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European University Foundation

Das trojanische Pferd der Universität

Die Universität Zürich ist neu Mitglied der European University Foundation. Im Gespräch erläutert Executive Manager João Bacelar, wie das Netzwerk die UZH beim Thema Studierendenmobilität unterstützen kann.
Stefan Stöcklin

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«Wir befinden uns auf europäischer Ebene an einem wichtigen Punkt, darum ist es wichtig für mich, die Prioritäten der UZH zu kennen», sagt João Bacelar, Executive Manager der European University Foundation. (Bild: Frank Brüderli)

 

Die European University Foundation (EUF) ist ein exklusives Netzwerk von 22 Universitäten, in das man nur auf Einladung hin Mitglied werden kann. Seit Dezember 2019 ist die UZH Vollmitglied der EUF. Wie kamen wir zu dieser Ehre, wieso haben Sie die UZH ausgewählt?

João Bacelar: Die UZH hat einen hervorragenden Ruf und passt gut zum Profil unseres Netzwerks, das im Bereich der Mobilität von Studierenden sehr aktiv ist. Als grösste Schweizer Universität vertritt sie Werte, gerade in Bezug auf Internationalität, die sich mit unseren decken. Als uns die Verantwortlichen der Universität Interesse an einer Zusammenarbeit signalisierten, haben wir uns sehr schnell zu einer Aufnahme entschlossen.

Es ging nicht um einen finanziell interessanten Partner aus der Schweiz?

Auf keinen Fall. Der Grund wieso wir die UZH eingeladen haben, hat nichts mit Geld zu tun, sondern ausschliesslich mit der Leistung, dem Brainpower und der Expertise der Hochschule. Die Mitgliederbeiträge machen übrigens nur vier Prozent unseres Budgets aus, den überwiegenden Teil finanzieren wir mit europäischen Kooperationsprojekten.
Dank der UZH haben wir nun einen neuen Partner, mit dem wir gemeinsam Projekte voranbringen wollen. Mein Besuch dient dazu, die Zusammenarbeit zu konkretisieren und gemeinsame Schlüsselbereiche zu identifizieren.

In welchen Bereichen setzt sich die EUF ein, was ist die DNA Ihrer Organisation?

Allgemein gesagt liegt der Fokus der EUF bei der Modernisierung des europäischen Hochschulraums. Mobilität und internationale Zusammenarbeit sind Schlüsselfaktoren in diesem Transformationsprozess. Eigentlich kreisen alle unsere Aktivitäten um diese Fokuspunkte. Im Zentrum steht immer die Frage, was sich verbessern lässt.

Wieso ist die Mobilität von Studierenden so wichtig?

Danke für diese Frage, sie ist für mich die wichtigste Frage überhaupt. Mobilität rsp. internationale Erfahrung ist kein Selbstzweck, es geht nicht um Zahlen von Out- und Incoming-Studierenden. Wichtig ist vielmehr, was mit den Studierenden und der Gesellschaft in einem mobilen Umfeld passiert. Untersuchungen zeigen, dass Studierende mit Mobilitätserfahrung engagierte Bürger sind, sie sind toleranter, offener und partizipativer. Kurz: Studierendenmobilität verändert auf Dauer das Gefüge der Gesellschaft zum Besseren.

Die Vision ist ein gemeinsamer europäischer Campus?

In der Tat begann die EUF mit einem politischen Ziel: Den europäischen Kontinent als kulturelle Einheit näher zusammenzubringen. Die Mobilität der Studierenden ist ein wichtiges Element und sie hat sich in den letzten 30, 40 Jahren stark verbessert. Aber es liegt noch viel, viel mehr drin. Und wir könnten alle davon profitieren. Das zeigt gerade auch die Schweiz: Sie hat einen der internationalsten akademischen Lehrkörper weltweit. Dies ist einer der Gründe für den Erfolg der Schweizer Universitäten.

Wie unterscheidet sich die Mobilität von Studierenden in verschiedenen europäischen Ländern?

Es gibt grosse Unterschiede, die Situation ist dynamisch. Traditionell weisen die Benelux-Staaten mit Luxemburg eine hohe Mobilitätsrate auf, das Land, in dem unsere Stiftung ihren Sitz hat. Generell ist die Mobilität höher, je weiter nördlich man geht. Aber die Trends ändern sich zurzeit, wie wir in unseren Studien sehen.

Wieso sind Studierende in Luxemburg so mobil?

Das hat damit zutun, dass die Universität von Luxemburg Studien im Ausland als Teil des Curriculums vorschreibt. Historisch gesehen haben wir in Europa eine jahrhundertealte, etablierte Tradition von Studierendenmobilität. Das geht zuweilen vergessen, wenn wir über die aktuellen politischen Rahmenbedingungen zum Beispiel bei Erasmus sprechen.

