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Modernisierung der Bibliotheken

«Ein Erfolgsfaktor für unsere Universität»

Die Universitätsleitung hat dem Projekt «Aufbau Universitätsbibliothek» zugestimmt. Sie will die Bibliotheksinfrastruktur an der UZH modernisieren und dabei neueste Technologien nutzen. Im Interview begründet Prorektor Christian Schwarzenegger den Beschluss.
Marita Fuchs
Bücher lesen, sich treffen, arbeiten: Visualisierung der Bibliothek im geplanten FORUM UZH. (Bild: Herzog & de Meuron)

 

Bibliotheken weltweit stellen sich auf das digitale Zeitalter ein. Neben Pflege und Bewahrung des kulturellen Erbes müssen die Wissenschaftsbibliotheken heute Open Access und neue Formen des Informationszugangs und der Informationssuche gewährleisten. Sie müssen für die Forschenden und Studierenden wertvolle gedruckte Bücher- und Zeitschriftenbestände verfügbar halten und gleichzeitig die Nutzung neuer digitaler Ressourcen und Analysemethoden ermöglichen. Zudem sollen sie Raum bieten für Begegnung, Austausch, Integration, Lernen, Erleben und nicht zuletzt: Lesen.

Um diesen Herausforderungen und Ansprüchen gerecht zu werden, hat die Universitätsleitung beschlossen, alle UZH-Bibliotheken künftig zu einer Universitätsbibliothek (UBZH) zusammenzuführen. Sie ist überzeugt, dass das jetzige mehrgliedrige Bibliothekssystem den aktuellen und künftigen Anforderungen an eine wissenschaftliche Informationserschliessung nicht mehr gerecht wird.

Im Vorfeld wurde im Rahmen eines Vorprojekts ein Konzept mit dem Titel «UZH Bibliothek der Zukunft» entwickelt. Dieses Konzept ging in die Vernehmlassung. Zusammen mit den Vernehmlassungsergebnissen wurde es am 21. Mai der Universitätsleitung vorgelegt. Die Universitätsleitung hat das Für und Wider erwogen, Expertenmeinungen einbezogen und dem Projekt schliesslich zugestimmt. Es wird nun als Hauptprojekt unter dem Titel «Aufbau Unversitätsbibliothek» umgesetzt. Prorektor Christian Schwarzenegger trägt seitens der Universitätsleitung dafür die Verantwortung.

Im Gespräch mit UZH News erklärt Christian Schwarzenegger, was beschlossen wurde und warum er im Entscheid der Universitätsleitung eine essentielle Voraussetzung für Spitzenforschung und -lehre an der UZH für die Zukunft sieht.

 

 

Christian Schwarzenegger
«Eine moderne Bibliotheksstruktur ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Universität», sagt Prorektor Christian Schwarzenegger.

 

Herr Schwarzenegger, die UZH verfügt zurzeit über rund 40 eigenständige Bibliotheken. Sie sind bis heute organisatorisch unabhängig. Nun hat die UL beschlossen, diese Fakultäts- und Institutsbibliotheken zusammenzuführen und unter ein gemeinsames strategisches und organisatorisches Dach zu stellen. Welche Überlegungen gaben den Ausschlag dafür?

Christian Schwarzenegger: «The fundamental role of the library is not to provide books, it is to provide information», sagt Eileen Abels, Dekan der Simmons School of Library and Information Science an der Harvard University. In einer Zeit, in der immer mehr Daten und eine Vielfalt von Medien zur Verfügung stehen, ändern sich auch die Methoden, wie Informationen bereitgehalten, analysiert und vermittelt werden. Das hat Konsequenzen für Forschung, Lehre und Studium. Die Bibliotheken stehen vor der Aufgabe, ihre Methodenkompetenz auszubauen und für Forschung, Lehre und Studium fruchtbar zu machen. Das ist kein Votum gegen das gedruckte Buch, aber neben diesem traditionellen Medium muss die Bibliothek der Zukunft viele weitere Informationsquellen erschliessen. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die zunehmende Technisierung.

