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Hintergründiges zum «Schwarzen Block»

Alle Jahre wieder kommt es in Zürich nach der 1.-Mai-Feier zu Ausschreitungen. Das Pädagogische Institut der Universität zeigt in einer neuen Studie die Hintergründe dieses Phänomens auf.
David Werner

Wer sind sie eigentlich, die «Kinder vom Helvetiaplatz», die Jahr für Jahr pünktlich nach der offiziellen 1.-Mai-Demonstration ihr Randale-Ritual im Zürcher Kreis 4 zelebrieren? Was treibt sie an? Bisher gab es darüber nur Vermutungen. Von einem «Schwarzen Block» war die Rede, dann auch von wildgewordenen «Secondos». Im Auftrag der Stadt hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Reinhard Fatke und Barbara Fontanellaz und unter Mitarbeit von Bettina Grubenmann, Myriam Rutschmann und Dr. Thomas Gabriel eine Auswahl von fünfundreissig Teilnehmenden der Nachdemonstration 2002 nach ihren Motiven, ihrer Herkunft und ihrer politischen Orientierung befragt.

Kontakte über die Polizei

«Wie man sich denken kann, war es nicht ganz einfach, an die Akteure heranzukommen», sagt Prof. Reinhard Fatke. Unter strikter Wahrung der Datenschutzbestimmungen konnten Kontakte über die Polizei, aber auch mit Hilfe von Sozialarbeitern und Jugendpfarrern hergestellt werden. Am Ende wurden 35 ausgefüllte Fragebögen und 13 Interviews ausgewertet. In quantitativer Hinsicht ist die Studie zwar nicht repräsentativ, dank der qualitativen Vertiefung durch die Interviews wurde jedoch ein breites Spektrum von Verhaltensmustern und Einstellungen unter den Demonstranten ermittelt.

Politisch interessierte Randalierer

Überraschend sind die ausgeprägten politischen Interessen der Randalierer. 82,9 Prozent der Befragten haben angegeben, sich für Politik zu interessieren. Ihr Hauptmotiv liegt gemäss der Studie nicht im puren Erlebniswert blindwütiger Zerstörung, auch wenn eine Selbst- und Spassbezogenheit das Protestverhalten sicherlich mit beinflusst. «Es fällt auf, dass insgesamt ein deutliches Bewusstsein hinsichtlich der Zukunftsprobleme der Gesellschaft vorhanden ist», heisst es im Forschungsbericht.

Ebenso viele Rechte wie Linke

Breiter als erwartet ist auch das politische Spektrum unter den Randalierern: Es reicht von ganz links bis ganz rechts. Eine übergreifend «linke» Orientierung konnte nicht festgestellt werden; die Zahlen sprechen eher für eine Polarisierung zwischen einzelnen Jugendkulturen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, eine liberale bis rechte Haltung zu vertreten; 29 Prozent bekannten sich zu einer eindeutig rechtslastigen Orientierung. Hinzu kommen noch die politisch schwer einzuordnenden Migranten: Im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung im Kanton Zürich (22 Prozent) waren Jugendliche aus Migrantenfamilien leicht überproportional an der Nachdemonstration 2002 beteiligt. (Bei den von der Polizei Festgenommenen beträgt der Ausländeranteil 26,8 Prozent.)

Aehnliche Grundmotive

Die Studie zeigt: Von einer geschlossenen Krawallszene kann keine Rede sein, von einer einheitlichen politischen Stossrichtung schon gar nicht. Doch wie auch immer sich die Befragten in ihrer Werthaltung voneinander unterscheiden – in ihren Grundmotiven sind sie sich durchaus ähnlich: Verunsicherung, Suche nach Identität und Anerkennung, mangelnde gesellschaftliche Integration – all das ist bei Autonomen, Skins oder Migranten gleichermassen anzutreffen. Mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Politik für Anliegen der Jugendlichen und mehr politische und gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten, das ist es, was sich die meisten der Befragten wünschen.

David Werner ist Redaktor des unijournals.

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