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Die Zukunft des Mittelbaus

«Der Mittelbau wünscht unbefristete Stellen»

Die Vertreter des Mittelbaus, Wolfgang Fuhrmann und Georg Winterberger, im Gespräch mit Michael Hengartner, dem Rektor der Universität. Zur Debatte stehen die Anliegen und Perspektiven der Mittelbau-Angehörigen der Universität Zürich. Man ist sich einig, dass der Mittelbau bessere Perspektiven braucht. Die geplante Reorganisation der Stände stösst auf Zustimmung.
Interview: Stefan Stöcklin

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«In angelsächsischen Ländern werden die Bedürfnisse des Mittelbaus besser abgedeckt.» Wolfgang Fuhrmann (l) und Georg Winterberger, VAUZ. (Bild: Beat Stapfer)

Herr Hengartner, Sie waren einst auch Angehöriger des Mittelbaus. Wie erging es Ihnen damals? Haben Sie sich nie Sorgen um ihre akademische Karriere gemacht?

Michael Hengartner: Ich hatte das Glück, rasch Forschungsgruppenleiter zu werden, und kenne den Mittelbau vor allem aus meiner Zeit als Doktorand. Zweifel an der akademischen Karriere hatte ich eigentlich nie. Es braucht in der Wissenschaft die Selbstsicherheit und Zuversicht, dass man die notwendigen Fähigkeiten besitzt, um zu reüssieren.

Herr Winterberger, Sie gehören zum Mittelbau der UZH. Wie ist Ihre Befindlichkeit?

Georg Winterberger: Da ich in unbefristeter Anstellung arbeite, habe ich momentan keine Zukunftssorgen. Mein Thema ist eher, wie ich mich neben dem Amt als Geschäftsführer Ethnologie des Instituts für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK) weiterhin wissenschaftlich qualifizieren kann, um in meiner akademischen Karriere vorwärtszukommen.

Herr Fuhrmann, wie ist das für Sie als Oberassistent am Institut für Filmwissenschaft?

Wolfgang Fuhrmann: Ich bin schon so lange im System drin, dass ich die Dinge etwas gelassener betrachte. Ich kenne meine Qualifikationen und meinen Wert und hoffe, dass ich eine adäquate Stelle finde, zum Beispiel als Professor. Wenn es klappt, gut. Wenn nicht, muss ich mich anders orientieren. Es bringt nichts, nervös zu werden. Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass sich immer eine Tür öffnet.

Herr Hengartner: Die UZH will den heutigen Stand des Mittelbaus neu organisieren und auf die beiden Stände wissenschaftlicher Nachwuchs und wissenschaftliche Mitarbeitende aufteilen. Was erhoffen Sie sich davon?

Hengartner: Der Mittelbau ist sehr breit und reicht von jungen Doktorierenden bis zu langjährigen Forschungsgruppenleitern. Diese Gruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Der Nachwuchs ist meist befristet angestellt und plant eine wissenschaftliche Karriere. Die Leute sind meist nur für einige Jahre an der UZH und verlassen uns danach. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter dagegen haben sich bereits qualifiziert, beteiligen sich in Forschung und Lehre und bleiben langfristig bei uns. Aufgrund der unterschiedlichen Ziele und Bedürfnisse ist es sinnvoll, die Gruppen auf die beiden Stände aufzuteilen.

Herr Winterberger, als Geschäftsführer Ethnologie des ISEK wären Sie künftig dem Stand der wissenschaftlichen Mitarbeitenden zuzuordnen. Herr Fuhrmann würde als Oberassistent am Institut für Filmwissenschaft zum wissenschaftlichen Nachwuchs zählen. Ergibt das in Ihren Augen Sinn?

Fuhrmann: Die Ausdifferenzierung innerhalb des Mittelbaus macht Sinn, denn die Bedürfnisse der beiden Gruppen sind unterschiedlich.

Winterberger: Ich bin ebenfalls mit der Aufteilung in die beiden Stände einverstanden. Ich treffe in der VAUZ immer wieder Personen, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiter bei uns nicht am richtigen Ort wähnen. Die jetzige Aufteilung in Qualifikationsstellen sowie wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Habilitation und solche mit Habilitation, die in der PD-Vereinigung sind, wird den Ansprüchen nicht gerecht.

Stört es Sie nicht, dass der Stand des Mittelbaus verschwindet?

