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Abschied von der Generation 47 

Reinhard Seger: «Mein Wunschfach Kinderimmunologie existierte noch gar
nicht»

Ende des Frühjahrssemesters 2012 wurden neun Professoren der Universität Zürich emeritiert. Sie alle gehören der Nachkriegsgeneration an: Geburtsjahr 1947. UZH News wollte von Reinhard Seger wissen, was ihn geprägt hat und wie seine Zukunftspläne aussehen. 
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«Prägend für mich war, in einer geteilten, vom Krieg noch
stark gezeichneten Stadt aufzuwachsen und zu studieren.» Reinhard Seger, Professor für Kinderheilkunde.

Herr Seger, Sie wurden 1947 geboren. Was zeichnet  Ihre Generation im Vergleich zu früheren oder späteren aus?

Prägend für mich war, in einer geteilten, vom Krieg noch stark gezeichneten Stadt aufzuwachsen und zu studieren. Die Kommilitonen kamen aus ganz Deutschland für ein bis zwei Semester nach Berlin. Nach der strengen Zwischenprüfung sahen wir uns beim Auslandsjahr in Edinburgh, London, Paris, Lausanne oder Wien wieder und sammelten ganz neue, unvergessliche kulturelle und berufliche Eindrücke. Das heutige Medizinstudium ist stark verschult, gestattet kaum Unterbrüche und begünstigt die Wanderschaft leider nicht mehr.

Sie entschieden sich für eine Karriere an der Universität. Was war Ihre prägend­ste Erfahrung an der UZH?

Das Zürcher Universitäts-Kinderspital war bei meinem Eintritt 1975 unter Professor Prader eine weltberühmte Institution mit über 35 erstbeschriebenen genetischen Krankheiten. Es gab bereits klar definierte Karrierepfade für Allgemeinpädiater und forschungsorientierte Spezialisten, wobei sich letztere an den deutschen Universitäts-Kinderkliniken der Nachkriegszeit erst ganz allmählich etablieren konnten.

Kleinere Spezialgebiete wie mein Wunschfach, die Kinderimmunologie, existierten noch gar nicht. In der Zürcher Pädiatrie hingegen waren labororientierte Querschnittsfächer mit Grundlagencharakter wie zum Beispiel Endokrinologie, Genetik, Immunologie, Molekulare Pädiatrie/Stoffwechsel bereits als Lehrstühle vertreten und ermöglichten die aufwendige Doppelausbildung zum physician/scientist mit letztem Schliff an den hochspezialisierten Kinderkliniken in Boston oder Paris. Der Forschungskreislauf «bed to bench» und «bench to bed» sowie das Streben nach Exzellenz waren in der Zürcher Universitätsmedizin bereits gelebter Alltag.

Reinhard Seger mit Patient am Anfang seiner Karriere.

Was war für Sie der Höhepunkt Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit?

Höhepunkte waren die Entwicklung eines gut verträglichen Verfahrens für die Stammzell-Transplantation bei einer sonst tödlich verlaufenden angeborenen Immundefizienz sowie die Durchführung der ersten Stammzell-Gentherapie bei drei Kindern mit dieser Krankheit. Beide Verfahren wurden von unserem Team zusammen mit Mauel Grez in Frankfurt ausgearbeitet. Sie werden inzwischen international angewandt und weiterentwickelt.

Welche Themen werden Sie in Zukunft weiter verfolgen?

Der Wettlauf zwischen allogener (Fremdspender)-Transplantation und heute noch experimenteller autologer Gentherapie bei angeborenen Immundefizienzen ist nicht entschieden. Im Rahmen eines EU-FP7-Projektes beteiligt sich unser Team mit europäischen Partnern in Frankfurt, London und Paris an der Entwicklung neuer, effizienter und sicherer Gentherapie-Vektoren, um sie dann später bei therapie-refraktären Patienten einzusetzen. Die nächste Telethon-Spendensammlung ist diesem Forschungsthema gewidmet.