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Internationale Beziehungen

«Eine starke Stimme in Europa»

UZH-Rektor Michael Schaepman wurde zum neuen Vorstandsmitglied der League of European Research Universities (LERU) gewählt. Im Interview erklärt er, welche Ziele die UZH in diesem Netzwerk führender europäischer Hochschulen verfolgt.
Interview: David Werner

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Die 24 Universitäten der LERU (von links oben nach rechts unten): Utrecht University, Universität Heidelberg, Sorbonne Université, Universität Freiburg, Université de Strasbourg, KU Leuven, Université Paris-Saclay, Trinity College Dublin, University of Barcelona, ETH Zürich, Universität Zürich, Leiden University, Lund University, University of Cambridge, Imperial College London, Universität München (LMU), University of Copenhagen, University of Oxford, University of Edinburgh, University College London, University of Milan, Université de Genève, University of Amsterdam, University of Helsinki. (Animation: Pascale Albrecht)

Herr Schaepman, was motiviert Sie zu Ihrem Engagement in der LERU?

Michael Schaepman: Die UZH ist seit 2006 Teil der LERU, zu der heute 24 führende europäische Hochschulen zählen, darunter als weitere Schweizer Hochschulen die Universität Genf und seit 2024 auch die ETH Zürich. Die LERU-Universitäten tauschen Wissen aus und lernen voneinander. Sie teilen gemeinsame Werte, verfolgen ähnliche Ziele und haben zusammen eine starke Stimme in der europäischen Forschungs- und Bildungspolitik. Die Schweiz ist geographisch ein Teil von Europa, aber nur zum Teil integriert in die EU. Daher ist es für die UZH von grösster Wichtigkeit, an die europäische Forschungslandschaft – und über diese auch an die EU – angebunden zu sein. Ich sehe meine Aufgabe im Leitungsgremium der LERU darin, die Forschung und Lehre innerhalb des Netzwerks der LERU-Universitäten sowie in Europa insgesamt weiterzuentwickeln. 

Warum ist die LERU für die UZH wichtig?

Schaepman: Die UZH ist seit jeher eng in die europäische Forschungs- und Bildungslandschaft eingebunden. Die LERU hilft uns dabei, die UZH als Schweizer Universität innerhalb des Europäischen Forschungsraums weiterhin gut und sichtbar zu positionieren. Ebenso erfahren wir aus erster Hand, was die EU-Kommission bewegt und wohin sich die Strategie der Kommission entwickelt. Auch hier ist im Moment sehr viel im Fluss.

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Die LERU hilft uns dabei, die UZH als Schweizer Universität innerhalb des Europäischen Forschungsraums weiterhin gut und sichtbar zu positionieren.

Michael Schaepman
UZH-Rektor und neu Vorstandsmitglied der LERU

Welche Rolle spielt die LERU in der europäischen Bildungs- und Forschungspolitik?

Schaepman: Die LERU ist praktisch der einzige Verein in Europa, der dank seinem Impact und seinem Science-Policy Interface direkten Einfluss auf die EU-Kommission und das Parlament der EU hat. Die LERU wird gehört, dank ihrer Fähigkeit, den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in ganz Europa zu fördern. Unsere Mitwirkung in der LERU ermöglicht es uns, wertvolle Einblicke in bildungs- und forschungspolitische Entwicklungen in vielen verschiedenen Ländern Europas zu gewinnen und europaweit Kontakte zu pflegen. Ebenso bieten wir mit und für die LERU in der Schweiz diverse Veranstaltungen zu momentanen Herausforderungen im Hochschulumfeld an und veranstalten regelmässige Treffen, an denen Partnerinstitutionen sowohl aus der Schweiz als auch aus der EU teilnehmen.

Welche Ziele verfolgt die UZH auf europäischer Ebene?

Schaepman: Wir wollen gemeinsam mit unseren 23 Partnerhochschulen die Forschung und Hochschulbildung in Europa stärken. Ein konkretes Anliegen in diesem Zusammenhang ist die volle und gleichberechtigte Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen. Die LERU unterstützt uns dabei. An der UZH sind auf allen Stufen Zusammenarbeit und Austausch mit unseren Partnerhochschulen im Gang. Dabei legen wir den Fokus auf den sogenannten «peer exchange», den stufengerechten und dienstleistungsorientierten Austausch. In Zeiten des beschleunigten Wandels und angesichts limitierter Finanzen wurde dieser Austausch auf Augenhöhe viel zu lange vernachlässigt.

Gibt es ein Kernanliegen, das die LERU-Hochschulen verbindet?

