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Mikroorganismen

Zähe Winzlinge

Kälte, Hitze, Salzwüsten: Mikroorganismen überstehen widrigste Bedingungen. UZH-Mikrobiologe Helmut Brandl vermutet, dass sie sogar im extraterrestrischen Raum überleben könnten. Doch auch auf der Erde zeigen die Kleinsten fantastische Fähigkeiten: Sie können sogar Gold schürfen. Spannende Einblicke in die Welt der Mikroorganismen bietet auch die Ausstellung «Keine grünen Männchen!» im Zoologischen Museum der UZH.
Marita Fuchs

Bakterien besiedeln Wüsten ebenso wie die Tiefsee. Sie überstehen extremen Druck, drastische Temperatursprünge und fühlen sich in giftigen Umgebungen pudelwohl. Erst kürzlich entdeckten japanische Wissenschaftler, dass die Winzlinge auch extreme Schwerkraft aushalten. Doch es kommt noch besser: Irdische Mikroorganismen könnten sogar auf dem Mars leben vermutet Helmut Brandl, Mikrobiologe an der Universität Zürich. Sein Spezialgebiet: Mikroorganismen in der Luft und auf Gesteinen.

Mikrobiologe Helmut Brandl: «Irdische Mikroorganismen sind potentielle Ausserirdische.»

Für die aktuelle Sonderausstellung im Zoologischen Museum der Universität Zürich «Keine grünen Männchen! – Astrophysik und Biologie suchen nach Leben im All» hat Brandl einige Organismen für die Präsentation ausgesucht. Einer davon ist der so genannte Tintenstrich: Eine Community von Cyanobakterien, die für ihre Photosynthese nicht nur den Teil des Lichtspektrums nutzen, den auch die grünen Pflanzen verwenden, sondern neben Chlorophyll zusätzliche Pigmente verwenden.

Tough guys

Pigmente geben den Cyanobakterien ihre charakteristische Färbung. Je nach deren Anteil erscheinen die Mikroorganismen blau, rot, grün oder gar schwarz, wie es beim Tintenstrich der Fall ist. «Tintenstrich-Gemeinschaften könnten von ihren Eigenschaften her fremde Planeten besiedeln, denn sie leben quasi vom Stein und können Trockenheit und grosse Temperaturschwankungen ertragen», sagt Brandl, «Es sind potentielle Ausserirdische».

Tintenstrich-Gemeinschaften leben zum Beispiel auf der Steinmauer am Seilergraben in Zürich.

Ein anderes Beispiel sind die Schneealgen. Sie gehören zur Gruppe der Grünalgen, die ein rotes Pigment bilden, mit dem sie sich vor starker UV-Sonneneinstrahlung schützen. Im Frühsommer sind die Algen auf Altschneefeldern als «Blut-» oder «Wassermelonenschnee» sichtbar. «Die Algen produzieren quasi ihre eigene Sonnencreme», erklärt der Forscher. Für die Rezeptur interessieren sich auch Wissenschaftler, die Sonnenschutz für den Menschen entwickeln.

Edelmetalle aus Computerschrott

Auch Brandl stellt die winzigen Tierchen in seinen Dienst. Er forscht unter anderem über die Fähigkeiten von Mikroorganismen, feste Mineralien aufzulösen, die schliesslich in der Natur zur biologischen Verwitterung ganzer Fels- oder Gesteinsoberflächen führen. Die aktiven Bakterien schaffen es sogar im Laborversuch, Nickel oder Kupfer aus Gestein zu lösen.

Brandl experimentiert aber auch mit Computerschrott. Es zeigt sich, dass die willigen kleinen Helfer Blausäure produzieren und so Gold, Nickel und Kobalt aus dem Abfall herauslösen können. «Ich bekomme oft Anfragen von der Industrie, sie sind sehr interessiert an unseren Versuchen», sagt Brandl. «Doch unsere Arbeit ist im Moment noch im Versuchsstadium.»

Schneealgen: Als internationaler Massstab für Grössenverhältnisse dient ein Schweizer Taschenmesser. 

Bakterien im Lichthof der Universität

Der Mikrobiologe untersucht jedoch nicht nur die Arbeit der Mikroorganismen im Gestein. Sein zweites Forschungsinteresse gilt der Mikrobiologie der Luft: Auch in diesem flüchtigen Element fühlen sich Mikroorganismen wohl. Bakterien- und Pilzsporen kommen zahlreich in der Luft vor, pro Tag atmen wir etwa eine Million Keime ein.

Brandl beobachtet die Fluktuationen und den Tages- und Stundenrhythmen der Luftbewohner an verschiedenen Standorten, so zum Beispiel im Lichthof der Universität Zürich Irchel. Gut beobachten liess sich die Konzentration der Keime in der Luft: In den Pausen, wenn die Studierenden sich im Hof aufhielten, stieg die Bakterien- und Pilzkonzentration stark an. Sobald wieder Vorlesungszeit war, ging sie zurück.

Eine verbindliche Grenzwertregelung von Keimen in der Raumluft gibt es international nicht. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) nennt einen Alarmwert, der bei 10 000 Keimen pro Kubikmeter liegt. Doch damit ist noch nichts gesagt über die Zusammensetzung. «Es ist ein grosser Unterschied, ob es sich um pathogene oder um harmlose Keime handelt», sagt Brandl. Auf Dauer müsse man deshalb eindeutige Regelungen treffen. Der Gesetzgeber ist also gefordert.