechts), Mitglieder des Herausgeberkomitees des Georges-Bloch-Jahrbuchs, zusammen mit Professor Werner Weber, Verwalter des Georges-Bloch-Fonds.

Seinen Erfolg verdankt das Jahrbuch seiner einzigartigen Konstruktion: Jeder Band vereint hervorragende wissenschaftliche Beiträge aus sämtlichen Gebieten der europäischen und der ostasiatischen Kunstgeschichte. Die thematische Breite spiegelt sich in der Offenheit gegenüber unbekannten und jüngeren Autoren. Sie erhalten Gelegenheit, ihre Ergebnisse – beruhen sie nun auf Seminar- oder Lizentiatsarbeiten – Seite an Seite mit den renommierten Vertretern des Fachs zu präsentieren. Eine wertvolle Chance, hat es doch gerade der Nachwuchs erfahrungsgemäss schwer, sich im konkurrenzorientierten Publikationswesen zu behaupten. Als Sprungbrett kann sich das Jahrbuch auch für die Assistierenden erweisen, die in jährlichem Wechsel das Redaktionsteam verstärken. Man habe der einen oder anderen Karriere wichtige Anschubenergie geben können, resümiert Kersten.

Das Werk eines grosszügigen Gönners

All dies wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die grosszügige Geste eines Mäzens: Georges Bloch (1901-1984), grosser Kenner und Sammler von Picassos Grafik und Ehrendoktor der Universität Zürich. Seinem Legat und dem Wohlwollen von Professor Werner Weber, Verwalter des Georges-Bloch-Fonds, ist es zu verdanken, dass die notwendigen Mittel zur Realisierung des Projekts bereitstanden. Von der Publikationsmöglichkeit machten in den vergangenen zehn Jahren nicht weniger als 111 Autorinnen und Autoren Gebrauch. Der Sammelband erlaubt es ihnen, ihre Forschungsergebnisse rasch und unbürokratisch vorzulegen.

Meret Oppenheims berühmtestes Werk, die «Pelztasse». Die Rezeption ihres Oeuvres untersucht der Beitrag von Wanda Kupper.

Auch in der aktuellen Ausgabe findet sich ein breites Spektrum an Beiträgen. Es reicht von der Rezeption Meret Oppenheims über den Stilbegriff der Gotik bis hin zur Beschreibung einer chinesischen Kopfstütze. Hervorzuheben ist der Aufsatz von Hansdieter Erbsmehl. Der Berliner Wissenschaftler setzt sich mit einem besonders brisanten Thema auseinander: mit der Frage des Kindsmissbrauchs durch die Mitglieder der deutschen Künstlergruppe «Brücke». Erstmals spürt damit ein Autor konsequent dem Verhältnis von Kirchner, Heckel und Pechstein zu ihren minderjährigen Modellen nach. Erbsmehls beklemmender Befund wirft die Frage auf, ob es unter dem Verdacht des Missbrauchs noch zulässig sei, provokative Darstellungen nackter Kinder durch die Kunst zu «heiligen».

Info

Das «George-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich 2002/03» kostet 100 Franken; zu beziehen ist es unter: georges-bloch-jahrbuch@khist.unizh.ch

Sascha Renner ist Redaktor unijournal und unipublic.