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10. September: Weltsuizidtag

Mit dem Leben brechen

Nach wiederholtem Prüfungsmisserfolg hat sich vor einigen Monaten ein Student in Zürich das Leben genommen. Um psychische Krisen frühzeitig zu erkennen und Suiziden vorzubeugen, baut die Psychologische Beratungsstelle der Universität und der ETH Zürich ein Netzwerk auf, das kompetente Beobachter schult. Sie lernen, Studierende in Krisensituationen anzusprechen, und versuchen, Lösungen vorzuschlagen.  
Marita Fuchs

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Gründete das Netzwerk «Krise & Suizid»: Ulrich Frischknecht, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle von UZH und ETH Zürich.

Der Übergang vom Jugendlichen- zum Erwachsenenleben ist eine Zeit, die so viele Veränderungen, Anforderungen und Erschütterungen mit sich bringt, dass sich zeitweise die Frage nach dem Sinn des Lebens qualvoll aufdrängen kann.

Jedes Jahr begehen in der Schweiz über 1000 Personen Suizid. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 starben bei Verkehrsunfällen 320 Personen, also nur knapp ein Drittel soviele wie durch Suizid. Alarmierend ist, dass gerade bei jungen Menschen die Selbsttötung die häufigste Todesursache ist.

Trotzdem: «Suizid an den Hochschulen ist eher selten», sagt Ulrich Frischknecht, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle der Universität Zürich und der ETH Zürich. Unter den Studierenden der beiden Hochschulen kommt es schätzungsweise zu sechs bis acht Suizidfällen pro Jahr. Es gibt jedoch keine verlässlichen Zahlen, denn die Familien von Studierenden sind nicht verpflichtet, die Hochschulen über den Tod ihres Kindes zu informieren. Ebenfalls im Dunkeln bleiben die Beweggründe, die Studierende in den Tod treiben.

Neigung zu Kurzschluss- und Überreaktionen

Mögliche Auslöser, die einen Suizid bewirken können, sind unzweckmässige Lernmethoden, falsche Stoffauswahl und Arbeitseinteilung, ein Gefühl der Isolation durch Überfüllung der Hochschulen, fehlende Selbstbestätigung bei vorwiegend rezeptiver Tätigkeit, Examensbelastung, Beziehungskonflikte oder das Erleben einer grossen Enttäuschung. Doch kommt immer auch eine persönliche Disposition hinzu.

«Oft sind es die Perfekten und Überkorrekten, die mit sich hadern», sagt Frischknecht. Hinzu kommt, dass gerade junge Menschen zu Kurzschluss- und Überreaktionen neigen. Mangelnde Lebenserfahrung und das fehlende Wissen, dass man auch heftige Krisen überwinden kann, führen dann zu dramatischen Handlungen.

Beim Suizid neigen junge Männer zu krassen Methoden, sie erhängen oder erschiessen sich, während junge Frauen eher zu Tabletten greifen.

Netzwerk «Krise & Suizid»

Suizidgedanken sollten als Warnsignal ernst genommen werden. Jeder Suizidfall macht betroffen, löst aber in der Regel wenig Aktivität aus. Das will der Leiter der Psychologischen Beratungsstelle ändern. 2010 hat er das Netzwerk «Krise & Suizid» gegründet, das aus freiwilligen Helfern besteht, die bereit und fähig sind, Studierende in einer Krisensituation anzusprechen und ihnen zu helfen. Im Moment sind etwa 60 Personen von Universität und ETH Zürich beteiligt.

Sie sind in der Regel in beratenden und administrativen Funktionen tätig, wie zum Beispiel die Institutssekretärin, die viel Kontakt zu den Studierenden pflegt, sozial kompetent ist und gut beobachten kann. Sie hat gelernt, Studierende auf eine Krise hin anzusprechen, und lässt sich auch nicht ganz so leicht abwimmeln, wenn sie merkt, dass ein Problem vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Studierender immer wieder die Prüfung verschiebt oder wichtige Mails nicht beantwortet.

Voraussetzung, um im Netzwerk «Krise & Suizid» mitzumachen, ist das Interesse am Thema und die Bereitschaft, an Schulungen teilzunehmen. «Einfach ist die Arbeit der kompetenten Beobachter nicht», sagt Frischknecht. Wie und wo man Kontakt aufnehme, setze ein gutes Gefühl für Menschen und Empathie voraus. Zentral ist es, zu vermitteln, dass es professionelle Hilfe gibt, und darauf hinzuwirken, dass Menschen in schwierigen Situationen diese Hilfe tatsächlich nutzen.