Eine zentrale Infrastruktur mit einem klar definierten Leistungskatalog hat gegenüber dem bisherigen Modell von vielen einzeln handelnden Bibliotheken eindeutige Vorteile: Wir können unser Dienstleistungsprofil konzeptionell schärfen, Kompetenzen weiterentwickeln, aktive Personalentwicklung betreiben, Serviceleistungen für Forschung, Lehre und Studium auf- und ausbauen sowie die dafür notwendigen Kooperationen etwa mit der Zentralbibliothek regeln.

Wäre es nicht auch möglich, dass jede Bibliothek das für sich löst?

Das Bibliothekswesen befindet sich in einem epochalen Umbruch. Gefordert ist erhöhte Flexibilität in sich verändernden Fachkulturen. Für die aktive Mitgestaltung sind die Bibliotheken auf Ressourcen und Kompetenzen, auf breit ausgelegte Kooperations- und Entscheidungsstrukturen sowie auf zentral koordinierte Bestände angewiesen.

Allein können die knapp 40 Fachbibliotheken das nicht stemmen. Eine gemeinsame Positionierung bei der Gestaltung von Zukunftsfeldern ist deshalb dringend notwendig. Dazu müssen wir uns organisieren und die Prozesse in gemeinsamer Arbeit koordinieren.

Welche Vorteile bietet die neue Bibliotheksstruktur den Studierenden und Dozierenden?

Ein grosser Vorteil für die Forschenden liegt darin, dass sie in ihrer Arbeit Unterstützung durch ausgewiesene Bibliotheksexpertinnen und -experten erhalten. Möchte eine Politologin zum Beispiel YouTube-Beiträge über politische Debatten auswerten, so kann sie das auf sehr unterschiedliche Weise tun. Fachpersonen in der Bibliothek können hier beraten, wie solche Daten systematisch erfasst und inhaltlich ausgewertet werden.

Zum anderen erhalten Forschende neue Möglichkeiten beim Publizieren von wissenschaftlichen Inhalten. Sie werden auf Dauer der Open-Access-Strategie des Bundes folgen, denn für einen Forschungsantrag beim SNF müssen Forschende nachweisen, dass sie ihre Publikation öffentlich zugänglich machen, nur dann wird der Antrag überhaupt angenommen. Die Bibliotheken können diese Infrastruktur anbieten. Wir prüfen auch, ob die UZH oder ein Verbund von forschungsstarken Universitäten einen eigenen Verlag gründen sollen, der es erlauben würde, von kostspieligen Lizenzverträgen mit Grossverlagen wegzukommen. Eine solche Initiative lässt sich nur aus einer zentralen UZH-Bibliothek heraus entwickeln.

Nicht zuletzt ist eine moderne Bibliotheksstruktur auch ein Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschule. Vor diesem Hintergrund sind wir in der Verantwortung, die Informations- und Medienversorgung für Forschende, Lehrende und Studierende aktiv weiterzuentwickeln und nachhaltig zu gestalten.

Welche Vorteile sehen Sie für die Studierenden?

Es gibt einheitliche und längere Öffnungszeiten. Mit der räumlichen Entwicklung im Zentrum und auf dem Irchel wollen wir mehr Lernplätze für die Studierenden schaffen. Es geht uns um gute Lernorte, die auch Raum für Begegnung und Kreativität bieten. Technologisch wird es neue Formen geben wie etwa Makerspaces oder virtuelle Kreativräume. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Studierenden online in einem Virtual Bookshelf stöbern, wie sie an verschiedenen Universitäten schon existieren.

Wir wollen unseren Studierenden und Doktorierenden bei der Recherche für ihre Arbeiten die neuesten softwareunterstützten Methoden anbieten, nur so können wir mit anderen Top-Universitäten mithalten.

