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Moral oder Moneten? Wie wir soziale Entscheidungen treffen

Wertvorstellungen prägen unser Handeln. Allerdings kommen uns finanzielle Anreize dabei oft in die Quere. In einer neuen Studie haben Neuroökonomen der Universität Zürich untersucht, wo im Gehirn moralische und materielle Motive gegeneinander abgewogen werden. Sie zeigen, dass wir uns sozialer verhalten, wenn dieser Abwägungsprozess unterbunden wird.

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Herz und Münzen auf einer Waage
Ist der finanzielle Anreiz genügend gross, weichen wir von unseren intuitiven moralischen Absichten ab. (Bild: istock.com/CalypsoArt)

Spenden wir Geld an eine Wohltätigkeitsorganisation oder übernehmen ehrenamtliche Aufgaben, stellen wir die Bedürfnisse anderer vor unsere eigenen und verzichten zugunsten moralischer Werte auf materielle Eigeninteressen. Als Beweggründe für solches Handeln beschreiben Studien unter anderem eine grundsätzliche Bereitschaft, anderen zu helfen, die Absicht, mit grosszügigem Verhalten die eigene Reputation zu verbessern, oder die Fähigkeit, die moralischen und materiellen Konsequenzen möglicher Handlungen zu berücksichtigen.

Spendeverhalten unter elektromagnetischer Stimulation

Ein Forschungsteam um UZH-Professor Christian Ruff vom Zentrum für Neuroökonomie untersuchte nun die neurobiologischen Grundlagen altruistischer Verhaltensweisen. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf den rechten temporoparietalen Kortex – eine Hirnregion, der eine Schlüsselrolle bei der Steuerung sozialer Entscheidungen zugesprochen wird. In einem Versuch mussten die Teilnehmenden entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Geld an unterschiedliche Organisationen spenden wollten. Dabei stimulierten die Forscher den rechten temporoparietalen Kortex elektromagnetisch, um festzustellen, welcher der drei genannten Beweggründe – grundsätzliche Hilfsbereitschaft, Reputationsüberlegungen oder das Abwägen von moralischen und materiellen Motiven – in diesem Gehirnareal angelegt ist.

Gedankliches Abwägen bringt uns vom moralischen Weg ab

Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer grundsätzlich dazu tendierten, gute Zwecke zu unterstützen und schlechte Zwecke abzulehnen. War der finanzielle Anreiz jedoch genügend gross, gingen sie von altruistischem zu egoistischem Verhalten über. Länger standhaft – und somit moralischer – blieben die Probanden, wenn die Forscher die Aktivität des rechten temporoparietalen Kortex mittels elektromagnetischer Stimulation senkten.

«Wird dem Gehirn die Fähigkeit genommen, eigene Wertvorstellungen und finanzielle Anreize gegeneinander abzuwägen, halten Menschen offenbar eher an ihren moralischen Überzeugungen fest», erläutert Christian Ruff das Resultat. «Selbst höhere finanzielle Anreize haben dann weniger Einfluss.» Für den Neuroökonomen eine interessante Erkenntnis, denn: «Grundsätzlich wäre es auch denkbar, dass Menschen intuitiv finanzielle Interessen verfolgen und sich erst aufgrund ihrer Abwägungen für den altruistischen Weg entscheiden.»

Hirnareal vermittelt bei Interessenskonflikten

Wussten die Studienteilnehmenden, dass ihre Entscheidungen beobachtet wurden, handelten sie sozialer, als wenn sie im Geheimen entscheiden konnten. Auf diese Überlegungen zur eigenen Reputation hatte die elektromagnetische Stimulation der untersuchten Hirnregion keinen Einfluss, ebensowenig wie auf die grundsätzliche Motivation, sich hilfsbereit zu verhalten. Daraus folgern die Autoren, dass der rechte temporoparietale Kortex nicht Sitz altruistischer Motive an sich ist, sondern uns die Fähigkeit vermittelt, moralische und materielle Werte gegeneinander abzuwägen.

Literatur:

Ignacio Obeso, Marius Moisa, Christian C. Ruff, Jean-Claude Dreher. A causal role for right temporo-parietal junction in signaling moral conflict. eLife, 18 December 2018. DOI: 10.7554/eLife.40671

Weiterführende Informationen

Kontakt

Prof. Dr. Christian Ruff

Institut für Volkswirtschaftslehre

Universität Zürich

Tel: +41 44 634 50 67

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