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Zusammenschluss

Citizen Science startet durch

Das Citizen Science Center und die Partizipative Wissenschaftsakademie haben diesen Sommer fusioniert. Die Bürger:innenwissenschaft gewinnt dadurch an Schlagkraft. Die Folgeorganisation Citizen Science Zürich lädt nächsten Dienstag zum Tag der Offenen Tür.
Stefan Stöcklin

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Im Seed-Grant-Projekt «Beweisstück Unterhose» erforschten Citizen Scientists höchst erfolgreich die Bodenvitalität anhand der Kompostierung vergrabener Unterhosen. (Bild: zVg)

Vor sechs Jahren gründete die UZH zusammen mit der ETH das Kompetenzzentrum Citizen Science, ein Jahr später folgte die Partizipative Wissenschaftsakademie. Seither förderten die beiden Initiativen je unter ihrem Namen das Feld der Citizen Science oder Bürger:innenwissenschaft. Die einen mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung digitaler Tools und Apps, die anderen mit dem Fokus auf der Entwicklung partizipativer Projekte, Summer Schools und Workshops.

Seit Beginn haben die beiden Fachstellen zusammen gearbeitet, nun haben sie sich im August zu einer Institution vereint. «Der Schulterschluss des Kompetenzzentrums und der Akademie ist ein logischer Schritt, denn unsere Aktivitäten ergänzen sich ideal und sind komplementär», sagt Olivia Höhener, Leiterin der Geschäftsstelle «Citizen Science Zürich», wie das neue Zentrum heisst.

Portrait Höhener

Wir sind dank dem Zusammenschluss schlagkräftiger geworden und können unsere Kompetenzen besser einsetzen.

Olivia Höhener
Leiterin Geschäftsstelle Citizen Science Zürich

Höhener betont, dass der Zusammenschluss ohne Entlassungen durchgeführt werden konnte, allerdings hätten manche Aufgaben neu definiert werden müssen, was von den Mitarbeitenden Einiges an Flexibilität einforderte. Dafür konnten Doppelspurigkeiten aus dem Weg geräumt werden, beispielsweise bei den Kommunikationsaktivitäten. Höhener ist überzeugt, dass die Citizen Science vom Zusammenschluss in Zukunft profitieren wird: «Wir sind schlagkräftiger geworden und können unsere Kompetenzen besser einsetzen – besonders für Forschende», sagt sie.

Erfolgsgeschichte Seed-Grants

Die Fusion erfolgt am Ende der ersten Förderphase. Aus Sicht der Geschäftsleiterin hat sich die Bürger:innenwissenschaft in diesen fünf Jahren dank den beiden Initiativen «höchst erfreulich» entwickelt. «Citizen Science ist unterdessen sehr präsent an der UZH, wir erhalten von den Forschenden jährlich weitaus mehr Anfragen für Seed-Grants als wir finanzieren können», sagt sie.

Bei den Seed-Grants handelt es sich um Anschubfinanzierungen für Pilotprojekte, die gemeinsam von Forschenden der UZH oder ETH mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt werden. Im Verlauf der ersten Förderphase von 2018 bis 2022 wurden 28 Projekte finanziert. Auch auf Seiten der Bürger:innen konstatiere man ein wachsendes Interesse. Die Leute legten ihre Hemmungen ab, mit akademisch ausgebildeten Wissenschafter:innen zu arbeiten.

«Die Seed-Grants sind eine Erfolgsgeschichte», sagt Höhener und nennt als Beispiel das Projekt «Beweisstück Unterhose». In diesem bürgerwissenschaftlichen Projekt dienten Unterhosen der Erforschung der Bodenvitalität. Die Teilnehmer:innen mussten dazu zwei Paar Unterhosen vergraben und nach einiger Zeit wieder ausgraben. Dazu wurden Fotos gemacht und Bodenproben genommen. Über 1000 Teilnehmer:innen partizipierten an dem Projekt, das eine Landkarte der Bodenaktivität hervorbrachte und einen einzigartigen Einblick in die Aktivität von Bodenlebewesen erlaubte.

