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Doch sie wissen, was sie tun

Karriereplanung ist kaum ein Thema unter den Jusstudierenden. Trotzdem sammeln die meisten gezielt Erfahrungen für den Beruf.
Markus Binder

Als wäre es unanständig: Das Wort «Karriereplanung» nehmen die Jusstudentinnen und -studenten nicht gerne in den Mund. Niemand gibt vor, karrierebewusst zu sein. Und trotzdem bemühen sich die meisten, während des Studiums auf Anwaltskanzleien oder Gerichten Erfahrungen zu sammeln und Juristen kennenzulernen.

Tamara Berchtold: «Ich konzentriere mich vorerst auf den Abschluss, dann schaue ich weiter.»

Zum Beispiel Tamara Berchtold, 23 Jahre alt. Sie studiert im 7. Semester Jus. Schon während der «Kanti» wusste dieKüsnachterin, dass dies ihr Studienfach sein würde. Nicht weil sie den Anwaltsberuf vor Augenhatte, sondern weil sie sich schon damals für das Rechtswesen interessierte. Heute allerdings weiss sie, dass sie Anwältin werden will. Doch gezielt steuere sie nicht darauf zu. «Ich konzentriere mich vorerst auf den Abschluss, dann schaue ich weiter.» Das ist verständlich, denn auf den Internetseiten grösserer Anwaltskanzleien werden ein «überdurchschnittlicher akademischer Abschluss» oder «ausgezeichnete fachliche Fähigkeiten» gefordert. Doch auch wenn Berchtold glaubt, sie sei nicht besonders karrierebewusst, so hat sie doch schon einiges unternommen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, wie viele aus ihrem Freundeskreis auch. Berchtold ist 20 Prozent in einer Wirtschaftskanzlei tätig. «Das ist eine gute Erfahrung, ich sehe, wie ein Anwalt arbeitet und lerne die Abläufe in einer Kanzlei kennen.» Zudem war sie auch schon Hilfsassistentin an der Universität. Von Planung möchte sie aber nicht sprechen: «Beides waren Chancen, die ich gerne wahrgenommen habe.» Was aber wiederum nicht heisse, dass sie nicht doch plane. Nach dem Abschluss möchte sie am liebsten im Ausland ein Nachdiplomstudium absolvieren. «Erfahrungen im Ausland» werden von den meisten Kanzleien ebenfalls gefordert.

Andrea Caroni: «Ich möchte so lange wie möglich Generalist bleiben.»

Argumentieren als Beruf

Oder Andrea Caroni, 22 Jahre alt. Er studiert im 5. Semester Jus und dachte schon in der Primarschule daran, Jurist zu werden. «Weil ich gerne das Argumentieren zum Beruf machen möchte.» Aber auch, weil er Freude an der Sprache habe, das Jusstudium viele Möglichkeiten eröffne und eng mit anderen Wissenschaften, wie Geschichte oder Wirtschaft verknüpft sei. Auch Caroni hatte kein Berufsbild vor Augen, als er mit dem Studium begann. Und er hat es immer noch nicht: «Ich möchte so lange wie möglich Generalist bleiben.» Oder anders gesagt, er kann sich viele Berufe und Tätigkeitsfelder vorstellen: Völkerrechtler, Diplomat zu sein etwa oder eine Anstellung in einer Internationalen Organisation anzutreten. Vielleicht macht er auch ein Nachdiplomstudium in Wirtschaft, um in der Privatwirtschaft einzusteigen. Oder er wird Politiker - Caroni sitzt in seiner Heimatgemeinde Grub in Appenzell Ausserrhoden für die FDP in der Rechnungsprüfungskommission.

Wer gern argumentiert, wird nach dem Jusstudium wohl am besten Anwältin oder Anwalt. Doch auch andere Berufe sind möglich, meinen Jusstudierende.

Nur Anwalt möchte er eher nicht werden. Auch Caroni sagt, er verfolge nicht gezielt eine Karriere. Aber er weiss genau, was ihm später einmal nützlich sein wird. Sprachen zum Beispiel. Caroni besucht in den Semesterferien deshalb Sprachkurse im Ausland. Einmal hat er in den Semesterferien auch ein Praktikum bei einem Anwalt gemacht und hätte sogar die Möglichkeit gehabt, während des ganzen Studiums in einer Kanzlei zu arbeiten. Doch er lehnte ab. Er hätte zu viel arbeiten müssen und nicht mehr breit genug studieren können. Nun freut er sich, dass er am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg ein Praktikum absolvieren kann. Auch das als Vorbereitung für die Internationalen Beziehungen. «Eigentlich sollte ein Praktikum obligatorisch sein», findet Caroni, vor allem auch, weil man nur so die Rechtswissenschaft lebendig erlebe.

Und was meinen jene, die schon abgeschlossen haben? Benedikt Schmidt undOliver Schutte sind beide 28 Jahre alt und lernen zur Zeit für die Anwaltsprüfung. Karriereplanung wollen beide nicht betrieben haben, obwohl beide während des Studiums im Ausland waren, Schmidt in Paris und Schutte in Florida. «Ich wusste, dass ich irgendwann einmal im Ausland gewesen sein muss, um in einer international tätigen Kanzlei eine Chance zu haben», sagt Schutte. Der Weg zum Anwaltspatent sei sowieso vorgegeben: erfolgreiches Studium - einjähriges Anwalts- oder Gerichtspraktikum - Anwaltsprüfung. Eine Planung erübrige sich deshalb weitgehend. Erübrigt sich auch eine Diskussion darüber während des Studiums? Offenbar schon. Alle vier haben mit ihren Studienkollegen kaum über ihre Berufsziele gesprochen. Aber alle vier haben gezielt etwas für ihren Beruf getan.

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