Berufungen
Das Einhorn gibt es nicht
In der aktuellen Ausgabe des britischen Fachblatts «Nature» publiziert Pierre-Alain Clavien, Professor für Viszeral- und Transplantationschirurgie an der UZH, zusammen mit Alt-Bundesrat Joseph Deiss einen Kommentar und zehn Tipps, wie geeignete Klinikdirektoren berufen werden können.
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- Pierre-Alain Clavien will Fehlbesetzungen an Kliniken vermeiden. (Bild: Adrian Ritter)
«Immer wieder verlaufen Berufungen in Kliniken suboptimal», sagt Pierre-Alain Clavien. Als Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie des Universitätsspitals Zürich sowie als Universitätsprofessor weiss der Mann, wovon er spricht. Mehrmals hat Clavien beobachtet, wie schwierig es ist, die passende Person für den Posten eines Klinikdirektors zu finden – nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Ein wichtiger Grund liegt in der Doppelbelastung als Klinikmanager und Hochschulprofessor. Ein weiterer in unklaren Anforderungen und Regelungen.
Angesichts der Problematik hat Clavien unter dem Patronat der UZH, der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) sowie weiterer Institutionen aus der Schweiz eine internationale Konferenz organisiert, die im Dezember 2014 am Universitätsspital Zürich stattgefunden hat.
Namhafte Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland, darunter der «Nature»-Chefredaktor Philip Campbell und Alt-Bundesrat Joseph Deiss, diskutierten darüber, wie akademische Klinikdirektorinnen und -direktoren am besten zu berufen sind. Das Ziel der dreitägigen Veranstaltung waren allgemein gültige Kriterien. Die Konferenz war hypothetisch angelegt, um eine konkrete Wahl ging es nicht. Die aktuelle Publikation in «Nature» ist nun eines der Ergebnisse aus der ergiebigen Veranstaltung.
Experten und eine unabhängige Jury
Die Zürcher Konferenz orientierte sich an medizinischen Konsensverfahren, die sich im klinischen Alltag seit Jahren bewährt haben. Dabei diskutieren die Fachexperten relevante medizinische Themenkreise und machen darauf basierend ihre Vorschläge, die von einer unabhängigen Jury bearbeitet werden. Im Fall der Klinikdirektoren diskutierten neun Expertengremien (Panels) verschiedene Themen zur Auswahl der besten Kandidaten, und eine Jury mit 12 Mitgliedern evaluierte die Fachbeiträge.
Die Juryvorschläge mündeten in Empfehlungen an künftige Wahlkommissionen. Joseph Deiss fungierte als Jurypräsident, Campbell als Vizepräsident. Die jetzt in «Nature» publizierten Tipps sind die Quintessenz dieser Vorschläge. Das Fachblatt hat auch die ausführlichen Empfehlungen publiziert.
«Der Kommentar ist eine persönliche Sichtweise», betont Pierre-Alain Clavien im Gespräch. Es sei wichtig, Ressourcen richtig einzusetzen und universitäre Kliniken zu schützen. Denn eine Fehlbesetzung kann einer Institution auf Jahre hinaus schaden.
Deshalb sei es vonnöten, die unterschiedlichen Ansprüche von Universität und Spital, die ein Klinikdirektor unter einen Hut bringen muss, so gut wie möglich zu kombinieren. Dass diese Ansprüche viel Aufwand und manchmal auch Kompromissbereitschaft erfordern, verdeutlichen die Tipps. Clavien ist aber überzeugt, dass sich die sorgfältige Arbeit auf Dauer mehrfach bezahlt macht.
Zehn Tipps zur Wahl von Klinikdirektorinnen und -direktoren
Verantwortung in allen Bereichen abgleichen
Einer der Hauptgründe für
Fehlberufungen liegt in unterschiedlichen Erwartungen der Institutionen – dem
Spital und der Universität –, die im Auswahlverfahren involviert sind. Während
die Spitaldirektion vor allem einen effizienten und kostenbewussten Manager
sucht, favorisieren die universitären Kolleginnen und Kollegen meist einen
initiativen und originellen Forscher mit neuen Ideen. Zunächst müssen sich die beteiligten
Institutionen über ihre Anforderungsprofile klar werden und einigen.
Interessenkonflikte in der Berufungskommission
vermeiden
Interessenkonflikte sind sehr häufig. Subjektive und unbegründete Kritiken
wegen Befangenheit können zum Ausschluss qualifizierter Bewerberinnen und
Bewerber führen. Negative Aussagen zu den Kandidatinnen und Kandidaten sollten
schriftlich festgehalten werden, damit die Urheber verantwortlich gemacht
werden können.
Anforderungen in der Ausschreibung
festhalten
Bevor die ersten Bewerberinnen und
Bewerber eingeladen werden, müssen die Anforderungen betreffend Klinik,
Forschung und Lehre unmissverständlich festgehalten werden.
Angebot klar formulieren
Bereits frühzeitig sollte im
Verfahren geklärt werden, ob die Ressourcen der Institution mit den Ambitionen
und der Motivation der möglichen Kandidatinnen und Kandidaten übereinstimmen.
Verantwortlichkeiten festlegen
In den amerikanischen Universitäten
ist der zuständige Dekan üblicherweise für die Wahl vollumfänglich verantwortlich.
In anderen Teilen der Welt muss klarer ersichtlich sein, wer die Entscheidungsträger
sind.
Publikationen und Zitationen sind
nötig, aber nicht ausreichend
Bibliometrische Angaben müssen mit
Sorgfalt geprüft werden, denn sie lassen sich manipulieren. Neben quantitativen
müssen auch qualitative Faktoren berücksichtigt werden. Die Kontinuität und
Qualität der Forschung muss ersichtlich sein. Das Netzwerk und der Werdegang
der Schüler der Bewerberinnen und Bewerber sollten geprüft werden.
Ein MBA ist nicht nötig
Viele akademische Institutionen
suchen nach Leuten mit vertieften Managementqualitäten und Kostenbewusstsein.
Gleichzeitig sollen sie auch hervorragend in Forschung, Klinik und Lehre sein.
Dies gleicht der Suche nach dem Einhorn. Realistischer sind Personen mit
klinischen, akademischen und sozialen Fähigkeiten, die jene Aufgaben an Manager
delegieren können, welche sie nicht selbst erfüllen.
Auf persönliche, emotionale und
soziale Fähigkeiten achten
Führungspersönlichkeiten brauchen
eine hohe Kompetenz zur Kommunikation und Fähigkeiten zum Aufbau von Beziehungen,
um motivierte interdisziplinäre Teams aufzubauen und empathisch mit Patienten
umgehen zu können. Auf diese Fähigkeiten darf nicht verzichtet werden. Die
Leute haben nur dann Erfolg, wenn sie die Menschen in ihrer Umgebung gut
behandeln.
Führungsqualitäten gefragt
Erfolgreiche Klinikdirektorinnen
und -direktoren müssen bereit sein, für ihre akademische Mission zu kämpfen.
Sie müssen Strategien identifizieren, um die administrative Belastung für sie
und ihre Umgebung zu minimieren. Ihre Leidenschaft sollte durch akademische
Freiheiten, eine gute Infrastruktur und Freiräume zur Entwicklung aufrechterhalten
werden. Diese Faktoren sind viel wichtiger als der Lohn.
Unterstützung bieten
Selbst die besten Leute brauchen
Feedback, Betreuung und Entwicklungsmöglichkeiten. Ein geregelter Prozess
sollte diese Unterstützung sicherstellen.
Die englische Originalversion der Tipps ist im «Nature»-Kommentarzu lesen. (Übersetzung aus dem Englischen durch UZH-Kommunikation.)