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Herr Gutscher, Sie wurden 1947 geboren. Was zeichnet Ihre Generation im Vergleich zu früheren oder späteren aus?
Im Rückblick war es eine wohl für längere Zeit einzigartige Phase massiven Wirtschaftswachstums, welche den 50er Jahren trotz des kalten Kriegs und seinen bedrohlichen Fronten einen optimistischen Stempel aufdrückte: Es war die kurze Zeit der Illusion unbegrenzten Konsumwachstums sowie der Beginn des masslos expandierenden Energieverbrauchs; es gab Auslandferien, Privatautos, Fernsehen und an Sonntagen manchmal ein Poulet. Das Siebziger-Jahre-Wort «Umweltschutz» war noch nicht in Gebrauch. Und doch war es (noch) eine 2000-Watt-Gesellschaft.
Uns alle prägend fanden Autonomisierungsprozesse statt: Dekolonisation, kubanische Revolution, Bürgerrechtsbewegung in den USA, Prager Frühling usw. Wir wurden zur Generation 68 mit ihrem Anspruch, an der «Verbesserung» der Welt zu arbeiten.
Sie entschieden sich für eine Karriere an der Universität. Was war Ihre prägendste Erfahrung an der UZH?
Als Assistent: Zuerst die unsägliche Langsamkeit der Demokratisierungsprozesse in der Universität; dann aber auch gewisse Erfolge. Allerdings verheizen wir in vielen Gebieten unseren Nachwuchs nach wie vor. Als Professor Anfang der 90er Jahre: Die beinahe absolute Freiheit und Selbstverantwortung bei der Wahl meiner Themen in Forschung und Lehre sowie die Möglichkeit zur unbürokratischen Gestaltung und Weiterentwicklung des Curriculums.
Was war für Sie der Höhepunkt Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit?
Es gab nicht den Höhepunkt, sondern viele: Erlebnisse erfolgreicher Zusammenarbeit mit meinem Team, ertragreiche Workshops und Konferenzen, gute Publikationen oder die verschiedenen wissenschaftlich begründeten Interventionen draussen, in der «wirklichen» Welt. Schliesslich das Sichtbarwerden und die Anerkennung der wissenschaftlichen Sustainability Community auf internationaler Ebene.
Welche Themen werden Sie in Zukunft weiter verfolgen?
Ich werde einerseits mein Engagement bei den Akademien der Wissenschaften Schweiz und bei ProClim, dem Forum for Climate and Global Change, fortführen und mich in den Dienst von Stiftungen, Advisory Boards oder Scientific Committees stellen, die mich interessieren.
Andererseits werde ich als Mitglied des Kernteams einer neuen, im Herbst 2011 in Nanjing beschlossenen Forschungsallianz arbeiten. Sie hat zum Ziel, die Transformation von wissenschaftlichem Wissen und quantitativen Modellen in nachhaltiges Alltagshandeln zu analysieren und zu propagieren. Die Projektinitiative dreht sich um Knowledge, Learning and Societal Change (KLSC). Ich werde dafür in der nächsten Zeit öfter in Japan, China, Taiwan oder in Südafrika arbeiten.