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«Schweizer Jugend forscht» an der UZH

In fünf Tagen um die Welt

Zwölf Jugendliche haben Mitte November an der Universität Zürich akademische Luft geschnuppert. Im Rahmen einer Studienwoche von «Schweizer Jugend forscht» gingen sie unter anderem am Institut für Politikwissenschaft der Frage nach, wie sich die Globalisierung auf die Medien und den Arbeitsmarkt auswirkt. Doktorandin Karin Hasler schildert für UZH News ihre Erfahrungen bei der Betreuung der Jugendlichen.
Karin Hasler
Einblick in die Forschung: Vier Gymnasiastinnen gingen in der Studienwoche dem Zusammenhang von Medien und Demokratie nach. Betreut wurden sie von den Doktorandinnen Karin Hasler (ganz links) und Nicole Greuter (2. von rechts).

Gaza-Konflikt, US-Wahlen oder Syrienkrieg: Zeitungen haben die Ressourcen nicht mehr, eigene Korrespondenten vor Ort zu schicken, sondern kaufen die News im internationalen Nachrichtenmarkt ein. Wie aber beeinflusst dies die Berichterstattung? Eine vielseitige Berichterstattung ist für eine funktionierende Demokratie unabdingbar. Ist diese Voraussetzung noch gegeben? Inwiefern gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Zeitungen?

Dem Verhältnis von Demokratie und Medien gehe ich auch in meiner Dissertation nach. Den ganzen Tag alleine im Büro zu sitzen, war aber nie meine liebste Beschäftigung. Deshalb beschloss ich, mich dieses Jahr wieder bei «Schweizer Jugend forscht» zu engagieren.

Zum dritten Mal dabei

Ingesamt 40 Jugendliche absolvierten diesmal eine Studienwoche an den Universitäten Zürich, Basel und Genf. Acht Gymnasiastinnen und Gymnasiasten besuchten den Nationalen Forschungsschwerpunkt Demokratie am Institut für Politikwissenschaft.

Gemeinsam mit Doktorandin Nicole Greuter betreute ich eine Gruppe zum Thema Medien und Demokratie, zwei weitere Doktoranden untersuchten mit vier Gymnasiasten die Internationalisierung der Arbeitsmärkte. Weil ich seit Beginn der Zusammenarbeit zwischen unserem Institut und «Schweizer Jugend forscht» 2010 dabei bin, konnte ich auf die Erfahrungen der beiden Vorjahre zurückgreifen.

Grosse Augen und ein dichter Fahrplan

Die vier Gymnasiastinnen in unserer Gruppe nahmen am Beispiel des Bürgerkriegs in Syrien eine Inhaltsanalyse von vier deutschsprachigen Zeitungen (Tagesanzeiger, 20 Minuten, Süddeutsche Zeitung, Berliner Morgenpost) vor. Sie untersuchten, inwiefern die Medien unterschiedliche Quellen wie Nachrichtenagenturen, andere Zeitungen oder eigene Korrespondentenberichte nutzen.

Zuerst mussten wir den Schülerinnen erklären, dass ein sozialwissenschaftliches Forschungsprojekt normalerweise Jahre dauert, wir aber nur fünf Tage zur Verfügung hätten. Acht Augen schauten mich gross an und akzeptierten daraufhin gerne den relativ engen Stundenplan, der die Forschungsschritte stundenweise aufteilte. Ziel war es, in nur fünf Tagen die Ergebnisse auf einem Poster zu präsentieren und einen Schlussreport über die Studienwoche zu verfassen.

Vorerst hiess das: Lesen, lesen, lesen... Die Schülerinnen stellten sich gegenseitig die gelesenen Texte über Methoden der Sozialwissenschaften sowie Theorien über Inhaltsanalyse und die Globalisierung der Medien vor.

Bei der Diskussion in der Gruppe wurde klar, was die Schülerinnen verstanden hatten. Mein Fazit: Es besteht kein grosser Unterschied zwischen Gymnasiastinnen und Studierenden im ersten Jahr. Es geht wohl in den letzten Jahren im Gymnasium hauptsächlich um Wissensanhäufung – die analytischen Fähigkeiten für ein Studium sind vorhanden.

Schweizer Jugend forscht: Insgesamt acht Jugendliche (sitzend) besuchten die UZH im Rahmen einer Studienwoche. Stehend die Doktorierenden des Instituts für Politikwissenschaft. 

Stärken und Schwächen erkennen

Erstes Tagesziel war es, die Forschungsfrage zu entwickeln und den sozialwissenschaftlichen Forschungsprozess theoretisch zu verstehen. Am zweiten Tag bestimmten wir die Auswahl der Zeitungen und die Kategorien, mit denen die Zeitungsartikel analysiert werden sollen. Dies ermöglichte den Schülerinnen einen guten Einblick in die technischen Feinheiten und Schwierigkeiten einer Medieninhaltsanalyse.

Die grosse Arbeit stand uns noch bevor: Das Kodieren von 200 Zeitungsartikeln zum Syrienkonflikt. Kodieren ist nicht die spannendste Arbeit, es hat die Schülerinnen aber zusammengeschweisst und zu kleinen Syrienexpertinnen gemacht.

Die letzten zwei Tage dienten dazu, den grossen Datensatz zu analysieren und die Resultate in Worte zu fassen. Die Eigendynamik der Gruppe begann zu blühen und wir zwei Leiterinnen wurden schon fast zu Störfaktoren. Es war wunderbar zu beobachten, wie die jungen Frauen ihre Stärken und Schwächen erkannten und sich dort einbrachten, wo sie stark waren. Im Nu waren Poster und Report beisammen und die Köpfe rot vom schaffigen Arbeitsklima.

Wissenschaft in die Gesellschaft tragen

Wenn ich auf die Studienwochen der letzten drei Jahre zurückblicke, kann ich mit Sicherheit behaupten, dass das Verständnis von Politik, Demokratie und Medien durch ein solches Projekt enorm gesteigert werden kann. Die Jugendlichen blicken mit viel differenzierteren Augen auf Medieninhalte und erkennen, wie solche Texte entstehen.

In einer von Medien überfüllten Welt ist ein solches Verständnis von unschätzbarem Wert. Die Resultate aus der Inhaltsanalyse (Globalisierung der Medien) sind dabei nebensächlich. Sie waren vor allem Mittel zum Verständnis.

Gleichzeitig haben wir Leiterinnen mindestens so viel gelernt wie die Schülerinnen, nicht nur inhaltlich. Einmal mehr erlebten und verstanden wir, wie Forschung vermittelt und so in die Gesellschaft getragen werden kann.

Die Studienwoche von «Schweizer Jugend forscht» ist für mich eine der abwechslungsreichsten und zugleich herausforderndsten Wochen im ganzen Jahr. Bleibt Forschung im Büro und verschwindet in den Akten, hat sie versagt. Gesellschaft und Demokratie sind nur so gut, wie sie die Bürgerinnen und Bürger auch verstehen. Das hat schon Karl Jaspers gesagt. Es ist die wohl wichtigste Erkenntnis der modernen Gesellschaft.