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Experten der Universität zur neuesten SARS-Erkenntnis

Das SARS-Virus gehört zur Familie der Coronaviren. Das haben letzte Woche Forscherteams aus den USA, Asien und aus Deutschland herausgefunden. Was bedeutet diese neuste virologische Erkenntnis für das UniversitätsSpital und für die Forscher der Universität Zürich? unipublic hat herumgefragt.
Brigitte Blöchlinger

In Hongkong gelten hohe Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit SARS.

Coronaviren sind vor allem als Erreger von schweren Magen-Darm-Infekten und von Lungenentzündungen beim Tier bekannt, gab letzten Freitag die Süddeutsche Zeitung die neusten Erkenntnisse weiter, die in der Fachzeitschrift «New England Journal of Medicine» publiziert worden waren. Bei Menschen lösen ähnliche Viren lediglich leichte Erkältungen und Entzündungen der oberen Atemwege aus. Schwere Erkrankungen durch Coronaviren seien beim Menschen bislang nicht aufgetreten - mit Sicherheit aber nicht weit verbreitet, berichteten die Wissenschaftler.

Auch die Virologin Prof. Karin Moelling von der Universität Zürich sieht die Klassifizierung des Virus als Ursache von SARS als sehr wahrscheinlich an. «Bei 50 von 100 schweren SARS-Fällen konnte ein Coronavirus nachgewiesen werden», erklärte Moelling auf Anfrage von unipublic. «Das SARS-Virus ist vermutlich ein Mittelding zwischen einem Bronchitisvirus der Katze und einem Hepatitisvirus der Maus, und zu fünfzig Prozent etwas Neues, Unbekanntes», führte Moelling weiter aus.

Ohne klinische Fälle keine Forschung

Der Infektiologe und leitende Arzt Prof. Christian Ruef ist am UniversitätsSpital Leiter der Spitalhygiene und damit zuständig für sichere Bedingungen bei der Betreuung allfälliger SARS-Patienten. «Bis Freitag [11. April 03]wurden zwei Verdachtsfälle ins Unispital eingewiesen», gab er unipublic Auskunft, «bei beiden hat sich die SARS-Diagnose nicht bestätigt, so dass sie bereits wieder entlassen werden konnten.»

Die neuste Erkenntnis, dass SARS eine Variante der Coronaviren ist, hat für die Klinik vorerst nur indirekte Auswirkungen. «Zum einen ist es beruhigend, zu wissen, was genau es ist», erklärt Ruef, «zum andern kann nun in der Diagnostik darauf aufgebaut werden.» Die zuständigen Labors in Genf und St. Gallen würden versuchen, die Diagnostik zu optimieren, ist Ruef überzeugt. Da die Behandlung mit SARS vom Bund koordiniert wird, testet das UniversitätsSpital nicht selbst auf SARS, sondern schickt die Proben an die vom Bundesamt für Gesundheit bestimmten Labors.

Dass am UniversitätsSpital bisher keine SARS-Fälle hospitalisiert wurden, ist positiv. Doch hat diese erfreuliche Tatsache den Nebeneffekt, dass die Wissenschaftler über keine Proben verfügen, die das Virus enthalten würden, und deshalb bisher nicht dazu forschen konnten. Doch sobald das SARS-Testverfahren (Real-time PCR) gut entwickelt sei,so Ruef, werde das dem UniversitätsSpital den Einstieg in die epidemiologische SARS-Forschung ermöglichen, da dann auch Fälle untersucht werden können, die nicht das «Vollbild» von SARS aufweisen: beispielsweise bei Heimkehrern aus Asien, die Fieber, aber keine Lungenentzündung haben.

SARS ist nun als ein Coronavirus identifiziert.

Wissenschaftlich einen grossen Schritt weiter

Sollte SARS ein Coronavirus sein, sei man wissenschaftlich einen grossen Schritt weiter, findet auch der Leiter «Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten» des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich, Prof. Robert Steffen. In der Praxis ändere sich allerdings vorerst nichts, denn die präventiven Massnahmen würden genau die gleichen bleiben wie bisher.

«Interessant wird es, wenn man hieb- und stichfeste Laboruntersuchungen hat, die das Corona-Virus bestätigen können. Und noch interessanter, wenn man einen Impfstoff dagegen hat», betont Steffen. Bei den Labortests müssen noch die Sensitivität und Spezifität verbessert werden, und auf den Impfstoff muss die Welt Steffens Ansicht nach «noch mehrere Jahre warten».

Vorgehen wie bisher

Beim Grenzschutz und am Flughafen werden die neusten virologischen Erkenntnisse zu SARS vorerst keine praktischen Auswirkungen haben, führt der Epidemiologe Steffen weiter aus. Nach wie vor werden ankommende Passagiere mittels Fragebogen über SARS informiert. Wenn an Bord eines Flugzeuges ein Passagier mit SARS-Symptomen auffällt, meldet die Besatzung den Vorfall, das Flugzeug wird zu einem speziellen Standplatz gefahren, wo die Sanität den Patienten herausnimmt und ein Arzt ihn untersucht; unterdessen füllen die anderen Passagiere einen Fragebogen aus, insbesondere darüber, wo sie bei Bestätigung des Verdachts in den nächsten 14 Tagen zu erreichen wären; ausgerüstet mit einem Infoblatt kann die Reise dann weitergehen; der Patient werde in die Isolierstation des UniversitätsSpitals Zürich evakuiert, fasst Steffen die nach wie vor gültigen Massnahmen am Flughafen Zürich zusammen.

Vergleich mit Grippe hinkt

Obwohl in der Schweiz die Bedrohung durch SARS derzeit klein und bisher niemand daran gestorben ist, ist das Virus nicht zu unterschätzen. Der Vergleich mit dem Grippevirus, das jährlich zwischen 400 und 1000 Tote fordere, funktioniere jedoch nicht, betonte Steffen, denn diese Sterberate komme zustande aufgrund von Hunderttausenden bis einer Million Erkrankter - was in der Bevölkerung eine Letalität durch das Grippe-Virus von unter 0,1 Prozent ergebe. Bei SARS müsse man jedoch von einer 50-mal höheren Letalität ausgehen (ca. 3 bis 5 Prozent Sterberate).

Restriktive Massnahmen weiterhin nötig

Der Umstand, dass in Vietnam und in Singapur die SARS-Epidemie eingedämmt werden konnte (in Singapur sei die Epidemie in einem zweiten Spital jedoch nochmals aufgeflammt), zeige, dass SARS mit sehr restriktiven Massnahmen beizukommen sei, findet Steffen. Entscheidend werde jedoch sein, ob China und Hongkong eine genügend gute Eindämmungspolitik betrieben. Falls das nicht der Fall sei, müsse mit einer weltweiten Ausbreitung von SARS gerechnet werden. «Dann müssen wir irgendwann mit SARS leben lernen», so Steffen.