Die Kritik, dass viele Bücher weggestellt und in eine Speicherbibliothek ausgelagert werden könnten, haben wir in das Bauprojekt FORUM UZH von Herzog & de Meuron aufgenommen. Wir werden dem Wunsch nach einem modernen Lesesaal entgegenkommen und einen schnellen Zugang zu gedruckten Beständen gewährleisten.

Ende 2018 hat es zu dem Projekt eine Vernehmlassung gegeben, es gab Stimmen, die für die Beibehaltung des jetzigen Systems plädierten.

Ich muss etwas ganz deutlich betonen: Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass eine grosse Mehrheit der UZH-Angehörigen grosse Vorteile in der Bibliothek der Zukunft sieht. Es gab Stimmen bei der Vernehmlassung, die Bedenken äusserten, Bücher würden zu einem Medienformat der Vergangenheit gemacht. Das ist nun gar nicht der Fall. Gerade in den Geisteswissenschaften ist die Kultur des Lesens von Werken in ihren Kontexten wichtig. Das wird auch in Zukunft weiterhin möglich sein, aber die Palette der Möglichkeiten wird durch Digital Humanities auch in diesen Disziplinen erweitert. Die Bereitstellung und langfristige Nutzbarkeit gedruckter Monographien-und Zeitschriftenbestände ist in wissenschaftlichen Bibliotheken als Einrichtungen des kulturellen Erbes auch weiterhin von Bedeutung.

Bibliotheken werden periodisch von Innovationsschüben erfasst. Das bietet auch Chancen, wir sollten die Herausforderung annehmen. Ich erinnere mich an die Einführung von Nebis, dem Verbundkatalog von 140 Hochschul-Bibliotheken. Auch damals gab es Widerstand, und heute ist Nebis aus dem Universitätsalltag nicht mehr wegzudenken. Im Moment entsteht gerade ein nationales Bibliotheksverwaltungssystem, das von der Swiss Library Service Platform aufgebaut wird. Damit werden gedruckte und digitale Medien in Zukunft gesamtschweizerisch gleichartig erfasst und verwaltet. Auch diese Entwicklung spricht für eine zentrale Bibliotheksinfrastruktur an der UZH.

Steht die zentrale Steuerung, wie sie nun vorgesehen ist, nicht im Widerspruch zum Prinzip der Subsidarität, das sich an der UZH bewährt hat? Auch das Projekt «Governance 2020+» der UZH setzt ja auf dieses Prinzip.

Die Governance 2020 will die Fakultäten in Bezug auf ihre Führungskompetenz stärken. Das betrifft alle Kernbereiche in Forschung und Lehre und hat nichts mit der Dienstleistungsstruktur der UZH zu tun, wie IT, Bauten oder eben das Bibliothekswesen. Die Bibliothek der Zukunft ist eine Dienstleistung für alle. Es geht um wichtige Aufgaben wie Qualitätssicherung und Standardisierung von Daten, Formaten und Diensten, die zentral effizienter erfasst werden können. Insofern dienen wir den Fakultäten zu und das widerspricht nicht der Governance 2020+.

Wie ist die neue Universitätsbibliothek organisiert?

Operativ wird die Universitätsbibliothek von einer Direktion geleitet, der alle Mitarbeitenden des Bibliothekssystems unterstellt sind. Das Budget wird in der jährlichen Entwicklungs- und Finanzplanung durch die Universitätsleitung der Universitätsbibliothek zugewiesen. Ein Bibliotheksboard dient als Schnittstelle zwischen den Fakultäten und Ständen einerseits und der Universitätsbibliothek andererseits. Das Bibliotheksboard ist ein strategisches Steuerungsgremium. Budgetverteilungen und notwendige Innovationsprojekte werden in diesem Gremium beraten. Es hat die wichtige Aufgabe, die verschiedenen Interessen der Fakultäten und Stände in die Planung einzubringen.

