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Bundesrat Alain Berset an der UZH

Die Zeit der Monster

Gestern besuchte Bundesrat Alain Berset die UZH. Er kam auf Einladung des SIAF und sprach über die Monster unserer Zeit – die Pandemie und die Krise der Demokratie. Am Ende seiner Rede machte er Mut: Es gebe immer Handlungsalternativen in bedrohlichen Situationen.
Marita Fuchs

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Bundesrat Alain Berset spricht vor vollen Rängen an der UZH.

 

Die Pandemie sei eine Hydra mit tausend Köpfen, sagte Alain Berset zu Beginn seines Vortrags. Sie habe viel Unsicherheit mit sich gebracht und Unsicherheit erzeuge Frustration. Doch nicht nur die Pandemie bedrohe die Gesellschaft. Alles weise darauf hin, dass die liberale Nachkriegsordnung bröckle. Um das zu unterstreichen bediente sich Berset eines häufig wiederholten Zitats, das dem Philosophen Antonio Gramsci zugeschrieben wird: «Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.»

Überall Monster

Als «Monster» der Gegenwart bezeichnete Berset die Klimakrise, die geopolitische Unsicherheit, die Krise der Volksparteien und die «Pandemie der Fake News». Das schlimmste Monster sei jedoch das Schweigen derjenigen, die sich von der Demokratie abgewandt hätten. Dabei gehöre Kritik doch zur Debatte. «Aber Enttäuschung, Erbitterung, Empörung gefährdet unsere Kultur und Politik.»

Manche Monster hätten groteske Züge, sagte Berset. Grotesk sei es beispielsweise, dass acht amerikanische Milliardäre genauso viel Vermögen besitzen wie die ärmere Hälfte der US-Bevölkerung. Grotesk sei auch die Machtverteilung in den Social Media. Eine kleine Gruppe gebärde sich hier als Vox populi. «Den Fokus auf das Groteske zu richten ist politisch», so der Bundesrat, denn es öffne die Augen dafür, wie wichtig es sei, an Rationalität, Wissenschaft und der Genauigkeit des Denkens festzuhalten.

Antonio Gramsci, richtig zitiert

Der Bundesrat schlug dann eine rhetorische Volte, indem er zur allgemeinen Überraschung des Publikums erklärte, dass es sich beim Zitat, das er an den Beginn seiner Rede gestellt hatte, um eine im Web kursierende Falsch-Version handle. «Wir müssten lernen, alles genau zu hinterfragen.» Mit Blick auf die Studierenden im Saal meinte Berset, dies sei den jungen Leuten heute bewusster als der Generation, welcher er selbst angehöre.

Korrekt wiedergegeben lautet das Zitat: «Die Krise besteht gerade darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann: In diesem Interregnum treten die vielfältigsten morbiden Erscheinungen auf.» Der Ausspruch stammt vom italienischen Philosophen Antonio Gramsci. Genauigkeit sei das Gegengift zu den grossen Narrativen, die uns dumm machen, sagte Berset.

Fehler eingestehen

Berset ging im Folgenden auf die Corona-Krise ein. Politiker würden nicht gern zugeben, dass sie im Umgang mit der Pandemie häufig dem Prinzip von Versuch und Irrtum hätten folgen müssen. Im Nachhinein betrachtet sei vieles sehr gut gelaufen, der Bundesrat habe aber auch Fehler gemacht. «Man muss zugeben können, wenn man etwas nicht weiss.»

Eine Lehre aus der Pandemie sei auch, dass nichts für immer gewiss sei und sich immer etwas ändern könne. «Das behagliche Leben neigt sich dem Ende zu». Wichtig sei es, die strategischen Optionen realistisch einzuschätzen, Selbstkritik zu üben und neue Faktenlagen kritisch zu bewerten, mit Risiken zu rechnen, proaktiv zu denken und zu handeln und nicht erst zu reagieren, wenn es zu spät sei. Das betreffe nicht nur Pandemien, das gelte zum Beispiel auch für den Klimawandel. «Es gibt immer Alternativen», sage er abschliessend, «auch wenn die Macht der Monster uns zu erdrücken scheint.»

Massnahmen der Hochschulen sind richtig

In der anschliessenden Debatte beantwortete der Bundesrat Fragen des Publikums. «Ich bin sehr froh, dass die Hochschulen die Politik des Bundesrats unterstützen», sagte Berset, auch wenn es nicht für alle einfach sei. Er betonte: «Das Ziel ist, die Massnahmen so kurz wie möglich zu halten.» Man dürfe aber nicht vergessen, wie die Situation vor einem Jahr war. Die Studierenden konnten damals gar nicht an die Hochschulen kommen. «Da wollen wir nicht wieder hin! Deshalb gibt es diese Massnahmen».

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