Fuhrmann: Auch wenn ich die Neuregelung befürworte, bereitet es mir schon Sorgen, dass der Begriff Mittelbau an der UZH verschwinden soll. Denn das Wort ist sozusagen auch eine bildliche Beschreibung und Anerkennung der Leute, die die Universität stützen. Andere Universitäten und das Hochschulförderungsgesetz verwenden ihn weiterhin. Wichtig finde ich, dass auch künftig eine Vertretung, das heisst: die VAUZ, diese beiden Personengruppen repräsentieren wird.

Winterberger: Ich bin auch unbedingt der Meinung, dass wir als VAUZ den Begriff beibehalten sollten. Ein weiterer Grund ist, dass wir mit der schweizerischen Mittelbauvereinigung actionuni der Schweizer Mittelbau verbunden sind.

Grundsätzlich gefragt: Warum engagieren Sie sich für die Anliegen des Mittelbaus? Wie sehen Sie Ihre Aufgaben?

Winterberger: Wir engagieren uns, um die Interessen des Mittelbaus an der Universität zu vertreten. Die Anliegen reichen von Verbesserungen in der Betreuung bis zu Lohn- oder Vertragsfragen. Dann gibt es in Einzelfällen Probleme, zum Beispiel persönliche Schwierigkeiten zwischen Professoren und Doktoranden: Da versuchen wir zu vermitteln.

Ein wichtiger Punkt ist für uns auch das Thema Identitätsbildung und Gemeinsamkeit. Vor allem die MNF und die WWF ziehen Leute aus dem Ausland an, und diese Personen wünschen sich Gleichgesinnte. Da bieten wir in Zusammenarbeit mit der AVETH, der Mittelbauvereinigung der ETH, und dem Graduate Campus der UZH Events an.

Schliesslich stellen wir die gesamtschweizerische Vernetzung der UZH sicher. Als grösste Universität der Schweiz ist die UZH ein wichtiger Player, und die VAUZ spielt eine zentrale Rolle bei actionuni der Schweizer Mittelbau. 

Herr Hengartner, was tut die Universität für den Mittelbau?

Hengartner: Am wichtigsten scheinen mir gute und klare Rahmenbedingungen zu sein. Es gibt gerade im akademischen System keine Sicherheiten; umso wichtiger ist das Thema Planbarkeit. Angehörige mit befristeten Verträgen sollen zum Beispiel darauf bauen können, dass sie nach einer festgelegten Zeit wissen, ob sie weiterhin an der UZH bleiben können oder nicht. Vermeiden sollten wir kurzfristige Verträge, denn sie machen eine mittelfristige Planung unmöglich und belasten die Betroffenen. Wenn es Problemfälle gibt, wie von der VAUZ angesprochen, ist es mir wichtig, dass sie möglichst früh identifiziert und gelöst werden. Universitätsangehörige sind auch nur Menschen, da können Fehler passieren. Wichtig ist es, richtig damit umzugehen.

«Für den Mittelbau am wichtigsten sind gute und klare Rahmenbedigungen»: Rektor Michael Hengartner. (Bild: Frank Brüderli)

Es gibt beim Mittelbau auch strukturelle Probleme. Beklagt wird, dass viele Leute zu lange mit befristeten Verträgen an den Universitäten arbeiten. Der Bundesrat rät zur Schaffung zusätzlicher Assistenzprofessuren mit Tenure Track. Werden Sie diese Empfehlung umsetzen?

Hengartner: Unser Ziel ist ein Anteil von 20 Prozent Assistenzprofessoren unter der Professorenschaft. Aber ob es sinnvoll ist, alle mit Tenure Track anzustellen, das heisst mit der Möglichkeit auf eine unbefristete Anstellung, würde ich bezweifeln. Das bindet die Universität sehr stark. Zudem gibt auch ein Tenure Track keine vollständige Sicherheit, denn das Evaluationsverfahren kann negativ ausfallen.

Winterberger: Im Prinzip befürworten wir die Schaffung von Assistenzprofessuren mit Tenure Track. Wer eine solche Position innehat, kann selbstverantwortlich dazu beitragen, dass sie in eine unbefristete Stelle umgewandelt wird. Bei Assistenz- und Oberassistenzstellen geht das nicht, auch nicht bei einer Assistenzprofessur ohne Tenure Track.

Hintergrund der politischen Empfehlung ist das ungünstige Zahlenverhältnis zwischen der relativ kleinen Professorenschaft und dem grossen Mittelbau. Es stellt sich eine Grundsatzfrage: Soll die Zahl der Professoren erhöht werden?

