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Gute Lehre

Was Daten offenbaren

Wer Bachelor-Studierende für Statistikanalysen und das Programmieren motivieren will, muss sich was einfallen lassen. Den Verantwortlichen eines Kurses an der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät MNF ist dies offenbar gelungen. Einblicke in die Praxis der Motivationspsychologie.
Stefan Stöcklin
Owen Petchey lehrt Studentinnen und Studenten mit Humor und Empathie das Rüstzeug der Biostatistik.

 

Die Beurteilung ist beeindruckend gut: «Das war wahrscheinlich der beste Kurs, den ich je hatte», sagt ein Student. Und eine Kollegin meint begeistert: «Owen Petchey kann auch sehr trockene, theoretische Themen erstaunlich humorvoll vermitteln.» Die positiven Kommentare sind umso bemerkenswerter, weil sie ein Unterrichtsthema betreffen, das als «schwierig» und «trocken» gilt. Der Kurs BIO144* von Owen Petchey und Stephanie Muff behandelt Datenanalysen in der Biologie. Das heisst es geht um Daten, Statistik, Programmieren und Algorithmen.

Die Teilnehmer lernen dazu den Umgang mit dem Statistikprogramm R - einer Open Software, die vor über 20 Jahren lanciert und seither kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Sie gehört heute zu den wichtigsten Statistiktools weltweit – und ist an der UZH gut verankert. Owen Petchey hat mit Kollegen aus England ein Lehrbuch verfasst und der UZH-Biostatistiker Torsten Hothorn ist aufgrund seiner Programmierarbeiten Mitglied im exklusiven Memberclub von R.

Neue Erkenntnisse

Doch wie schafft man es, Begeisterung für trockene Algorithmen zu wecken? «Indem man ihren Nutzen zeigt und viel Spielraum lässt», sagt Petchey. Zwar geht es im Kurs vordergründig darum, den Studierenden das Programm R zu vermitteln. Aber die Beherrschung von R ist «nur» Mittel zum Zweck. «Es geht uns darum zu zeigen, wie man aus Daten neue Erkenntnisse gewinnen kann», sagt Petchey. Das heisst, der Kurs befähigt angehende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die neuen Möglichkeiten der datengetriebenen Forschung zu nutzen und eigene Aufgaben zu lösen. Und ist damit ein wichtiger Baustein der Skills, ohne die man heute keine Forschung mehr betreiben kann.

Um den Appetit der Jungforscher auf das Programmieren zu wecken, arbeiten die Dozierenden mit anschaulichen Fragestellungen. Zum Beispiel über Abalonen, einer Meerschnecke, die in einer perlmutterbesetzten Muschel lebt. Die grossen Muscheln, die in manchen Ländern als Delikatesse gelten aber bedroht sind, erreichen je nach Art ein Alter von bis zu 50 Jahren. Die Altersverteilung in einer Population ist für Biologen aus verschiedenen Gründen interessant, doch ist es gar nicht so einfach, das Alter zu bestimmen, ohne die Muschel zu zerstören und die Schnecke zu töten.

Statistische Methoden bieten gegenüber den alten, brachialen Methoden eine gute Alternative. Denn die Analyse mehrerer morphologischer Messungen der Muschel wie der Länge, des Durchmessers, des Gewichts oder der Zahl der Ringe in der Schale ergibt ein recht genaues Alter. «Das Beispiel zeigt, wie man aus Daten neue Schlüsse ziehen kann, wenn man sie geschickt analysiert», sagt Petchey.

Weil auch Biologen und Ökologen immer öfter mit grossen Datensets arbeiten, führt das Abalonenbeispiel den Wert des Datenminings vor. Andere Kursaufgaben zur Genetik oder zu Vernetzung in Ökosystemen liefern weiteren Anschauungsunterricht. Gleichzeitig werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer motiviert, eigene Thesen zu verifizieren. «Wir lassen den Studierenden viel Freiheiten», sagt Petchey.

Wer reagiert schneller: Frauen oder Männer?

Laut den Kursdozenten liegt das Erfolgsgeheimnis darin, die Studierenden so zu motivieren, dass sie den praktischen Nutzen der neuen Methoden rasch begreifen und von sich aus beherrschen wollen. So galt es bereits in der ersten Stunde, mit einem praktischen Experiment und einer statistischen Auswertung die Frage zu beantworten, ob Männer oder Frauen schnellere Reaktionszeiten haben. Es zeigt sich: Frauen schneiden etwas schlechter ab.

«Die Auswahl interessanter Beispiel erhöht die intrinsische Motivation, so dass die Studierenden gewillt sind, hart zu arbeiten», sagt Petchey. Laut den Dozierenden habe man dieses Ziel erreicht, denn obwohl die Studierenden die Arbeitsbelastung als überdurchschnittlich hoch bewerteten, waren sie gleichzeitig auch bereit, diesen Einsatz zu leisten.

Letztlich sind diese Erfahrungen der Dozentinnen und Dozenten an der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät MNF für alle Lehrveranstaltungen der UZH gültig. Anspruchsvolle Vorlesungen und Kurse, die gleichzeitig fordern und fördern, fallen häufig auf fruchtbaren Boden, bestätigt Myriam Steinbrecher, die ab November die Leitung der Hochschuldidaktik übernimmt: «Wenn der Mehrwert erkennbar ist, steigt bei den meisten Studierenden die Bereitschaft und die Motivation, mehr zu investieren.» Dies kann auch, wie das Beispiel zeigt, sehr gut bei herausfordernden Themen gelingen.

*Die Lehrveranstaltung ist Teil des Grundstudiums Biologie und Biomedizin und findet im Frühjahrssemester statt.

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