Navigation auf uzh.ch
Welchen Einfluss haben soziale Medien auf die Gesellschaft, die Demokratie und den Journalismus? Fragen wie diese war ein gut besuchtes Podium in der Aula der Universität Zürich gewidmet. Eingeladen hatte die Zürcher Studierendenzeitung anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens.
Wie problematisch die Auswirkungen von Online-Plattformen sein können, verdeutlichte die Journalistin und Aktivistin Anna Rosenwasser, die sich in sozialen Medien oft zu feministischen und queeren Themen äussert und dabei mit zahlreichen «Haters» konfrontiert wird. In ihrer Republik-Kolumne schrieb sie kürzlich: «Meine Social-Media-Feeds zerreissen mich fast.» Auf dem Podium gab sie sich jedoch gelassener: «Das ist Teil meines Berufs.» Sie müsse damit klarkommen, dass sie vielen Menschen als Projektionsfläche diene. Sie verweise aber so oft wie möglich auch auf andere Quellen, um die Projektionen auf mehrere Schultern zu verteilen.
Auch Marko Kovic muss in den sozialen Medien oft einstecken. Der Kommunikationswissenschaftler vertritt jedoch auch selbst pointierte Meinungen auf Twitter und anderen Kanälen und legt sich mit Andersdenkenden an. In den Medien ist er vor allem als Experte für Verschwörungstheorien präsent. «Auch Männern schlägt oft Wut entgegen», stellte Kovic klar. Mitunter erhält er Posts mit mehr oder weniger deutlichen Drohungen – zum Beispiel, dass er demnächst nachts Besuch erhalten werde. Dennoch gewinnt er den sozialen Medien hauptsächlich Positives ab: «Die Möglichkeit, dass sich alle beteiligen können, ist eine grosse Bereicherung.»
Linards Udris ist sich bewusst, dass es auf Social Media zuweilen harsch zu und her gehen kann: «Da treffen Gegner direkt aufeinander, und das kann zu Verhärtungen führen», erklärte der stellvertretende Forschungsleiter des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) an der Universität Zürich. Doch hitzige Debatten habe es auch früher schon gegeben, gab er zu bedenken, worauf Rosenwasser einwarf: «So viele schlimme Nachrichten, wie ich online kriege, erhalte ich offline zum Glück nicht.»
Udris sieht in den neuen digitalen Medien aber auch viele Chancen: Junge Menschen und auch Personen, die wenig informiert sind – sogenannte Newsdeprivierte – erreiche man über soziale Medien noch am ehesten – falls überhaupt. Und diese Gruppe wachse besorgniserregend: Waren es bei einer Studie von 2009 noch rund zwanzig Prozent der Bevölkerung, so weisen neuere Untersuchungen auf bereits vierzig Prozent hin – darunter überdurchschnittlich viele jüngere Menschen.
Genau diese Gruppe versucht Lea Bloch mit dem Format SRF Impact zu erreichen. Dabei handelt es sich um rund fünfzehn Minuten lange Dokumentationen zu relevanten und ansprechenden Themen wie etwa Designerdrogen, Staatverweigernden oder die Haltbarkeit von Lebensmitteln. «Für uns ist YouTube sehr wichtig, um unsere Zielgruppe zu erreichen», antwortete die Journalistin auf die Frage von Co-Moderatorin Anahí Frank, ob alternative, weniger kommerzielle Plattformen eine Option seien. In den Kommentarspalten werde oft angeregt diskutiert, sagte Bloch. «Das ist toll.»
Co-Moderator Lukas Heinser lenkte die Diskussion auf den Aspekt des Clickbaiting. Gemeint ist damit das Zuspitzen und Skandalisieren, um Klicks zu generieren. Clickbaiting, betonte Linards Udris, werde nicht nur in sozialen Medien, sondern auch von seriösen Publikumsmedien betrieben. Anna Rosenwasser bedauerte diese Entwicklung: «Als Mensch mit einer Angststörung versuche ich, alarmistischen Schlagzeilen auszuweichen», sagte die SP-Nationalratskandidatin. Sie konsumiere nur wenige News. Emotionalisierende Berichterstattung nutze die Tatsache aus, dass wir auf Gefahren und Probleme mehr anspringen als auf Positives. Lea Bloch von SRF-Impact ergänzte: «Ein Titel muss zeigen worum es geht und darf keine falschen Versprechungen machen.»
Zum Schluss der Debatte ging es darum, wie soziale Medien besser reguliert werden könnten, und wie sinnvoll das überhaupt wäre. Linards Udris ist der Meinung, dass die Betreibenden der Plattformen noch stärker in die Pflicht genommen werden müssten. Zudem brauche es transparente Kriterien, welche Inhalte toleriert und welche gelöscht werden. Als wichtigstes Mittel für qualitativ hochwertigen Journalismus sieht er aber die Medienförderung: «Auch nicht-kommerzielle Plattformen sollten Geld erhalten, damit sie nicht so stark auf Klicks angewiesen sind.»