Gutes Stichwort: Die Schweiz hat ein Problem mit dem Europäischen Bildungsprogramm Erasmus. Seit 2014 sind wir nicht mehr assoziiert und haben den Status eines Drittlandes. Kann uns die EUF helfen, wieder Anschluss zu finden?

Einer der Hauptgründe für meinen Besuch an der UZH besteht darin, Antworten auf diese Frage zu finden. Wir befinden uns am Beginn dieser Gespräche und müssen die gegenseitigen Bedürfnisse erst klären. Grundsätzlich arbeitet die EUF eng mit den europäischen Institutionen zusammen und sucht nach Möglichkeiten, damit die Mobilitäts- und Austauschprogramme so grenzenfrei wie möglich sind.

Können Sie das etwas konkretisieren?

Die Frage einer vollen Assoziierung der Schweiz an Erasmus ist eine politische Frage, in die wir uns nicht einmischen. Aber wir unterstützen die Universität Zürich in ihren Strategien für eine Lösung. Das heisst, möglicherweise müssen wir verschiedene Szenarien einer abgestuften Partizipation entwerfen, die den Interessen der Universität möglichst gut entsprechen. Ziel sollte sein, eine möglichst hohe Mobilität der Studierenden zu erreichen.

Könnte man die EUF als ein trojanisches Pferd für die UZH bezeichnen, um Zugang zum Erasmus-Programm zu erhalten?

Die Metapher ist nicht unpassend, ich denke, die Antwort ist bedingt Ja. Wir haben nun dank der Mitgliedschaft eine strategische Zusammenarbeit mit der Universität Zürich. Auf der anderen Seite arbeiten wir mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament. Wir sind uns den Einschränkungen aufgrund des politischen Prozesses bewusst, aber zwischen einem Ja und einem Nein zu Erasmus gibt es einen breiten Spielraum, um technische Lösungen auszuarbeiten, die negative Auswirkungen einer Nicht-Assoziierung abschwächen. Ein Beispiel dafür sind neue Technologien, die wir heute für die Organisation und Administration der Mobilität einsetzen und in die man möglicherweise auch Aussenstehende vom Erasmus-Programm einbinden könnte.

Sie sprechen vom Digitalisierungsprojekt Erasmus without Paper, an dem die EUF arbeitet. Ein Zugang wäre für die UZH ausserordentlich wichtig.

Genau davon spreche ich. Im digitalen Zeitalter machen herkömmliche Ländergrenzen je länger je weniger Sinn, stattdessen ersetzen technische Hürden und Infrastrukturen die physischen Grenzen. Das EUF-Projekt Erasmus without Paper ist eine wichtige Innovation für die nächste Programmgeneration und baut Hürden ab, indem es länderübergreifend digitale Dienstleistungen ermöglicht. Mit der Mitgliedschaft bei der EUF ist die UZH auch Miteigentümerin dieser Infrastruktur geworden und das bedeutet, dass wir gemeinsam über ihre Weiterentwicklung nachdenken können.

Wie weit wird die UZH Zugang zu diesen digitalen Tools haben?

Im Moment testen wir Teile davon mit der UZH. Aber wie weit der Zugang gewährt werden kann, ist auch eine politische Frage, die geklärt werden muss.

Das tönt nicht einfach…

Es ist kompliziert, das ist wahr. Als erstes muss wohl das Verhältnis der Schweiz zum Erasmus-Programm geklärt werden. Bei einer andauernden Nicht-Assoziierung können wir gemeinsam überlegen, was gemacht werden kann, um die Nachteile für die UZH zu mindern. Gerade jetzt befinden wir uns auf europäischer Ebene an einem wichtigen Punkt. Es dauert nur noch ein knappes Jahr, bis das Nachfolgeprogramm von Erasmus+ in Kraft tritt, darum ist es für mich wichtig, die Prioritäten der UZH zu kennen.

Wie Sie erwähnen, steht das europäische Nachfolgeprogramm von Erasmus+ vor der Tür, die siebenjährige Programmperiode beginnt nächstes Jahr. Welche Ziele hat sich die EUF gesetzt?

Wir haben soweit als möglich unseren Einfluss geltend gemacht und aufgrund unserer Erfahrungen für drei Prioritäten im Erasmus-Programm gekämpft: Digitalisierung, Klimaneutralität und Inklusion (Inclusiveness). Die ersten beiden Themen sind selbsterklärend, bei der Inklusion geht es darum, allen Studierenden unabhängig ihres sozioökonomischen Hintergrunds Zugang zu Mobilitätsprogrammen zu ermöglichen. Dies ist heute nicht wie gewünscht der Fall, wir müssen mehr Mittel für jene Studierenden zur Verfügung stellen, die es nötig haben.

Das heisst, sie bräuchten mehr finanzielle Ressourcen?

Nicht unbedingt. Das Schöne an der Digitalisierung ist, dass sich damit Effizienzgewinne in der Administration der Studierendenmobilität erzielen lassen, die man in andere wichtige Tätigkeiten umlenken könnte.