Welche Rolle haben die Bereichsbibliotheken?

Die Bereichsbibliotheken werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Im Rahmen der Bauvorhaben zur Umsetzung der Zweistandortestrategie kommt es zu einer Reduktion der Bibliotheksstandorte. Die Standorte werden zu sinnvollen Fachclustern zusammengefasst, die als Bereichsbibliotheken sowohl Medien- wie auch Nutzendendienste abdecken.

Liaison Librarians in diesen Bereichsbibliotheken arbeiten eng mit den Nutzenden zusammen. Sie verfügen auch über ein Erwerbungsprofil und ein entsprechendes Budget. Alle digitalen Lizenzen werden zentral verwaltet, doch findet mit den Bereichsbibliotheken und den Nutzenden ein Austausch über den digitalen Medienbedarf statt.

Und welche Rolle spielt dabei das Bibliotheksboard? 

Es kümmert sich um eine einheitliche Strategie und eine gerechte Verteilung der Mittel. Die Leistungen der UBZH für die Fakultäten und Institute werden in einer Rahmenvereinbarung festgelegt. Falls seitens Fakultäten und Instituten Bedarf nach einem abweichenden oder ergänzenden Dienstleistungsangebot besteht, sind gesonderte Leistungsvereinbarungen zwischen der Universitätsbibliothek und Fakultäten oder Instituten möglich.

Welche Vorteile hat eine zentrale operative Leitung?

Die Direktorin oder der Direktor der Universitätsbibliothek kann strategische Richtungsentscheide für das gesamte Bibliothekssystem der UZH vorbereiten. Im Gegensatz zum gegenwärtigen System können intern und mit der Zentralbibliothek Erwerbungsprofile definiert werden, die sowohl in der Bestellung wie auch Verarbeitung Synergien ermöglichen.

Der Archivauftrag der Bibliotheken kann intern wie extern so geplant werden, dass wertvoller Raum für andere Nutzungen frei wird. Schliesslich können mit einem grösseren Personalbestand viele neue Dienstleistungen abgedeckt werden, die heute unmöglich sind. Das beginnt bei den Öffnungszeiten und geht bis zu spezialisierten Auswertungsmethoden wie etwa mit Data Science in der Bibliothek.

Das Bibliotheksboard ist ein wichtiges Gremium, wer hat Einsitz?

Das wird im Hauptprojekt genau festgelegt werden. Geplant sind Vertreterinnen und Vertreter aller Fakultäten und der Stände.

Inwiefern profitiert das Bibliothekspersonal von den neuen Regelungen?

Das Berufsfeld der Bibliothekare ändert sich radikal. Informationsvermittlung und -zugang wird immer anspruchsvoller und auch deren technologische Aufbereitung. Wir möchten das Personal sämtlicher Bibliotheken in die UBZH integrieren. Sie unterstehen der Direktion. Die Anstellungsbedingungen des Personals werden vereinheitlicht, es wird zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen. Das Bibliothekspersonal bekommt gute Weiterbildungsmöglichkeiten – ein Vorteil, auch für die Attraktivität auf dem Stellenmarkt.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der ZB geplant?

Die Zentralbibliothek und die UBZH erbringen ihre Leistungen für die Universität partnerschaftlich. Die konkrete vertragliche Regelung der Zusammenarbeit wird im Hauptprojekt geklärt. Die ZB hat mit der UBZH einen Ansprechpartner und nicht mehrere, so können wir die Arbeit besser koordinieren. Zusammen verstehen wir uns als Dienstleister für die Lehrstühle.

Bis wann soll das Hauptprojekt umgesetzt werden?

Der Zeitpunkt der Gründung der Universitätsbibliothek ist im Rahmen des Projektauftrags festzulegen. Angestrebt wird der 1. Januar 2021 oder der 1. Januar 2022.