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Lepra möglicherweise in Europa entstanden

Im Mittelalter waren in Europa mehrere Lepra-Bakterienstämme verbreitet und nicht wie bisher angenommen nur zwei. Dies fanden Forschende der Universitäten Zürich und Tübingen und des Max-Planck-Instituts in Jena heraus. Den Forschenden gelang es zudem, das bisher älteste Lepra-Genom zu rekonstruieren.

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Schädel mit Lepra aus einem Friedhof in Dänemark, der von 1270 bis 1560 existierte. (Dorthe Dangvard Pedersen)
Schädel mit Lepra aus einem Friedhof in Dänemark, der von 1270 bis 1560 existierte. (Dorthe Dangvard Pedersen)

Lepra war in Europa bis ins 16. Jahrhundert weit verbreitet und ist bis heute in vielen Ländern der Welt endemisch. Weltweit werden jedes Jahr mehr als 200’000 Neuerkrankungen gemeldet. Hauptverursacher der Lepra ist das Bakterium Mycobacterium leprae.

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universitäten Zürich und Tübingen sowie des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte hat nun zehn historische Genome des Lepra-Bakteriums rekonstruiert. Die Forschenden untersuchten Proben von etwa 90 Individuen aus ganz Europa aus der Zeit von ca. 400 bis 1400 n. Chr., die die für Lepra charakteristischen Knochenverformungen aufwiesen. Aus diesen Proben wurden zehn mittelalterliche Genome rekonstruiert. Insgesamt umfassen die Genome alle bekannten Stämme der Lepra-Erreger, auch solche, die heute in Asien, Afrika oder Nord- und Südamerika auftreten.

Vielfalt von Lepra-Stämmen

«Teilweise haben wir sehr verschiedene Lepra-Stämme aus Knochenmaterial vom selben Friedhof isoliert», berichtet die Erstautorin der Studie Professorin Verena Schünemann, die kürzlich von der Universität Tübingen an die Universität Zürich als Assistenzprofessorin für Paläogenetik gewechselt hat. «Dies zeigt besonders gut die Vielfalt der Lepra-Stämme, die damals auf dem Kontinent kursierten.»

Lepra gab es vermutlich bereits in der Antike 

«Wir haben viel mehr genetische Diversität bei den Lepra-Erregern im alten Europa gefunden als erwartet», fasst der Letztautor der Studie Professor Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Forschungsgruppenleiter an der Universität Tübingen, die Ergebnisse zusammen. «Alle bekannten Lepra-Stämme traten bereits im mittelalterlichen Europa auf. Dies legt nahe, dass Lepra schon in der Antike in Asien und Europa weit verbreitet gewesen sein muss und dass die Krankheit ihren Ursprung im westlichen Eurasien haben könnte.»

Ältestes Lepra-Genom rekonstruiert

Eines der rekonstruierten Genome ist aus England und stammt aus dem Zeitraum zwischen 415 bis 545 n Chr. Dieses älteste rekonstruierte Genom von M. leprae gehört zum gleichen Lepra-Stamm, der in heute lebenden Eichhörnchen entdeckt wurde. «Das stützt die Hypothese, dass Eichhörnchen und der Handel mit ihren Fellen Faktoren bei der Ausbreitung der Lepra unter Menschen des Mittelalters in Europa darstellten», sagt Krause.

Übertragung noch nicht geklärt

«Die Dynamik der Übertragung der Lepra-Erreger in der Geschichte der Menschen ist nicht völlig geklärt. Auch ist noch unklar, woher genau die Lepra ursprünglich stammt», sagt Schünemann. «Wir haben schriftliche Zeugnisse von Leprafällen aus der vorchristlichen Zeit, aber uns fehlen bisher die Proben, um dies auf der molekularen Ebene zu bestätigen.» Die neuen Studienergebnisse führen zur Einschätzung, dass Lepra-Bakterien schon viel länger existieren als gedacht. Sie seien mindestens einige Tausend Jahre alt. «Im nächsten Schritt wollen wir nach noch älteren Proben von durch Lepra deformierten Knochen suchen. Für die Identifizierung potenzieller Leprafälle stehen uns mittlerweile gut etablierte Methoden zur Verfügung», sagt Krause.

Literatur:

Verena J. Schuenemann et al.. Ancient genomes reveal a high diversity of Mycobacterium leprae in medieval Europe. PLOS Pathogens. DOI: 10.1371/journal.ppat.1006997.

 

 

Weiterführende Informationen

Kontakt

Prof. Dr. Dr. Verena Schünemann

Institut für Evolutionäre Medizin

Universität Zürich

Tel: +41 44 634 06 60

E-Mail

 

Prof. Dr. Johannes Krause

Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und Universität Tübingen

Telefon +49 3641 686-621

E-Mail