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Sprache und Politik

Kavallerie und Konsens

Politiker brauchen nicht nur gute Argumente, sondern auch die richtigen Worte. Doch welche sind dies? Und womit ringt man den politischen Gegner am besten nieder? Antworten darauf gibt das Buch «Wahl der Wörter – Wahl der Waffen?», herausgegeben von Kersten Sven Roth und Christa Dürscheid vom Deutschen Seminar der Universität Zürich. UZH News verlost ein Exemplar.
Roland Gysin

Politstrategen, Kandidatinnen und Kandidaten für Kantonsparlamente und für den National- und Ständerat, aufgepasst! Die richtige Wahl der Wörter garantiert zwar noch keine Politkarriere, aber sie verschafft im Rennen um einen Parlamentssitz eine gute Ausgangslage. Kommt dann noch eine stringente Strategie dazu, ist der Erfolg schon fast Tatsache. Auf den Punkt gebracht: Wer die Schlagwörter prägt, hat auf dem politischen Markt der Ideen und Konzepte die besten Chancen, Gehör zu finden, sagt Josef Klein, Professor für Germanistische Linguistik, Universität Koblenz.

Erhellend

Das Forschungsfeld der «Politolinguistik» ist in der Schweiz noch kaum beackert. Umso spannender liest sich der neue Sammelband «Wahl der Wörter – Wahl der Waffen? Sprache und Politik in der Schweiz». Herausgeber sind Kersten Sven Roth, Assistent am Deutschen Seminar der Universität Zürich, und Christa Dürscheid, Professorin für Deutsche Sprache. Das Buch umfasst 17 erhellende Beiträge – unter anderem auch Arbeiten von Studierenden – und schliesst an ein Symposium an, dass im Mai 2009 an der Universität Zürich stattfand.

Peer Steinbrück, deutscher Ex-Finanzminister und verbaler Polterer: «insgesamt stärker konsensorientiert» als sein Schweizer Kollege Hans Rudolf Merz.

Mehrere Texte gehen auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Politsprache zwischen Deutschland und der Schweiz ein. Der Zürcher Publizistikprofessor Otfried Jarren und seine Mitarbeiter Franziska Oehmer und Christian Wassmer weisen am Beispiel von Parlamentsdebatten nach, wie die Schweizer Konsensdemokratie zu einer weniger konfliktreichen Sprache beiträgt, verglichen mit dem deutschen Bundestag, in dem im Befehlston auf den Mann oder die Frau gespielt wird.

Erstaunlich

Die Linguistin Sarah Ebling vergleicht die Rhetorik des Kavalleristen und damaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück mit dessen Schweizer Antipoden Bundesrat Hans Rudolf Merz. Das erstaunliche Resultat: Nicht der direkte Deutsche foutiert sich um einen konzilianten Ton, sondern der vermeintlich konsensorientierte Schweizer. «Die Reden von Peer Steinbrück weisen insgesamt mehr Kohärenzmerkmale auf und sind faktengesättigter sowie stärker konsensorientiert», konstatiert Ebling.

Benjamin Haltmeier hat sich in seiner Magisterarbeit mit der Rhetorik des Bundesbüchleins befasst. Der Broschüre also, in welcher Initiativ- und Referendumskomitees ihre Argumente ausbreiten und der Bundesrat «kurz und sachlich» seinen Standpunkt darlegt. Und dabei gemäss Haltmeier durchaus etwas pointierter auftreten könnte.

Erschreckend

Eine Forderung, die sich die Schweizerische Volkspartei (SVP) schon seit geraumer Zeit zu Herzen genommen hat, wie Martin Luginbühl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Zürich, in seinem «linguistischen Streifzug» nachweist. Das Rezept ist erschreckend einfach: Man inszeniere Tabubrüche (etwa «Ausländer bedrohen die Schweiz»), schüre die Emotionen und mische das Ganze mit biologistischen Metaphern («Achtung vor Schwarzen Schafen»).

Zusammengefasst: Ein informativer Streifzug, inklusive Register durch die Sprache der Politik mit vielen Fallbeispielen, über die sich am Stammtisch und in Gelehrtenstuben trefflich streiten lässt. Leider fehlt ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren.