Navigation auf uzh.ch
Eigentlich wäre alles klar: Würde man die Landwirtschaft auf eine ökologische und nachhaltige Art umbauen, so würde sie auch im Jahr 2050 noch genügend Lebensmittel für die dannzumalige Weltbevölkerung erzeugen. Nicht nur das: Die dafür notwendigen jährlichen Investitionen machen nur einen Bruchteil dessen aus, was heute an Subventionen weltweit in die Landwirtschaft gebuttert wird.
Für weniger Geld gäbe es sogar mehr Ertrag, denn eine so umgebaute Landwirtschaft wäre nicht nur produktiver als die heutige industrialisierte Nahrungsmittelproduktion. Die landwirtschaftlichen Böden wären in einem besseren Zustand und könnten ihre Funktion als CO2-Senken besser erfüllen. Die Landwirtschaft würde deutlich weniger Wasser -und Landressourcen benötigen und böte mehr Menschen ein Auskommen als heute.
Mit eindrücklichen Zahlen untermauerte Hans Rudolf Herren diese Aussagen gestern Dienstag im Rahmen der 6. Right Livelihoood Award-Lecture an der Universität Zürich. Herren, als erster Schweizer dieses Jahr mit dem als Alternativen Nobelpreis bezeichneten Right Livelihood Award ausgezeichnet, muss es wissen. 2004 wurde der Insektenspezialist Ko-Vorsitzender des International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development (IAASTD), einem internationalen Gremium vergleichbar dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das die Entwicklungen und Chancen der Landwirtschaft zu Handen der globalen Entscheidungsträger wissenschaftlich aufarbeitete.
«Business as usual is not an option» hiess damals eine der Forderungen, die Herren auch in seinem Referat an der Universität Zürich vertrat. Für ihn ist klar: die Landwirtschaft muss sich grundsätzlich ändern, soll sie in Zukunft genügend gesunde Nahrung in einer ökologisch gesunden Welt bereitstellen können.
Landwirtschaft sei multifunktional, die Produktion von Nahrungsmitteln nur eine ihrer Aufgaben, so Herren. Sie hat darüber hinaus auch ökologische Funktionen, wie etwas die Regulierung des Wasserhaushaltes, den Schutz vor Erosion oder gar kulturelle, wie etwa die Erhaltung der Nahrungsvielfalt als eines Kulturgutes.
Der künftige Weg muss laut Herren radikal von der heutigen industrialisierten Landwirtschaft wegführen, in der mit immer mehr Maschinen, mehr Dünger und Ressourcen auf immer weniger ökologische Weise immer ungesündere, weil nährstoffärmere Nahrungsmittel hergestellt werden.
Dass ökologische Methoden effizienter sein können als die chemische Keule und erst noch keine schädlichen Nebenwirkungen haben, das bewies Herren auf eindrückliche Art in den 1980er-Jahren. Damals entwickelte er eine biologische Methode, einen verheerenden Maniok-Schädling zu bekämpfen und rettete damit Millionen von Menschen das Leben. 1995 wurde er dafür als bisher einziger Schweizer mit dem Welternährungspreis ausgezeichnet.
Sein breites Wissen in ökologischer Landwirtschaft brachte er in seine Stiftung Biovision ein, mit der er nachhaltige Landwirtschaftsprojekte in Afrika unterstützt. «Ökologische Landwirtschaft ist eine wissensintensive Landwirtschaft», sagt Herren. Deshalb ist Bildung und Ausbildung von zentraler Bedeutung.
In Kenia vertreibt er etwa die Zeitung «The Organic Farmer», die zusammen mit einem unterstützenden Radioprogramm gesamthaft drei Millionen Bauern erreicht. Dazu bietet die Website Infonet-Biovision eine Know-how-Datenbank rund um ökologische Landwirtschaft.
Wieso aber entwickelt sich die Landwirtschaft nicht in die von Herren skizzierte ökologische Richtung, wenn diese doch nur Vorteile bringt? Ein solcher Wandel liege nicht in den wirtschaftlichen Interessen grosser internationaler Konzerne, meinte Herren.
Aber auch wir als Konsumentinnen und Konsumenten tragen eine Verantwortung dafür, wie sich die Landwirtschaft entwickle. «Warum sollte es ein Menschenrecht auf billiges Essen geben?» fragte Herren. Eine ökologische Landwirtschaft würde bedeuten, dass die Konsumenten bereit wären, den Produzenten kostendeckende Preise für ihre Produkte zu bezahlen.
Mit dem Verlangen der Konsumentinnen und Konsumenten nach immer günstigeren Lebensmitteln werde hingegen die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben – mit den bekannten Folgen für die Umwelt, das Klima, die Artenvielfalt und die Lebensgrundlagen für die Bauern.