Winterberger: Ich denke, es gibt zwei Wege zur Entschärfung dieser Situation, aber die sind nicht unbedingt kompatibel miteinander. Wir können einerseits die Professorenschaft vergrössern durch die Schaffung zusätzlicher Stellen für Assistenzprofessoren mit Tenure Track (APTT). Dieser Ausbau auf Professorenseite hätte allerdings einen Abbau des Mittelbaus zur Folge, was nicht alle Kolleginnen und Kollegen gutheissen. Gleichzeitig würde damit ein zweites Problem behoben, das den Mittelbau umtreibt, nämlich der Zeitpunkt der Entscheidung für eine akademische Karriere. Wenn man früher in eine Assistenzprofessur einsteigen kann, weiss man schneller, ob man eine permanente Stelle erreicht oder nicht. Die andere Variante wäre, dass man den Mittelbau attraktiver gestaltet und neue Stellen analog zum Senior Lecturer schafft, die eine valable Alternative zu einer Professur darstellen.

Welche Variante bevorzugen Sie?

Winterberger: Wichtig ist: Wir befinden uns am Anfang eines Prozesses, und diese Transitionsphase ist kritisch. Im Prinzip ist ein Systemwechsel hin zu mehr Assistenzprofessuren vernünftig. Nur sind die Personen, die jetzt im System drin sind, je nach Umständen die Leidtragenden: Wenn die Universität den Mittelbau zugunsten der Professorenschaft verkleinert, während die Betroffenen die nötige Qualifikation noch nicht haben oder schon zu alt sind, müssen sie im schlimmsten Fall aussteigen. Deswegen lässt sich die Transitionsphase nur schwer umsetzen.

Der Schweizerische Wissenschafts- und Innovationsrat (SWIR) empfiehlt zusätzliche, unbefristete Stellen unterhalb der Professur, etwa als Senior Scientist oder Maître d’Enseignement.

Hengartner: Das bietet die UZH bereits an. Wissenschaftliche Mitarbeiter und wissenschaftliche Abteilungsleiter entsprechen genau diesen Vorschlägen.

Würden Sie zusätzliche Stellen in dieser Kategorie schaffen?

Hengartner: Mir wären zusätzliche Assistenzprofessuren lieber. Gleichzeitig müssen wir die Studierenden weiterhin so gut ausbilden, dass sie auch für den Arbeitsmarkt hochinteressant sind, falls sie keine akademische Karriere anstreben. Das Schlimmste ist, wenn jemand nach einer Assistenzprofessur nicht berufen wird. Diese Leute sind sehr spezialisiert und haben daher oft Mühe, in der Wirtschaft noch eine adäquate Stelle zu finden.

Winterberger: Der Mittelbau wünscht weitere unbefristete Stellen. Aber ich denke, unbefristete Stellen unterhalb der Professur sind problematisch. Eine Alternative wären komplementäre Stellen zu einer Professur, das heisst Positionen, die einen interessanten Weg neben einer Professur bieten. Oder man könnte eine Aufgabenteilung vornehmen. Professoren müssen extrem viele Aufgaben übernehmen, die sie je nachdem gar nicht alle wahrnehmen wollen oder können.

Fuhrmann: Untersuchungen an Universitäten zeigen deutlich, dass viele Kollegen in der Wissenschaft bleiben möchten. Aber die Nachfrage wird nicht gedeckt: Stellen fehlen, vor allem im deutschsprachigen Raum. In den angelsächsischen Ländern werden diese Bedürfnisse viel besser abgedeckt. Bei uns, in Deutschland und Österreich rumort es; da tut sich eine Schere auf, da muss sich was bewegen. Es hängt auch mit dem fast heiligen Status des Professors im deutschsprachigen Raum zusammen. Keiner käme auf die Idee, einem Senior Lecturer in Grossbritannien zu sagen, er habe es nicht geschafft. Das ist eine hochqualifizierte Position.

Hengartner: Die Senior Lecturer entsprechen de facto unseren Extraordinarien, sie sind also auch bei uns respektiert. Aber warum müssen wir die Professur immer so eng sehen? Ich plädiere in der Vernehmlassung zur Neuregelung der Habilitation und der Titularprofessur dafür, dass wir mit der Professur ad personam grosszügiger umgehen. Sie soll künftig an bewährte und hochqualifizierte Dozierende vergeben werden können, die ein wichtiges Forschungsgebiet vertreten. Eine Stellung neben der Professur zu schaffen, die zwar gleichwertig ist, aber trotzdem anders sein soll, erachte ich als schwierig. Wenn wir neue permanente Stellen anbieten, dann sollten ihre Inhaber Teil der Professorenschaft sein.