Symptome von Long Covid

Auch das Seed-Grant-Projekt zu Long Covid habe gezeigt, welches Potential darin steckt, medizinische Laien in ein Forschungsprojekt einzubeziehen. In diesem Fall wurde ein Gremium von 21 Betroffenen von Long Covid und 7 Betroffenen des Chronischen Müdigkeitssyndroms gebildet, um eine Liste der Forschungsprioritäten aus Sicht der Erkrankten zu definieren.

So konnten innert Monaten fünf prioritäre Forschungsthemen identifiziert werden, die für die Langzeitpatient:innen vorrangig sind, darunter zum Beispiel neue Behandlungsmethoden oder die Anerkennung des Krankheitsbildes. Das Projekt resultierte unter anderem in einer Fachpublikation in einer medizinischen Fachzeitschrift, in der eine der Citizen Scientists als Autorin hervorgehoben wird. Für Olivia Höhener zeige dieses Projekt exemplarisch, wie Wissenschaftler:innen und Bürger:innen auf Augenhöhe zusammen arbeiten können.

Enorme Vielfalt

Nebst den Projekten der Seed-Grants haben die beiden Initiativen bisher 24 Vorhaben mit Bürgerbeteiligung unterstützt. Zum Beispiel das Projekt «Wiesel Gesucht», in dem Forschende Videos aus Fotofallen mithilfe von Cititzen Scientists analysieren liessen. Oder «Stop Hate Speech», in denen Citizen Scientists Texte nach geschlechtsspezifischen Hassausdrücken analysierten. «Die Vielfalt der Projekte ist enorm», sagt Olivia Höhener.

Für die effiziente Umsetzung von Projekten hat das Kompetenzzentrum digitale Tools zur Sammlung und Analyse von Daten entwickelt. Der «CS Logger» und der «CS Project Builder» vereinfachen den Aufbau projektspezifischer Apps, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der Projekte zugeschnitten sind. Den Umgang mit diesen Tools vermittelt das Zentrum an Interessierte im In- und Ausland.

Nicht zuletzt spielt die internationale Zusammenarbeit mit Partnern in der EU eine wichtige Rolle. Dies zeige sich exemplarisch im Projekt «Time4CS», das die Bürger:innenwissenschaft in der EU fördert und Citizen Science als integralen Bestandteil von Forschungseinrichtungen etablieren will. «Hier spielen wir dank unserer Expertise und Erfahrung sogar eine Vorreiterrolle», sagt Olivia Höhener und verweist auf EU-Projekte.

Zu erwähnen sind schliesslich auch weitere Partnerprojekte, an denen Citizen Science Zürich als Partnerorganisation beteiligt ist. Dazu gehören zum Beispiel «Crowd Water» ein Projekt zur Sammlung hydrologischer Daten der UZH oder «Know the air your breathe», ein Projekt zur Messung der Luftqualität in Innenräumen mit der ETH.

Langfristiger Trend

Die Bilanz der ersten fünf Jahre darf sich laut Höhener sehen lassen. Auch für die kommenden Jahre ist die Geschäftsleiterin optimistisch, dass sich Citizen Science weiter verankern lässt. Sowohl bei den Forschenden wie den Bürger:innen konstatiert sie zunehmendes Interesse und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Die Projektvielfalt dürfte es erleichtern, in Zukunft neue Finanzquellen zu generieren, denn die Anschubfinanzierung wichtiger Geldgeber wie der Stiftung Mercator Schweiz wird dereinst auslaufen.

Höhener ist sicher, dass Citizen Science langfristig Bestand haben wird. Die Bürger:innenwissenschaft hat ihre Feuerprobe bestanden und sei aus Forschung und Praxis nicht mehr wegzudenken. Denn sie sei in manchen Forschungsbereichen bereits heute notwendig, um exzellentes Niveau erreichen zu können.

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