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Gott und die Wissenschaft

Woher kommt der Mensch? Ein Theologe und ein Naturwissenschaftler suchten an einer Veranstaltung im Landesmuseum den harmonischen Dialog - und fanden ihn. Mehr, als das Publikum zum Teil erwartet hatte.
Adrian Ritter

von links nach rechts: Prof. Hendrik Kaessmann vom Zentrum für integrative Genomik der Universität Lausanne, Moderator Prof. Ernst Peter Fischer vom Institut für Wissenschaftsgeschichte der Universität Konstanz und Prof. Pierre Bühler vom Institut für Hermeneutik der Universität Zürich: Engagierte und friedliche Diskussion zwischen Theologie und Naturwissenschaft.

Das Landesmuseum versucht in einem Pilotversuch, der Bevölkerung die Naturwissenschaften näher zu bringen: «Der gespiegelte Mensch – In den Genen lesen» heisst die Sonderausstellung, die noch bis zum 16. Dezember 2004 zu sehen ist. In diesem Rahmen finden auch Vorträge und Diskussionsrunden statt.

Am 16. September ging es um die Herkunft des Menschen: «Von Gott geschaffen oder der Ursuppe entstiegen?» Es sei dies eine der ältesten Fragen überhaupt, meinte Gesprächsmoderator Prof. Ernst Peter Fischer vom Institut für Wissenschaftsgeschichte der Universität Konstanz. Als Gesprächspartner begrüsste er Prof. Pierre Bühler vom Institut für Hermeneutik (Theologische Fakultät) der Universität Zürich und Prof. Hendrik Kaessmann vom Zentrum für integrative Genomik der Universität Lausanne.

Schöpfungsgeschichte als Mythos

Naturwissenschaftler gegen Theologe? Darwin gegen die Bibel? Dem muss nicht so sein, wie sich den rund 50 Zuhörenden im Laufe des Abends zeigen sollte. Eine erste Gemeinsamkeit mit seinem Gesprächspartner fand Pierre Bühler in der Arbeitsweise: «Wir sind beide viel am Lesen und Interpretieren.» Statt in den Genen lese er als Theologe vor allem in Texten. Gerade die Schöpfungsgeschichte in der Bibel müsse aber im historischen Kontext verstanden werden. Die historische Rivalität zwischen Theologie und Naturwissenschaft sei wohl darum entstanden, weil der Schöpfungsgeschichte der Status einer (quasi-) wissenschaftlichen Theorie verliehen worden sei. Dies sei aber ein Missverständnis.

Der Schöpfungsgedanke in der Bibel sei nämlich ursprünglich eher eine Hymne an Gott gewesen, als Ausdruck einer Lebenserfahrung. Erst später sei die eigentliche Schöpfungsgeschichte als Erzählung hinzugekommen – und auch diese mehr als Mythos denn als Theorie. Nicht zu vergessen sei auch, dass in der Bibel zwei unterschiedliche Schöpfungsgeschichten erzählt werden: «Es gibt also keine einheitliche Theorie der Schöpfung in der Bibel.»

Aufmerksame Zuhörer im Landesmuseum: Auf der Suche nach Antworten zur Herkunft des Menschen.

Evolution in Stufen?

Anders in den Naturwissenschaften, wo die Evolutionstheorie den Schritt zur weitgehend anerkanntenTheorie geschafft hat. «Mutation» und «Selektion» waren denn auch zentrale Begriffe für Hendrik Kaessmann. Damit erläuterte er dem danach fragenden Theologen etwa die naturwissenschaftliche Sicht, warum die Evolution scheinbar nicht linear, sondern in Stufen verlaufen sei. Auch bei zentralen Entwicklungen zum heutigen Menschen wie etwa dem aufrechten Gang oder dem Spracherwerb sei davon auszugehen, dass zufällige Mutationen einen Selektionsvorteil gebracht hatten und dadurch die Zahl der Nachkommen vergrössert werden konnte.

Nicht naturwissenschaftlich zu erklären ist der Mensch aber für den Theologen Bühler, wenn es um Fragen der Transzendenz geht – das menschliche Wissen darum, dass es eine Grösse gibt, die den Menschen übersteigt. Auch für Naturwissenschaftler Kaessmann ist klar, dass der Mensch nicht allein genetisch erklärt werden kann, wie schon das Beispiel von eineiigen Zwillingen zeige: «Vieles ist von der Umwelt, unserer Erziehung oder etwa auch von unserem Glauben bestimmt.»

Und woher kommt das Universum?

Für Hendrik Kaessmann ist die Erklärungsgrenze der Wissenschaft einerseits bei Sinnfragen erreicht wie: Was ist das Gute im Menschen? Was ist das Wesen der Liebe? Andererseits aber bei Fragen, die durchaus auch von den Naturwissenschaften zu beantworten versucht werden: Woher kommt das Universum? Da stelle sich für ihn die Frage nach dem Göttlichen - wobei klar sei, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine Aussage darüber gemacht werden kann, ob es Gott gibt oder nicht.

Ob es denn in der Evolutionstheorie nichts gäbe, womit er Mühe habe, wurde Pierre Bühler aus dem Publikum gefragt und darauf hingewiesen, wieerstaunlich harmonisch und nett das Gespräch verlaufe. «Wenn der Schöpfungsgedanke etwas über die Wirklichkeit aussagen soll, so wie das die Wissenschaft tut, dann bekommt man schon Streit», so Bühler. Für ihn sei dies aber wie bereits erwähnt nicht der Fall.

Unlogische Evolutionstheorie?

Kritische Fragen aus dem Publikum gab es dann unter anderem von jüngeren Zuhörenden, die an der Logik der Evolutionstheorie zweifelten: Der Zufall bringe doch meist unvorteilhafte Mutationen, wie soll so Evolution entstehen? Warum haben alle Lebewesen dieselbe DNS-Struktur – deutet dies nicht auf Gott als Erschaffer dieses Codes?

Unvorteilhafte Mutationen würden ausselektioniert und nicht weitervererbt, antwortete Hendrik Kaessmann auf die erste Frage. Und für den Code gebe es eine einfache Erklärung: alle Lebewesen haben gemeinsame Vorfahren. Und Pierre Bühler ergänzte aus theologischer Sicht: «Den Gottesbeweis in den Genen suchen? Da bin ich skeptisch.»

Adrian Ritter ist freischaffender Journalist in Zürich.