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MOOC

Digitale Wikinger

Online-Vorlesungen sind im Trend. Doch bisher wagten nur wenige UZH-Dozierende den Sprung in digitale Lernwelten: zu aufwendig, zu teuer, so das Argument. Anders Professor Jürg Glauser und seine Assistentin Sandra Schneeberger: Sie haben eine Nordistik-Vorlesungsreihe als Massive Open Online Course auf die Beine gestellt und freuen sich über 10'000 Teilnehmende aus aller Welt.
Marita Fuchs
Im MOOC «Sagas and Space» geht es um die Vorstellungen von Raum in verschiedenen Quellen der Wikingerzeit und des skandinavischen Mittelaltersalters. (Bild: Insel Tile mit zwei Seemonstern, Ausschnitt aus der sogenannten Carta Marina von 1539; Quelle: Wikimedia)

Die Wikinger sind dafür bekannt, dass sie mutig vorrückten und sich weder vor Seeungeheuern noch vor starkem Wellengang fürchteten. Ähnlich mag es wohl UZH-Professor Jürg Glauser und seinem Team ergangen sein, als sie sich vor etwa einem Jahr entschlossen, einen Massive Open Online Course (MOOC) anzubieten.

Angestossen wurde das Projekt im Februar 2014 durch die E-Learning-Koordination der Philosophischen Fakultät. Sie hatte einen MOOC-Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem Glausers Kurs über «Sagas and Space – Thinking Space in Viking Age and Medieval Scandinavia» als eines von zwei Siegerprojekten gekürt wurde. Die Finanzierung durch IIL-Mittel war gesichert, die Preisträger erhielten eine begleitende didaktische Beratung und technischen Support bei der Planung, Produktion und Durchführung vonseiten der E-Learning-Koordination und der Multimedia- und E-Learning Services der UZH (MELS).

Studierende in die Konzeption eingebunden

«Die Skepsis von Kolleginnen und Kollegen aus den Geisteswissenschaften war allerdings gross», erzählt Sandra Schneeberger, Assistentin am Seminar für Nordische Philologie. Schliesslich zeichnet sich gerade die Literaturwissenschaft dadurch aus, dass Inhalte diskursiv behandelt werden. Können da Videos, Multiple- Choice-Tests und Diskussionen in Foren überhaupt heranreichen? Werden die Themen nicht banalisiert? Ausserdem haben MOOCs einen zwiespältigen Ruf: Zwar kann man dank ihnen Wissen mit der ganzen Welt teilen – doch hat man überhaupt die Kapazitäten, auf Meinungen und Fragen aus der ganzen Welt einzugehen?

Jürg Glauser liess sich nicht beirren und holte seine Studierenden mit ins «MOOC-Boot». In einem «normalen» Seminar konzipierte er zusammen mit ihnen den Online-Kurs, der dann auf «Coursera», einer der grössten Internet-Plattformen für MOOCs, Anfang des Frühlingssemesters 2015 veröffentlicht wurde.  

Trolle löschen

Sehr viel Arbeit müsse für die Konzeption, aber auch für die Betreuung des Online-Kurses aufgewendet werden, bilanziert Schneeberger. Mehr, als sie zunächst gedacht habe. Während des Semesters habe sie nur noch selten an ihrer Dissertation über die altisländische «Prosa-Edda» arbeiten können. Denn vor allem die Forumsbeiträge müssen gelesen, betreut, moderiert und «Trolle» gelöscht werden.

Überraschend für das Forschungsteam war das grosse Interesse am Thema. Bis heute haben etwa 10'000 Teilnehmende aus aller Welt am Kurs teilgenommen. Für das kleine Fach Nordistik eine Sensation.

Bieten den MOOC an: Professor Jürg Glauser und und Assistentin Sandra Schneeberger vom Seminar für Nordische Philologie der UZH. (Bild: MOOC)

Sagenwelt der Wikinger

Konkret geht es in dem Online-Kurs um «Sagas und Raum», sprich: die Vorstellungen von Raum (Space) in verschiedenen Quellen der Wikingerzeit (ca. 750 – 1050) und des skandinavischen Mittelalters (ca. 1050 – 1500).

Doch wie sieht das Lehren und Lernen im Kurs überhaupt aus? Teilnehmende steigen nach einer kurzen Anmeldeprozedur in den Kurs ein. Sie werden von Professor Glauser und Sandra Schneeberger per Video begrüsst und ins Thema eingeführt. Rechts neben dem Videofenster ist das wöchentliche Programm übersichtlich aufgelistet. Die thematischen Schwerpunkte werden anhand von Videos, Textdokumenten und Bildern vermittelt. Sie stehen zum Download bereit. Die Wochenbeiträge selbst kommen von geladenen Expertinnen und Experten aus aller Welt – aus Island, Dänemark, England, Amerika oder Deutschland.

Teilnehmende aus aller Welt

Ein Forum bietet allen Teilnehmenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich weltweit auszutauschen. Und ein Quiz aus Multiple-Choice-Fragen dient dazu, sich zu vergewissern, ob das Gelernte auch richtig verstanden wurde. So tummeln sich auf der Plattform interessierte Laien, Studierende, Wissenschaftler. Können sie voneinander profitieren? Ja, zeigt sich Schneeberger überzeugt. So hätten Laien von örtlichen Traditionen berichtet, die auf alte Sagen zurückgehen und die für die Wissenschaftler neu und interessant seien. Studierende wiederum könnten per Video Wissenschaftler aus aller Welt erleben und kontaktieren.

Taucht man dann als unbeteiligter Zuschauer ins Thema ein, liest und hört zu, wie zum Beispiel eine Wissenschaftlerin melodiös aus der «Edda» vorliest, bekommt man auch als Laie schnell Lust, sich ins Thema zu vertiefen. 

Als Plattform für MOOCs an der UZH kommt Coursera zum Einsatz. Zwischen der UZH und der US-amerikanischen Firma Coursera besteht ein Rahmenvertrag, der die Möglichkeit eröffnet, Online-Kurse auf dieser Plattform anzubieten.

Doch bei aller Begeisterung – die Plattform Coursera selbst steht auch in der Kritik. Beim Online-Lesen und Lernen mit digitalen Medien werden sämtliche Aktivitäten gespeichert und daraus Nutzer- und Lernprofile erstellt. So entstehen automatisch generierte Lernprofile, die von der Firma verkauft werden könnten.

Bei Sandra Schneeberger und Jürg Glauser überwiegt jedoch die Einsicht, dass MOOCs die Bildungslandschaft erweitern und vielleicht sogar umpflügen werden. Für sie hat sich die Entdeckungsfahrt in unbekannte digitale Gewässer gelohnt.