Schaepman: Unser wichtigstes gemeinsames Anliegen ist eine starke und unabhängige Grundlagenforschung. Die wertfreie Grundlagenforschung steht am Anfang jeder Wertschöpfungskette in Forschung und Entwicklung und ist unverzichtbar für jede Art von gesellschaftlicher Innovation. Ihre Bedeutung wird häufig unterschätzt, weil sich kaum vorhersehen lässt, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erfolgreichen Patenten oder Firmengründungen führen. Umso wichtiger ist es, auf die fundamentale Bedeutung der Grundlagenforschung hinzuweisen und sich bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern für sie einzusetzen.

Aktuell werden in der europäischen Forschungspolitik wichtige Weichen gestellt: Die EU-Kommission hat sich Ende 2024 neu formiert, der Finanzrahmen der EU für den Zeitraum von 2028 bis 2034 wird ausgehandelt und das Nachfolgeprogramm von Horizon Europe vorbereitet. Dabei wird auch entschieden, wie zukünftige Fördergelder verteilt werden. Die LERU setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Forschung in Europa künftig nicht nur auf die angewandte, d.h. nutzenorientierte Forschung reduziert wird. Dieses Anliegen eint alle LERU-Forschungsuniversitäten, und gemeinsam gestalten wir die europäische Forschungs- und Bildungslandschaft aktiv mit.

Welche weiteren Anliegen beschäftigen die LERU?

Schaepman: Das Spektrum hochschulpolitischer Themen, zu denen sich die LERU-Universitäten in verschiedenen Arbeitsgruppen austauschen, ist sehr gross: Dazu gehören Autonomie, Leadership, Open Access, digitale Lehre, wissenschaftliche Integrität, Innovation und Nachhaltigkeit – um nur einige zu nennen.

Ist auch die globale Zusammenarbeit in der Forschung ein Thema in der LERU?

Schaepman: Die globale Forschungszusammenarbeit ist für die LERU derzeit besonders wichtig, weil sie mit wachsenden Herausforderungen verbunden ist. Für die internationale Wissenschaft ist der freie Zugang zu Wissen essenziell. Dabei zeichnet sich exzellente Wissenschaft dadurch aus, dass sie eine möglichst grosse Diversität an Datenquellen und Forschungsansätzen berücksichtigt. Damit dies gelingt, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie beispielsweise die allgemeine Verfügbarkeit wissenschaftlicher Daten. Leider aber machen die zunehmenden geopolitischen Spannungen die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit immer komplexer. Staaten nehmen vermehrt Einfluss auf die Forschung, definieren nationale Schwerpunkte und schränken Kooperationen ein oder versehen sie mit Auflagen. Für Universitäten wird es somit anspruchsvoller, ihre Unabhängigkeit zu wahren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben. Eigenverantwortlich auf internationaler Ebene zu agieren und dabei ethische, rechtliche und politische Aspekte zu berücksichtigen wird in Zukunft noch schwieriger werden. Die LERU-Universitäten unterstützen sich in dieser herausfordernden Situation gegenseitig, insbesondere in den Bereichen Wissenssicherheit und Wahrung nationaler Interessen. Besondere Sensibilität erfordern auch die Entwicklungen im Bereich von Dual-Use, da die Grenzen zwischen militärischen und zivilen Anwendungen immer durchlässiger werden. 

Die UZH engagiert sich auf europäischer Ebene nicht nur in der LERU, sondern seit 2022 auch in der Hochschulallianz Una Europa. Wie ergänzen sich diese beiden europäischen Hochschulnetzwerke?  

Schaepman: Wir setzen in den verschiedenen Netzwerken unterschiedliche Schwerpunkte. Während in der LERU für uns die Gestaltung hochschulpolitischer Rahmenbedingungen sowie der Einfluss auf die EU-Kommission im Mittelpunkt stehen, engagieren wir uns bei Una Europa primär für die Entwicklung und die praktische Umsetzung zukunftsweisender interdisziplinärer und internationaler Forschungs- und Lehr-Formate. Beispiele sind der Una Europa Joint Bachelor of Arts in European Studies oder das gemeinsame Doktoratsprogramm in Cultural Heritage.

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf das dritte grosse internationale Hochschulnetzwerk, an dem sich die UZH beteiligt: Seit Mai 2024 vertreten Sie, Herr Schaepman, die UZH im achtköpfigen Executive Committee des Hochschulnetzwerks Universitas 21. Worin besteht der Nutzen dieses Netzwerks für die UZH?

Schaepman: Das U21-Netzwerk nutzen wir vornehmlich, um mit führenden Forschungsuniversitäten in Asien, Australien, Afrika sowie in Nord- und Südamerika zusammenzuarbeiten. U21 ist global ausgerichtet und ergänzt damit die europäischen Netzwerke LERU und Una Europa ideal.